Schönstatt - Begegnungen

Spurensuche ­ Perspektivenwechsel in der Pastoral

Kardinal Lehmann beim Pastoralkongress in Schönstatt zum weltanschaulichen Pluralismus und dem Standort der Kirche

Cardinal Lehmann, head of the German Bishops' conference, during the Congress on Pastorale in Schoenstatt
Kardinal Lehmann, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, beim Pastoralkongress in Schönstatt
Approximately 230 priests, deacons and laypersons in pastorale work joined the Congress
Etwa 230 Mitarbeiter in der Pastoral, Priester und Laien, nahmen am Pastroalkongress teil
Panel discussion
Podiumsdiskussion
Fr. Rudolf Ammann thanking the Cardinal
P. Rudolf Ammann bedankt sich beim Kardinal
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Fotos: PressOffice Schönstatt, Brehm © 2002

SCHOENSTATT, Markus Warsberg. Den Perspektivenwechsel in der Seelsorge nahm der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Kardinal Lehmann, vor dem Pastoralkongress der Schönstattbewegung in der Pfingstwoche im Blick. Mitten im Pluralismus der Welt- und Lebensanschauungen Gott suchen und entdecken, könnte ein neuer und realistischer Ansatz für die Seelsorge sein.

Es scheint, so betonte schon P. Rudolf Ammann im Namen der Veranstalter, als seien die Bemühungen der letzten Jahrzehnte, den ,,Glauben zu den Menschen hinüberzutragen", in einer Sackgasse gelandet. Davon sprechen die enttäuschenden Erfahrungen in der Sakramentenkatechese und die verzweifelten Versuche der Diözesen, das verbliebene pastorale Personal einigermaßen gerecht auf das Land zu verteilen. Statt Mangelverwaltung sei angesagt, ,,Gott in den Menschen zu entdecken."

Gottesfrage stellt sich neu

Der Mainzer Bischof ging als Dogmatiker die Frage grundlegend an. Zur ,,Grundsignatur" unserer Zeit gehöre der weltanschauliche Pluralismus. Dieser sei nicht nur Vielfalt, Buntheit Zeichen der Freiheit. Dahinter stehe die These, es gebe keine gemeinsamen verpflichtenden Grundüberzeugungen mehr. Damit stelle sich für die Kirche die Gottesfrage. Sie schütze nicht überkommene Traditionen oder ihr Einflussterrain. Es sei Zeit, von Gott zu sprechen. ,,Der Pluralismus ist nicht unschuldig. Er ist beinhart." Und er sei unaufgebbar. Man könne das Rad nicht zurückdrehen. ,,Die Postmoderne zelebriert die Pluralität. Keine Lebenswelt hat mehr Vorrang vor der Gemeinsamkeit." Dies produziere, so Lehmann, zentrifugale Kräfte in der Gesellschaft. Doch der Mensch braucht Einheit. Auf die Dauer könne man mit synkretistischen ,,Bastelbiographien" nicht leben. Die Grundwertediskussion wollte die zentrifugalen Kräfte auffangen. Der Kampf um Grundrechte und Grundpflichten war oft kurzatmig. ,,Viele haben dieses explosive Auseinanderdriften unterschätzt."

Kirche muss im Pluralismus unverwechselbar bleiben

Die katholische Kirche habe sich mit dem Pluralismus lange schwer getan. ,,Wir mussten lernen, mit dem Pluralismus zu leben." Religionsfreiheit, Toleranz, Dialogfähigkeit, die Bereitschaft, sich in den Diskurs einzubringen, seien nur Schritt für Schritt Kennzeichen der Kirche geworden. Es gab Brüche und Schäden, z.B. bei der Entscheidung des H. Vatikanischen Konzils (1962 —1965) für die Religionsfreiheit. ,,Religionsfreiheit und Wahrheitsanspruch, wie geht das zusammen?" Mit Recht wurde vor Relativismus, falsch verstandener Liberalität und Aufweichung der Überzeugungen bis zum Indifferentismus gewarnt. ,,Deshalb muss die Kirche im pluralistischen Wechselbad unverwechselbar bleiben." Sonst bleibe sie ,,eine graue Maus unter grauen Mäusen." Nicht Absolutismus, sondern dialogische Nichtanpassung sei angesagt. ,,Wir müssen unseren Standort markieren." Im Dialog gebe es einen Wettbewerb der Ideen, ,,aber bitte ohne Fundamentalismus und ohne Fanatismus." Der Fundamentalismus beantworte eine echte Frage: Wie bleibt in der Unübersichtlichkeit eine letzte Verbindlichkeit und Gewissheit, die ,,Halt gibt im Leben und im Sterben"? Eine ,,Flucht in Dogma und System" sei sinnlos. Dagegen brauche es ,,Mut zur geistigen Offensive". ,,Wir lassen uns nicht ewig an die Wand stellen. Wir leben nicht in der Defensive. Wir treten ein in den Wettbewerb der Lebensformen und Ideen."

