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 published: 2004-12-17

"Genau dort, wo das Priestertum gedemütigt werden sollte, hatte die göttliche Vorsehung gesiegt"

Karl Leisner – 60 Jahre Priesterweihe und Primiz

Capilla de los sacerdotes en Dachau; dibujo que regalaron a Carlos Leisner

Chapel of the priests in Dacha; drawing given to Charles Leisner as a gift

Lagerkapelle im KZ Dachau – auf einer Glückwunschkarte für den Neupriester Karl Leisner, vermutlich gemalt von Bruder Raphael Tijhuis OCarm (seit 13. März 1942 im KZ Dachau)

 
 

Tarjeta recordaria de la primera Misa

Card remembering the first Mass

Primizbild

 
 

Carlos Leisner; la foto fue sacado durante el ensayo de la ordenación

Charles Leisner; the picture was taken during the practice of the ordination

Neupriester Karl Leisner (aufgenommen bei der Probe für den Weihegottesdienst)

 
 

Baculo pastoral con la inscripción: “Victor in vinculis”, hecho en Dacha

Bishop’s crook, made in Dachau, with the inscription: “Victor in vinculis”

Bischofstab mit der Inschrift „Victor in Vinculis“ – für die Priesterweihe im KZ Dachau geschnitzt von Pater Makarius Spitzig, OSB (seit 3. Februar 1941 im KZ Dachau)

Fotos: IKLK-Archiv © 2004

 

The altar from the concentration camp in Dachau, today at Mount Moriah

Der Altar aus dem Konzentrationslager Dachau, heute auf Berg Moriah

Der Altar aus dem KZ Dachau heute im Priesterhaus Berg Moriah in Schönstatt

Foto: Bühler © 2004

 

 

 

DEUTSCHLAND, Pfarrer Oskar Bühler. Darf man es als ein besonderes Zeichen sehen, dass ins Jahr der Jugend, das sich die deutsche Schönstattfamilie vorgenommen hat, vier Gedenktage fallen, die an besondere Ereignisse im Leben unseres seligen Karl Leisner erinnern? In diesem Monat ist es der 60. Jahrestag von Priesterweihe (17. Dezember) und Primiz (26. Dezember). Am 28. Februar wird sich er Geburtstag Karl Leisners zum 90. Mal jähren, und am 12. August begehen wir seinen 60. Todestag. Die Jahrestage von Priesterweihe und Primiz sind (bzw. waren) Anlass zu verschiedenen Feierlichkeiten. Am dritten Adventssonntag hat im Dom von Xanten, in dessen Krypta Karl Leisner beigesetzt ist, der Internationale Karl Leisner-Kreis mit Erzbischof Averkamp des Seligen gedacht. Am vierten Adventssonntag wird in Dachau eine Feier stattfinden, an der außer Kardinal Friedrich Wetter (München) und Bischof Reinhard Lettmann (Münster) der Erzbischof von Clermont Hippolyte Simon teilnehmen wird; er ist Nachfolger von Bischof Gabriel Piguet, der Karl Leisner im KZ die Priesterweihe gespendet hat. Diese Feier in Dachau wird besonders unter dem Zeichen der Versöhnung zwischen den beiden einst verfeindeten Nachbarländer Frankreich und Deutschland stehen. Es war ein deutliches Zeichen der Versöhnung, dass auf dem Höhepunkt dieser Feindschaft ein französischer Bischof einem deutschen Diakon die Hände aufgelegt hat.

Die Schönstattfamilie begeht den Jahrestag der Priesterweihe mit einem Gottesdienst in der Anbetungskirche auf Berg Schönstatt am Freitag, dem 17. Dezember, 19.30 Uhr. Zum Gedenken an die Primiz im KZ lädt das Schönstatt-Institut Diözesanpriester am 26. Dezember zur stillen eucharistischen Anbetung (von 13.00 bis 18.00 Uhr) am Dachau-Altar im Priesterhaus Berg Moriah ein.

