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 published: 2004-04-06

Schönstatt- eine Lebensschule der Freiheit

Was das Heiligtum im Wallis (und nicht nur dort) für das Wallis (und nicht nur das Wallis) bedeutet -

Von P. Niklaus Stadelmann

La piedra fundamental del futuro Santuario de Valais en Brig.

The corner stone for the future Shrine in Valais, Brig.

Der Grundstein für das zukünftige Heiligtum in Brig, Wallis

 

Colocación de la piedra fundamental

Placing of the corner stone

Der Grundstein wird eingefügt

Fotos: www.schoenstatt.ch © 2004

 

 

 

Nachfolgenden Text hat Pater Niklaus Stadelmann für den "Walliser Boten", die Regionalzeitung von Brig, verfasst. Er erschien einige Tage vor der Grundsteinlegung des Heiligtums am 28. März 2004. Darin versucht Pater Stadelmann, den "Nicht-Schönstättern" von Brig und Umgebung die Bedeutung des Heiligtums und die Pädagogik Pater Kentenichs nahe zu bringen. Überlegungen, die auch für "Schönstätter" interessant sein können.

Auf Mariannhill in Brig gibt es eine Baustelle. Der kleine Bau des Schönstattheiligtums liefert viel Gesprächsstoff. Das Heiligtum ist nicht "eine Kapelle mehr", es ist die Lebensmitte der Bewegung. Am 28. März wird der Grundstein gelegt. Dies gibt Gelegenheit, etwas von der Innenseite Schönstatts darzustellen.

Schönstatt ist nicht an einem Tag entstanden, aber an einem Tag fing es an: Am 18. Oktober 1914 – nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges – hat Pater Kentenich (1885-1968) mit einer Gruppe Gymnasiasten Schönstatt gegründet. Dies ging so: Kentenich motiviert die Schüler, ihre Kraft in Schule und Internat nicht nur für gute Noten einzusetzen. Er regt sie an, diese Arbeit, aber auch Gebet und Opfer, z.B. Kriegskost und kalte Klassenzimmer, Maria zu schenken mit der Bitte, im kleinen Heiligtum "Wohnung" zu nehmen. Diesen Plan hat er nicht selbst entwickelt, noch wurde er durch eine "Erscheinung" dazu angeregt. Feinfühlig nimmt er innere Lebensvorgänge wahr und beobachtet, was die Zeit bringt. In beidem erkennt er Winke Gottes und kommt zum Glauben, das Gott diesen Plan mit ihm und den Schülern verwirklichen will.

Leben hat Vortritt

Zunächst zaghaft, dann gegenseitig ermuntert, greifen die Schüler die Anregung auf. Sie bilden Gruppen, entwickeln eigenständig Projekte für die Gestaltung des Lebens im Internat. Kentenich hält sich im Hintergrund, begleitet, fördert Einzelne und Gruppen, gibt dem Leben Vortritt. Doch es ist Krieg.

Schon werden die älteren Jahrgänge eingezogen. Das schwächt das Internat, fordert aber die jüngeren Schüler heraus. Zugleich halten die Soldaten Kontakt mit Schönstatt, trotz Drill in Kasernen, Stress an den Fronten. Da werden Soldaten aufmerksam, interessieren sich für Schönstatt. Nach dem Krieg zeigt es sich, dass selbst an der Front die Gemeinschaft gewachsen ist. Junge Akademiker, Lehrer, Studenten der Theologie, aber auch Frauen des Sanitätsdienstes kommen nach Schönstatt. Es drängt sich eine Zellteilung auf, die freier Lebensentfaltung der Einzelnen und Gruppen gerecht wird. In einem langen Prozess von 1919 bis 1968 (Tod Pater Kentenichs) bilden sich Gemeinschaften für Frauen, Mütter, für Familien, Männer und Priester, für Jugendliche und Kranke. Sie organisieren sich frei und bleiben zugleich – enger oder locker – miteinander verbunden. Es wachsen Freiräume des Lebens.

Das Spiel der Kräfte von über zwanzig eigenständigen Gruppen ist leicht durchschaubar, macht aber Sinn: Es kann jede/jeder in ihrer/seiner Situation in dieser "Familie" den Platz finden, der ihrem/seinem Leben entspricht. Es finden sich Gleichgesinnte. Zugleich kann die Motivation für den Dienst in Gesellschaft und Kirche flexibel gestaltet werden, weil Leben Vortritt hat. Dieser Freiraum des Lebens ist gesichert:

Durch verantwortete Freiheit...

Als Kentenich den Schülern 1912 das Ziel seiner Seelsorge darstellte, sagte er kurz und bündig: "Wir wollen lernen, uns unter dem Schutze Mariens selber zu erziehen zu festen, freien, priesterlichen Charakteren" und fügte im Blick auf die Freiheit bei: "Gott will keine Galeerensklaven. Er will freie Ruderer!" Wie zeit- und lebensnah dies ist, zeigen Beispiele: Pater Franz Reinisch hat in der Schule Kentenichs sein Gewissen gebildet und in Freiheit den Fahneneid auf Hitler verweigert. Als "Martyrer der Gewissensfreiheit+" wurde er am 21. August 1942 enthauptet. – Schwester Emilie Engel (1893-1955) – von Kindheit an von seelischen Ängsten bedrängt – leidet zwischen 1935 und 1939 zudem schwer an Tuberkulose. 1937 im Sanatorium schreibt sie in ihr Tagebuch: "Keine bitteren Gedanken und Gefühle aufkommen lassen." Ringen um gelebte Freiheit. Kurz vor dem Tod schreibt sie: "Mutig voran. Nur nichts aufschieben." und "Mein Ja bleibt." Gelebte Freiheit.

... und föderatives Zusammenwirken.

Die Freiheit ist nicht nur erstes Erziehungsziel sondern auch massgebender Leitgedanke beim Aufbau und Wirken der Bewegung. Nicht Weisung von oben oder rasche Mehrheitsbeschlüsse geben die Richtung an. Austausch und Absprache, Inspirieren und Initiieren führen und halten zusammen. So lebt und wächst Föderation, bleibt Raum für Freiheit, behält Leben Vortritt.

Kann aber solch freier Zusammenschluss in unserer pluralistischen Zeit, in der so vieles aufeinander triftet, Einheit und Fruchtbarkeit ausreichend sichern? Zugegeben: Pater Kentenich hat eine kühne Vision der Einheit entwickelt. Sein Modell ist die Familie. Das Bündnis ist der Lebensgrund, Familiengeist soll alle verbinden. Das braucht den Willen zur Föderation, dauernden Dialog und reifes Eigenprofil des Einzelnen, das bereit ist zu bereichern und zu ergänzen. Und wie die Familie ein DAHEIM hat, so auch Schönstatt: Haus und Heiligtum. Alle diese Kräfte zentrieren ohne zu zentralisieren. – In einer solchen "Lebensschule der Freiheit" kann Familie – und Kirche!- wachsen.



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Last Update: 06.04.2004 Mail: Editor /Webmaster
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