Unser neuer Papst Benedikt XVIErdbeben, Invasion feindlicher Truppen oder was? Nein, ein neuer Papst! |
ROM, Simon Donnelly. Weißer Rauch, darauf warteten wir alle. Und in der Kaffeepause bei unserem Nachmittags-Seminar am Dienstagnachmittag hörte ich eine Studentin sagen: "Mein Mann hat angerufen, im Fernsehen scheint weißer Rauch zu sein..." Ein Anruf auf dem Handy eines Freundes, der schon mit dem erstbesten Bus zum Petersplatz gefahren war, brachte die Bestätigung: Weißer Rauch!! Es war 19.10 Uhr. Früher als erwartet. Ich sagte unserer Seminargruppe Bescheid, und der Professor ließ uns ziehen. Es blieb ihm auch nichts anderes übrig. Wir stürmten los und sprangen übereinander, um so schnell wie möglich aus der mächtigen Eingangstür der altehrwürdigen Gregoriana herauszukommen... Und um uns herum rannte alles. Die ganze Stadt schien zu rennen. Priester, Schwestern, Touristen... Leute riefen einander zu: "Habemus Papam!" Der Verkehr kam zum Stillstand, die Leute stiegen aus den Autos und rannten weiter. So etwas habe ich noch nie erlebt. Als wäre ein Erdbeben oder eine Belagerung durch feindliche Truppen... oder eben: eine neuer Papst! Das große Rennen…Als wir über die Piazza Navona rannten, hörte ich meinen Namen rufen. Es war der Dekan der Philosophischen Fakultät, ein amerikanischer Jesuit, und auch er rannte, den Regenschirm unter den Arm geklemmt.... Und noch besser, er kannte eine Abkürzung! Wir rannten die Via die Coronari (das heißt wörtlich Rosenkranzstraße) herunter, die vor Jahrhunderten der direkteste Weg zum Petersdom gewesen war, am Tiber entlang, über die Brücke und geradewegs die Via della Conciliazione herunter. Tausende von Menschen strömten im Minutentakt auf den Petersplatz. Alles rannte. Gegen 18.30 Uhr war der Platz voll. Wir schlängelten und wanden uns weiter vorwärts, wie man es inzwischen bei den Menschenmassen auf dem Petersplatz gelernt hat. Und jede Minute kamen Tausende mehr an, von der Arbeit, aus den Hotels, auf ihren Motorini (Motorrädern), im Bus... Mitstudenten und Priester kamen im Bus oder zu Fuß. Einer sagte mir: "Als der Busfahrer auf dem weg zum Petersplatz "Weißer Rauch" hörte, fuhr er wie ein Irrer weiter, schneller als normal selbst für italienische Busfahrer! Er wollte nicht, dass seine Passagiere das verpassten!" Die uralten Worte: Habemus Papam!Der Petersplatz lag in sanftem Spätnachmittagslicht, schön und voller Frieden. Dann fing es an zu nieseln, aber man hat das kaum wahrgenommen. Und es war sowieso ganz nebensächlich. Wieder, wie schon so oft in diesen vergangenen Wochen, schien die ganze Welt auf dem Petersplatz zu sein, diesmal in der Erwartung großer Freude. Das Rätselraten dieser Tage sollte ein Ende haben: jemand würde unser neuer Papst werden, der neue Führer der Apostel Jesu Christi. Und jemand in diesem Gebäude vor uns wusste schon, dass er einen neuen "Arbeitsplatz" auf Lebenszeit hatte... Nach einer Ewigkeit (es waren nur 45 Minuten) wurde es lebhaft auf der Loggia des Petersdomes, und schließlich tauchte eine kleine Gestalt in Rot auf, begleitet von andren; Kardinal-Protodiakon Jorge Medina Estévez verkündete: ‘Cari fratelli e sorelle, chers frères et soeurs, liebe Brüder und Schwestern, dear brothers and sisters...’ Und dann die uralten Worte, die Worte aus dem Lukasevangelium, die Worte der Engel an die Hirten, Worte, die jeder Katholik kennt, ob er diesen Moment schon einmal persönlich erlebt hat oder nicht: ‘Annuntio vobis gaudium magnum... habemus papam!’ Ohrenbetäubender Applaus! Eine Menschenmenge, die vor Freude nicht zu halten war! Der Stuhl ist nicht mehr leer, es gibt einen neuen Bischof von Rom, die Welt hat einen neuen Papst! Er ist allen hier in Rom so vertraut"Joseph..." Welchen anderen Joseph als den, an den wir denken, gibt es noch? Und dann lässt uns diese eigenartige lateinische Satzstellung noch länger warten... "der Heiligen Römischen Kirche...Kardinal... Ratzinger." Stille. Und dann bricht Jubel aus! Ein Jesuit schüttelt mir die Hand. "Ja!" Langer Applaus... "der sich den Namen Benedikt XVI gegeben hat." Benedikt! Der sechzehnte? So viele Benedikts gab es schon? Ja, natürlich... Und dann kam er heraus auf die Loggia, klein, kaum zu sehen auf die große Entfernung, und er grüßte uns. Wieder Jubelrufe. Er ist allen hier in Rom so vertraut, allen, die hier leben und auch allen, die beim Tod und Begräbnis unseres lieben Johannes Paul II. hier waren. Und jetzt wird ein Kardinal "einfach" Papst... Nicht mehr Kardinal Ratzinger. Jetzt ist er Papst Benedikt XVI. Wie klingt das, wenn man es ausspricht, wenn man das hört? Wir versuchten es alle... Ein guter Namen. Ein schöner Name. Einer der Patrone Europas. Benedikt, der