Dieses Gedenken gilt einem einzigartigen Ereignis: In der ‚Hölle’ des KZ findet eine Priesterweihe statt. Durch den weihenden Bischof nimmt Christus einen jungen Diakon in seinen besonderen Dienst, er gibt ihm Anteil an seinem ewigen Priestertum. "Genau dort, wo das Priestertum gedemütigt werden sollte, hatte die göttliche Vorsehung gesiegt", so deutet später Bischof Gabriel dieses Ereignis, "im Priesterblock erreichten die Freude und Dankbarkeit gegenüber Gott ihren Höhepunkt". Das Ideal "Victor in Vinculis – Sieger in Fesseln", das sich die Priestergruppe, zu der Karl Leisner gehörte, erwählt hatte, bekam durch diese Priesterweihe einen besonderen Klang und eine hohe Aktualität.

Eine große Sehnsucht geht in Erfüllung

Für Karl Leisner ging eine große Sehnsucht in Erfüllung. Durch fünf Jahre Gefangenschaft (in Gefängnis und KZ) begleitete ihn die Sehnsucht nach dem Priestertum. Es begleitete ihn auch die Lungen-Tuberkulose, die ihn daran gehindert hatte, mit seinen Mitbrüdern in der Diözese Münster die Priesterweihe zu empfangen. Wegen dieser Krankheit war er häufig im Krankenrevier des KZ; der Kontakt zu den priesterlichen Mitbrüdern war dadurch erschwert. Dennoch lebte er lebendig in seiner Gruppe mit. Und das Ideal dieser Gruppe sollte sich an ihm in besonderer Weise erfüllen.

Dieses Ideal hat offensichtlich auch die Vorbereitungen dieser Priesterweihe begleitet und beflügelt: Pater Makarius Spitzig hat es in den Bischofstab eingeschnitzt, den er für Bischof Gabriel gefertigt hat. Mit viel Phantasie und noch mehr Wagemut wurden die Vorbereitungen getroffen; aus verschiedensten Stoffen und Materialien wurden die bischöflichen Insignien und Gewänder hergestellt – alles heimlich und unter großer Gefahr. Für die Gewänder mussten Stoffe organisiert werden; Brustkreuz und Ring für den Bischof wurden von einem russischen Häftling in der Waffenwerkstätte, den Messerschmittwerken hergestellt. Bei seinem Heimatbischof von Galen konnte Karl Leisner die Zustimmung über die legale Post an seine Eltern einholen. Der Kontakt zum Ortsbischof Kardinal Faulhaber von München-Freising musste auf illegale Weise aufgenommen werden.

Die Priesterweihe fand am Dritten Adventssonntag, dem Sonntag Gaudete zwischen 8.15 Uhr und 10.00 Uhr statt. Nur mit letzter Kraft konnte der schwerkranke Diakon die heilige Handlung mit vollziehen. Wegen seiner Atemnot war die Zahl der Teilnehmer begrenzt worden, damit in dem niedrigen Kapellenraum die Luft nicht so schnell verbraucht sein sollte. Der Weihegottesdienst wurde bewusst schlicht und einfach gehalten, um den Weihekandidaten nicht zu überanstrengen.

"Er war wie im Himmel"

Obwohl die Feier ihn bis zum Äußersten angestrengt hat, war Karl Leisner innerlich voller Jubel und Seligkeit. Davon gibt Heinz Dresbach Zeugnis, der ihn in den Tagen nach der Weihe (illegal) im Krankenrevier besuchen konnte: "Er sprach mit Worten und mit seinem ganzen Verhalten die große innere Seligkeit aus, in der er in jenen Tagen sozusagen schwamm. Besonders sein Primizspruch aus dem Psalm 117 hatte es ihm angetan. . . . Er erzählte später, dass er bei der heiligen Handlung innerlich ganz ruhig und ohne jede Zerstreuung gewesen sei. Er war wie im Himmel . . . In den Tagen und Wochen nachher floss er sozusagen über von Jubel und Dankbarkeit." Wie sehr Karl Leisner von Priesterweihe und Primiz ergriffen war, zeigt auch ein Brief, den er am 30. Dezember 1944 an seinen Freund und Gruppenführer (der Münsteraner Gruppe) Heinrich Tenhumberg als Feldpost geschrieben hat: "Seit 14 Tagen kann ich nur noch ergriffen beten: Gott, was bist du groß und gut. Für uns alle waren es Stunden unbegreiflichen Glückes und hoher, hellster Freude, die uns für viele dunkle Stunden reich entschädigten. – Nach der hl. Wandlung war ich für einige Sekunden tief ergriffen und gerührt, sonst sehr ruhig und konzentriert. Stunden seligster Weihnachtsfreuden und feinster, innigster Stimmung."

