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 published: 2004-03-09

"Ich bin überzeugt, dass Politik auch anders geht!"

Interview mit Eduardo Nery Huerta, Abgeordneter im Parlament von Paraguay und Mitglied der Schönstatt-Bewegung

Eduardo y Silvia Nery Huerta

Eduardo and Silvia Nery Huerta

Eduardo und Silvia Nery Huerta

 
 

Eduardo y Silvia Nery Huerta en octubre de 2003, en una jornada con la Hna Edna

Eduardo and Silvia Nery Huerta in October 2003, during a retreat with Sr. Edna

Eduardo und Silvia Nery Huerta im Oktober 2003 bei einer Tagung mit Schw. Edna

 
 

Con su grupo de familias

With their family group

Mit ihrer Familiengruppe

 
 

Un jardín de María, un jardín del Padre - modelo de lo que Paraguay puede ser.

A garden of Mary, a garden of the Father - model of what Paraguay can be

Ein Garten Mariens, ein Garten des Vaters - Modell für ein neues Paraguay

 

Del Santuario a la casa... y a la Camara de Diputados: Invitación a la bendición del Santuario Hogar

From the Shrine to the House...and the Chamber: Invitation to the Blessing of the Home Shrine

Vom Heiligtum ins Haus… und in die Politik: Einladung zur Einweihung des Hausheiligtums

Fotos: Cabral © 2004

 

PARAGUAY, Javier Cabral. "Ich bin überzeugt, dass Politik auch anders geht," sagt Eduardo Nery Huerta aus Ciudad del Este, der im Abgeordnetenhaus von Paraguay den Bezirk Alto Paraná vertritt. "Wenn ich einen Politiker nennen sollte, an dem ich mich ausrichte, dann würde ich ohne Zweifel Pater Kentenich wählen." Seit 1989 gehören Eduardo yund Sylvia Nery Huerta zur Schönstatt-Familienbewegung in Ciudad del Este. Ihre ursprüngliche Gruppe hieß "Neue Zeit". Damit die neue Zeit Gottes Zeit sei, hat er sich der Politik verschrieben.

Eduardo und Sylvia Nery Huerta gehören inzwischen zum Mitgliederkreis 1 der Apostolischen Liga. In Paraguay bilden die Schönstätter, die innerhalb der Liga die Mitgliedsweihe machen, feste Kreise, die sich regelmäßig treffen, um weiterzuwachsen und die im Liebesbündnis begründete Gemeinschaft zu pflegen, die den Lateinamerikanern so wichtig ist.

Die beiden waren Gruppenführer, Diözesanführer und Diözesankoordinatoren, was in den Ländern mit wenig Patres, Schönstattpriestern und Schwestern in etwa der Aufgabe des Diözesanleiters entspricht. Diese Aufgabe gaben sie im Dezember 2002 ab, damit Eduardo sich ganz dem Wahlkampf in der neuen politischen Bewegung "Patria Querida" (Geliebtes Vaterland) widmen konnte. Vorher hatte er nie etwas mit Parteipolitik zu tun gehabt.

Und nicht ganz unwichtig: in der Zeit des Heiligtumsbaus in Ciudad del Este war Eduardo Nery Huerta der erste Korrespondent von schoenstatt.de in Alto Paraná, in ganz Paraguay und überhaupt einer der Korrespondenten der ersten Stunde.

Das Abgeordnetenhaus ist eines der beiden Häuser, das den Zweikammrigen Kongress Paraguays bildet. Das Abgeordnetenhaus besteht aus 80 Abgeordneten, die die Einwohner der verschiedenen Bezirke Paraguays vertreten. Die Mitglieder sind auf fünf Jahre gewählt und können wieder gewählt werden.

Was hat sie dazu bewegt, sich in die Politik zu begeben?

Seit Jahren schon bete ich jeden Tag um das Licht, das mir eine Sendung zeigt, durch die ich besser dienen kann. Immer ist mir dabei das "Gesetz der geöffneten Tür" sehr hilfreich und die "schöpferische Resultante" überraschend klar gewesen. Hier ist nicht genug Raum, um alle Einzelheiten aufzuzählen, aber es waren diese geöffneten Türen, die mich auf einen klar gezeichneten Weg geführt haben hin zu etwas, das ich mir vorher niemals als Feld meiner persönlichen Tätigkeit vorgestellt hätte: de Politik.

Sehen Sie also den politischen Einsatz als Berufung, persönlich oder als Schönstätter?