Vater des abendländischen Mönchstums: er hat den Grundstein gelegt, auf dem später Ordensmänner und –frauen Europa vor dem Zusammenbruch bewahrten nach dem Zerfall des weströmischen Reiches im sechsten Jahrhundert. Benedikts Klöster wurden Kristallisationspunkte der abendländischen Kultur... Wir verstanden sofort: unser neuer Papst hat alle politischen und kirchlichen Anklänge, die mit den Namen seiner unmittelbaren Vorgänger zu tun haben, vermieden: Pius, Johannes, Johannes Paul. Er führt uns vielleicht zurück zu dem Friedenspapst Benedikt XV, der im Jahr 1914 sein Amt antrat. Wir brauchen die Gnaden und die Heiligkeit, die Benedikt der Kirche vermittelt hat. Jetzt haben wir einen Papst, der diese spirituellen Werte betont. Alle Kultur braucht fortwährend Erlösung. Wir setzen große Erwartungen in diesen neuen Benedikt. "Nach dem großen Papst Johannes Paul II…"Papst Benedikt sprach in Italienisch zu uns, auswendig, ohne Papier. Als erstes erwähnte er seinen geliebten Vorgänger: "Nach dem großen Papst Johannes Paul II…" – lauter Beifall – "haben die Herrn Kardinäle mich, einen einfachen, schlichten Arbeiter im Weinberg des Herrn gewählt. Mich tröstet die Tatsache, dass der Herr mit unzureichenden Werkzeugen zu arbeiten und zu handeln versteht, und vor allem vertraue ich mich euren Gebeten an. In der Freude des auferstandenen Herrn lasst uns im Vertrauen auf seine beständige Hilfe voranschreiten. Der Herr wird uns helfen, Maria, seine heiligste Mutter, ist an unserer Seite. Danke!" Er blieb noch da, lächelte, winkte, gab dann seinen ersten päpstlichen Segen. Und dann mussten wir ohne ihn weiterfeiern. Einige junge Leute fanden schnell einen neuen Sprechgesang (mit "Gio-VAN-ni PAO-lo" können wir ja nicht weitermachen): "BE-ne-DET-to, BE-ne-DET-to!". So lange wir einen Papstnamen singen können, wird die Jugend glücklich sein! Niemand schien den Platz verlassen zu wollen. Zehntausende blieben einfach da, auch wenn es schon dunkel wurde, um zu reden, zu lachen, zu beten, Fotos zu machen. Ein Mann sang das Ave Maria von Gounod-Bach mit lauter, schöner Stimme. Es war einfach sein Dankeschön... Landsleute suchen und fanden einander unter ihren Landesfahnen, die einige mitgebracht hatten, man begrüßte einander, lernte sich gegenseitig kennen, hatte so viel zu erzählen... Ich fand ein paar Südafrikaner, die ich kannte und mehr, die ich nicht kannte, alle unter unserer Fahne versammelt. Auch als gegen 20.00 Uhr die Lichter ausgingen, blieben viele immer noch da... Unglaublich, aber die Sonderausgabe des Osservatore Romano war weniger als eine halbe Stunde nach der Wahl im Straßenverkauf zu haben. Vermutlich hatten sie ein paar Versionen vorbereitet, oder – sie waren einfach unglaublich schnell. Die ihn wirklich kennenAm Mittwoch feierte Papst Benedikt in der Sixtinischen Kapelle die Heilige Messe mit den Kardinälen, die ihn gewählt hatten. Wir waren per Fernsehen dabei. Die Messe war in Latein, mit Lesungen in Italienisch. Keine Predigt, nur eine längere Zeit der Stille. Viele Kardinäle schienen tief im Gebet zu sein. Nach der Messe sprach Benedikt XVI zu den Kardinälen, aber auch zu allen Brüdern und Schwestern in Christus, und griff Themen von Johannes Paul II. auf: das Eucharistische Jahr, Priesteramt, Dialog und Einheit mit allen Christen, Jugend, Weltjugendtag. Und an diesem fingen auch die Medienleute an, ihren Senf dazu zu geben. Viele Leute haben etwas zu sagen über Kardinal Ratzinger, nun Benedikt, unseren Papst. Viele meinen, ihn durch das zu kennen, was in den Medien über ihn geschrieben wurde. Viele, die meinen, ihn zu kennen, kennen ihn in Wirklichkeit eher nicht. Man kann niemanden wirklich und ganz über das verstehen, was in den Medien über ihn gesagt wird, Medien, die nicht unbedingt die gleichen Ziele verfolgen wie die Kirche, wie man sich immer wieder in Erinnerung rufen muss. Kardinal Ratzinger, Papst Benedikt, ist viel mehr als manche der Schmalspur-Interpretationen aus den achtziger Jahren und danach. Er ist ein Mensch, der das Leben vieler in Rome berührt hat, das Leben von Laien und Ordensleuten, und auch über Rom hinaus, und alle, die ich getroffen habe, die ihn kennen, sind von seiner Güte und Heiligkeit überzeugt. Benedikt wird kein zweiter Johannes Paul II. sein können, und er wird es auch nicht versuchen. Er ist er selbst, obwohl er sicher dem Erbe Johannes Paul II. näher ist als jeder andere, hat er doch so lange mit ihm gearbeitet. Wir sind überzeugt, dass er ein heiliger und treuer Papst sein wird, wie er immer ein heiliger und treuer Priester war. Geist Gottes, danke für diesen neuen Hirten. Gottesmutter, sorge für ihn. |
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