Von vielen Seiten erhielt der Neupriester Glückwünsche in denen die innere Teilnahme und aufrichtige Mitfreude der Mitbrüder zum Ausdruck kommt. Eine umfangreiche, kunstvoll gestaltete Gratulationsmappe enthält über 200 Unterschriften von Mitbrüdern. Im Namen der Gruppe "Victor in Vinculis" gratulierte Hermann Richarz: "Das schönste und beste Geschenk aber geben wir Dir gern: unser Gebet und unser Opfer, unsere Verbundenheit mit Dir im Geiste der Mta, Victor in Vinculis Mariae. Maria ist Dir wahrhaft nachgegangen in die vincula [Fesseln] von Dachau und in die noch schlimmeren vincula Deiner Krankheit. Und mit ihrer Hilfe bist Du bis jetzt wahrhaft als Sieger hervorgegangen." In seiner Antwort nach etwa vier Wochen schrieb Karl Leisner: "So nach und nach verklingen die heiligen Ereignisse in der Seele. Darum komme ich jetzt erst zur schriftlichen Antwort . . . An P. K. [Pater Kentenich] und P. Fischer besonderen Dank für die feinen Mta-Horen, die mir große Freude machen." Und er erinnert sich lebendig an die Primizmesse am Fest des hl. Stephanus: "Nach der Konsekration in der Primizmesse war’s mir, als stünde ich vor unserem König als sein Ritter und Sieger. Und der lieben Mta hatte ich vorher mich ganz anempfohlen. Es war mir, als ob sie als Schutzherrin jeden Schritt und jede Handbewegung lenkte und segnete. Ich meine, so glücklich noch nie gewesen zu sein."

"Durch dich will segnend durch die Welt er gehen..."

Zu den vielen Gratulanten gehörte natürlich auch unser Gründer. Bei der Dankeswoche im Oktober 1945 in Schönstatt berichtete Pater Josef Fischer: "Herr Pater widmete Karl Leisner zur Priesterweihe und Primiz ein schönes Gebetchen. Wir Schönstätter schenkten ihm zum Weihetage die bis dahin fertig gestellten und geschriebenen Gebete [Schönstatt-Horen]." Das "Gebetchen" lautet:

"Zum Priester hat der Herr Dich auserseh’n,
durch will segnend durch die Welt er geh’n,
will durch Dich opfern, beten, lieben, leiden
und seine Schäflein hier auf Erden weiden.
Zur Seit hat er die Mutter Dir gegeben,
die ihn begleitet hat durchs ganze Leben.
Ihr bleibe treu in allen Lebenslagen.
Sie hilft Dir, Last und Bürden freudig tragen,
lenkt Deine und der Seelsorgskinder Pfade
hin zu der sel’gen Ewigkeit Gestade.
Sonntag: Gaudete 1944"

Zeugnisse von Mithäftlingen

Es gibt beeindruckende Zeugnisse dafür, welch tiefgehenden Eindruck die geheime Priesterweihe im KZ und die Primiz bei den Mithäftlingen, die mitfeiern konnten oder wenigstens darum wussten, hinterlassen hat. Einige Beispiele:

"Selbst im Schoß einer wahnsinnigen Welt, welche geschaffen wurde, um den Menschen zu erniedrigen und seinen Glauben an Gott völlig zu zerstören, besteht die Kirche mit einer Überzeugungskraft, die nicht vor der Gefahr des Martyriums zurückschreckt, so dass gemäß der Verheißung Christi die Macht der Hölle nicht den Sieg davonträgt." (Joseph de La Martinière)

"Die Kirche, die für tot erklärt worden war, hatte sogar in diesem steinigen Boden Wurzeln geschlagen und war lebendig, stark und großartig geworden." (Josef Steinkelderer)

"So sehr wollte Christus, unser Hoherpriester, in seiner unbegreiflichen Liebe und Opferbereitschaft seinen Priestern in ihre Gefangenschaft und Erniedrigung folgen. Ein Opfer von Dachau wurde Mitopfer mit dem großen Opferlamm." (Johan Renier Rothkrans)