In dieser Etappe meines Lebens und nach so viel Gnade, die ich erhalten habe, kann ich "persönlich" und "Schönstatt" nicht mehr trennen. Ich bin nicht durch Zufall oder günstige Gelegenheit in der Politik gelandet, ich habe das auch nicht gesucht, sondern mein Engagement ist Frucht eines langen Reflexionsprozesses und von viel Gebet, wodurch Gottes Vorsehung mich dahin geführt hat, wo ich heute bin. So bin ich jetzt überzeugt und mit ganzer Seele und all meiner Kraft für diese Sendung bereit im Sinne der Mitarbeit mit der Vorsehung, und gehe mit Freude einen oft kurvenreichen und bedrohlichen Weg, den ich aber Gott sei Dank immer als klar gezeichnet und liebevoll bewacht erfahre.

Gibt es für Sie irgendwelche politischen Vorbilder oder politischen Persönlichkeiten, an denen sie sich orientieren?

Nein, Politiker als Vorbild, da gibt es keinen für mich. Die traditionelle Politik gefällt mir nicht, heute, wo ich mich täglich damit befasse, bin ich mehr denn je überzeugt, dass Politik auch anders geht. Das wie und was habe ich noch nicht endgültig klar, aber ich bin sicher, dass der Vater es mir eines Tages zeigt. Wenn ich einen Politiker nennen sollte, an dem ich mich ausrichte, dann würde ich ohne Zweifel Pater Kentenich wählen. Das war ein großer Politiker, kein Parteipolitiker, aber ein großer politischer Führer, dem der Mensch und der Verfall des Menschlichen ein brennendes Anliegen war, und der sich anstelle von mutlosem und ohnmächtigem Klagen angesichts so vieler Anzeichen der Selbstzerstörung, der Entmenschlichung, mitten hinein gestürzt hat ins Geschehen, stark und entschieden, mutig und kämpferisch, um mit vollem Einsatz für den Neuen Menschen in der Neuen Gemeinschaft einzutreten.

Was sind für Sie die Schlüssel einer Politik für eine neue Welt?

Ich wünsche mir eine menschlichere Politik, eine Politik näher am Menschen, am Einzelnen. Heute sind wir Politiker in der Makro-Politik gefangen. Wir müssen in großen Räumen denken, in den Kategorien der Weltwirtschaft, der Globalisierung, dem Zugang zu den großen Märkten, den Machtblöcken der Welt. Zu Hause geht viel Zeit für Parteipolitik, Parte und Wahlkampf drauf, und wir vernachlässigen dabei oft die Problematik des Einzelnen, der Person und ihrer Würde.

Die internationalen Abkommen, die Einheit unter den Völkern, das sind für jeden Staat Aufgaben von fundamentaler Bedeutung, aber gleichzeitig muss besonders darauf Acht gegeben werden, die Vielfalt und die eigene Identität zu wahren. Wenn Gott alles so vielfältig geschaffen hat, Flora, Fauna und den Menschen mit seinem Charakter, seinen Bräuchen, warum um alles in der Welt sollten wir dann diese wunderbare, komplexe Pluralität zerstören? Eine immer stärker globalisierte Welt, in der sich die kulturelle, politische und menschliche Vielfalt verliert, das kann es nicht sein.

Ich wünsche mir, und dafür arbeite ich, zu einer politischen Klasse zu gehlren, die eine harmonische Beziehungskultur mit dem Rest der Welt auszuprägen weiß, aber besonders sensibilisiert ist für die Bedürfnisse des Einzelnen. Eine politische Klasse, die stolz ist auf ihre nationale Identität. Eine politische Klasse, die, indem sie eine eigene Würde aufbaut, sich voll und ganz der Würde jedes Mitbürgers verschreibt.

Was sind für Sie die größten Herausforderungen ihrer Aufgabe?

Der Kampf gegen "das war immer so", gegen die Überzeugung, dass Politik so ist, wie sie ist und anders nicht geht. Kampf gegen die Mutlosigkeit angesichts der kleinen Zahl derer, die anders denken und die dann, wo es um Mehrheiten geht und um sonst nichts, praktisch immer verlieren müssen. Kampf auch gegen die Schwierigkeiten, Politik zu machen mit oft schmerzhaft starkem persönlich-familiärem Exponiertsein. Und auch der Kampf darum, die eigene Familie nicht zu überlasten - ein großer Teil meiner Aktivitäten spielt sich 327 km von meinem Zuhause entfernt ab.

Pater Kentenich spricht von Todessprüngen, wenn er extrem riskante Entscheidungen meint. In Anpassung an das 21. Jahrhundert könnten wir vom Bungee-Jumping sprechen, einem Extremsport, den einige "Ausgerastete" praktizieren, indem sie sich aus großer Höhe ins Nichts hinabstürzen, nur gesichert durch ein elastisches Seil. Ich mache diesen Vergleich, weil ich mir im Moment so vorkomme: ich komme mir vor, als stürze ich mich in den Abgrund, und mein ganzes Vertrauen ruht auf diesem Seil - und dieses Seil ist Gott. Auch wenn es Gefahren gibt, auch wenn ich manchmal Angst habe, im Tiefsten weiß ich, dass das Seil da ist, und dass es sicher hält.