"Ein Gekreuzigter bringt mit dem gekreuzigten Herrn sein Opfer dar. Seine im Leid gereifte Fröhlichkeit, die aus einer inneren Christusverbundenheit herausfloss, war für uns alle . . . eine große Ermunterung." (Martin Schiffer)

"Diese Priesterweihe hat manchen ermutigt und zum Durchhalten bestärkt." (Ferdinand Maurath)

"Für uns Priester im Block 26 war diese Priesterweihe ein überwältigendes Ereignis, eine Bestärkung im Glauben und eine Ermutigung im Durchhalten." (Kurt Habich)

"Viele Priester auf dem polnischen Block 28 wussten von der Priesterweihe . . . viele haben das für unmöglich gehalten, aber als es Wirklichkeit wurde, haben sich alle gefreut und es fast als ein Wunder angesehen." (Bischof Ignaz Jez)

"Da haben wir vergessen, wo wir waren, da fühlten wir die Not und Härte des Konzentrations-Lagers nicht mehr, da waren wir alle des Herrgotts Gäste und fühlten uns alle als des Heilands Freunde und Lieblinge reich beschenkt." (Josef Neunzig)

"Hier erkennt man über dem zerstörerischen Menschen den schöpferischen Gott, über dem hassenden Menschen den liebenden Gott, über dem bösartigen Menschen den gütigen Gott, über dem unterdrückten Menschen den rettenden Gott." (Christian Bernadac)

"Über den immer noch arroganten, jedoch schon vom Tod gezeichneten Nazismus triumphierte Christus, der immer das erste und das letzte Wort in allen Dingen hat, durch sein ewiges Priestertum." (Bischof Gabriel Piguet)

Sein Herz schlägt für die Jugend

Mit der Priesterweihe im KZ ist für Karl Leisner die große Sehnsucht seines Lebens in Erfüllung gegangen. Sie bedeutete auch einen neuen Hoffnungsschub im Hinblick auf Freiheit und Gesundheit. Mit seiner Sehnsucht nach dem Priestertum war immer auch seine Vorliebe und tiefe Verantwortung für die Jugend verbunden. Ihr, der jungen Kirche, wollte er sich als Priester besonders widmen, wenn seine Hoffnungen auf Freiheit und Gesundheit in Erfüllung gehen. Die Freiheit hat Gott ihm am Kriegsende geschenkt; mit großer Dankbarkeit hat er dieses Geschenk angenommen. Im Hinblick auf die Gesundheit enthüllten sich die Pläne Gottes anders, als er erhofft und erbeten hatte. Er erlag seinem Leiden am 12. August 1945.

Damit sah auch sein Priestersein und Priesterwirken anders aus. Die acht Monate seines Priesterlebens waren gekennzeichnet von der Teilnahme an Leiden und Sterben des Hohenpriesters, dem er sich in der Priesterweihe ganz anvertraut hat. Ihm ist er in hohem Maße ähnlich geworden.

Mit seinem frühen Tod ist jedoch sein priesterliches Wirken nicht zu Ende, auch nicht sein Engagement und seine Verantwortung für die Jugend. Bei jedem Heiligen dürfen wir davon ausgehen, dass er die Sendung, für die er auf Erden lebte, in der Ewigkeit vor dem Throne Gottes weiter führt. Auf Karl Leisner angewandt dürfen wir sagen: Sein Herz schlägt ganz für die Jugend; die Verantwortung für die Jugend, die ihn zu Lebzeiten beseelt hat, nimmt er jetzt am Throne Gottes voll und ganz wahr. In ihrem Bemühen, der Sorge und Verantwortung für die Jugend genügend Raum zu geben, darf die deutsche Schönstattfamilie ihn als ihren Bündnispartner und Fürsprecher am Throne Gottes wissen. Den "Weg, der bewegt" geht er mit Begeisterung mit – oder gar voran?

Literaturhinweis:

Über Priesterweihe und Primiz Karl Leisners informiert sehr eingehend das Buch:
Hans-Karl Seeger, Gabriele Latzel
Karl Leisner – Priesterweihe und Primiz im KZ Dachau
Reihe "Anpassung – Selbstbehauptung – Widerstand" Band 21
ISBN 3-8258-7277-7
LIT-Verlag Münster - 2004



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