Gibt es etwas in der Spiritualität Schönstatts oder im Leben von Pater Kentenich, das Ihnen bei Ihrer Aufgabe hilft?

Die Vorgründungsurkunde war für mich immer eine Quelle der Inspiration: unter dem Schutz Mariens eine feste, freie und apostolische Persönlichkeit werden. Wer das sein und vermitteln kann, der ist ein großer Politiker.

Ich fühle mich nicht würdig, mit Herrn Pater zu sprechen, aber ich möchte denen, die ich vertrete, einmal sagen: Ich stelle mich euch hiermit ganz zur Verfügung, mit allem, was ich bin und habe, mein Wissen und Nichtwissen, mein Können und Nichtkönnen, vor allem aber mein Herz.

Charisma und Entfaltung des praktischen Vorsehungsglaubens ist ein phantastisches Geschenk Pater Kentenichs, das ich versuche, Tag für Tag in die Tat umzusetzen.

Politiker der Fokolarbewegung setzen sich aus ihrem Charisma für die Einheit ein, andere, etwa aus der Gemeinschaft Sant'Egidio, für den Frieden. Auf was verpflichten sich Schönstatt-Politiker?

Ich glaube nicht, dass ich im Namen aller Politiker Schönstatts sprechen kann, aber für mich persönlich gibt es ein Problem, das mich bewegt und beschämt: Paraguay wird von Transparencia Internacional als eins der drei korruptesten Länder der Welt bezeichnet. Ich weiß nicht, ob es wirklich so ist, aber ich glaube auch nicht, dass es allzu weit von der Wirklichkeit entfernt ist. Nichts scheint in diesem Land wirklich schlecht zu sein, und wenn irgendein Tun dann doch kristallklar schlecht ist, dann gibt es tausend persönliche, familiäre und umweltbedingte Rechtfertigungen, die das Gewissen einlullen.

Wir müssen ganz stark Gewicht legen auf Wertebildung und die Einführung richtiger ethisch-moralischer Paradigmen. Das ist nicht nur eine Herausforderung für die Politiker, sondern für de ganze Bevölkerung. Aber für die Gesetzgeber ist die Herausforderung viel größer, weil wir die Vertreter dieses Volkes sind und darum Vorbild sein müssen, der Spiegel, in dem sie sich anschauen und aus dem sie ihre eigenen Wertmaßstäbe ableiten und an denen sie uns messen, fordern und nach denen sie die nächsten Volksvertreter wählen.

In dieser Linie war die erste gesetzgeberische Initiative unserer Fraktion ("Patria Querida") im vergangenen Jahr die Eingabe einer Vorlage "Ethik des Abgeordnetenhauses". Das Abgeordnetenhaus ist eine der verachtetsten Institutionen Paraguays, und irgendwie müssen wir die Anerkennung und das Vertrauen der Menschen gewinnen. Es geht da nicht nur um eine Aufzählung ethischer Prinzipien, sondern um Sanktionen gegenüber denjenigen Politikern, die gegen diese Normen, gegen Gesetz und Verfassung verstoßen. Auch wenn diese Vorlage im Plenum noch nicht behandelt worden ist, verlieren wir nicht die Hoffnung, dass es in den kommenden Sitzungen zumindest diskutiert wird.

Glauben Sie, dass Sie durch diesen Einsatz wirklich etwas verändern können?

Ja. Ich bin überzeugt, das will Gott von mir, und wenn ich alles einsetze, was ich einsetzen kann, dann wird sich etwas tun. Außerdem bin ich nicht allein, ich gehöre zu einer außergewöhnlichen Fraktion mit gleichem Wertehorizont, mit solchen Gefährten ist die Arbeit sehr leicht, wir helfen einander. Es fällt auch nicht schwer, in anderen Parteien gute Politiker zu entdecken. Übrigens ist es wichtig zu sagen, dass noch zwei weitere Schönstätter in meiner Fraktion sind, Olga López und Carlos Soler.

Paraguay ist in einer schweren Krise, aber es kann besser werden. Wir haben alles, um es besser zu machen: Bodenschätze, übermäßig ausgebeutet und immer noch in Überfülle vorhanden, menschliche Ressourcen, ein Volk voller Glauben, tief marianisch aber völlig desorientiert. Wir sind wenige Paraguayaner für viel fruchtbaren Boden, für viel Süßwasser, das nicht nur den Durst stillen, unsere Felder bewässern, uns Vergnügen und Erfrischung bereiten, sondern uns auch noch überreich Energie liefern kann. Wir schaffen es nur noch nicht, dass alles gut zu verwalten. Im Maße als es uns glückt, durch unser Beispiel und unseren Einsatz andere zu gewinnen, eine neue Gesellschaft zu bauen, werden wir es schaffen.



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Last Update: 09.03.2004 Mail: Editor /Webmaster
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