Transzendenzbewegung wahrnehmen

Die Gottesfrage hat für Lehmann in dieser zugespitzten Situation Priorität. ,,Die Uberzeugung von Gott" sei die Antwort. ,,Wir brauchen Zeugen des lebendigen Gottes." Auch die Erfahrungen mit Gott gebe es in einer großen Spektrumsbreite. ,,Hinter der Alltagswelt steht mehr Transzendenzbewegung, als man oft wahrnimmt." Allerdings brauchen diese Erfahrungen Deutung und eine Verknüpfung mit dem Gott der Bibel. ,,Man kann von Gott nur reden, wenn man weiß, dass Gott im Heiligen wohnt. Wer sich Gott nähern will, kommt nur mit angemessenen Methoden weiter." Kritische Distanz, Denken allein oder die Suche nach

großen Gefühlen allein gehen daneben. ,,Dazu gehört das Schweigen, um Gott vorkommen zu lassen." Die Offenheit für Gottes Gegenwart, die Bereitschaft zur Anbetung, seien Wege für Gottsucher. ,,Eine Rede über Gott ist nur möglich, wenn es auch die Rede mit Gott gibt." Es sei eine Berufskrankheit der Theologen, Gott zu objektivieren. ,,Gott ist ganz anders." Lehmann plädierte für eine Gotteserfahrung ,,der einfachen Schritte." Gegen das Übermaß der Reflexion stellte er die ,,unmittelbare Begegnung." ,,Vernehmen" sei ein doppeldeutiger Begriff. Er meine einerseits die kritische Nachfrage, die zur Rechenschaft zieht, andererseits die Bereitschaft, zu hören und aufzunehmen. In der Kirche werde zu wenig gepflegt, dass im Gebet ,,Gott anwesend ist." Diese Begegnung sei nie fertig und damit offen und überraschend.

Missionarische Kirche ist gefragt

Die Suche nach Gott sei nie einfach gewesen. Schon in der Bibel ist von Nacht und Leere die Rede. Auch die großen Beter haben dies erfahren. Es gehe um die Integration von Leben und Beten, von Alltag und Gottesdienst. Die Erfahrungen reden vom verborgenen Gott wie von Gottverlassenheit und Gottesfinsternis. Dies sei eine Herausforderung. Der Kardinal erinnerte an die Aufforderung des Papstes, die Netze neu auszuwerfen. Johannes Paul II. habe zum neuen Jahrtausend zu neuen Wegen, gerade in der Vergeblichkeit und Resignation aufgerufen. ,,Werft das Netz wieder aus, wenn es schwierig ist in Beruf, Familie und Ehe, Kirche und Glauben." Es gebe die ,,einfache Fülle des Glaubens." ,,Wir können den Glauben vorbereiten und stützen. Aber wir produzieren in nicht. Gott kommt nicht aus der theologischen Retorte." Die Bedeutung der Gottesfrage brauche eine missionarische Kirche. Es gehe um das Zeugnis ohne Worte, um das Zeugnis der Einfachkeit, um gelebte Überzeugung.

Sendung und Zeugnis

Gerade für Seelsorgerinnen und Seelsorger und für Bewegungen in der Kirche sei die Frage wichtig: Wie kann ich in der Gleichgültigkeit und Beliebigkeit Gottes Spur finden. Es brauche Räume, in denen die Zeichen der Zeit gedeutet werden können. ,,Gegen die Individualisierung suchen wir Solidarität und Gemeinsamkeit." Alle Christen seien berufen, wie Pfadfinder nach Spuren Ausschau zu halten, sie zu lesen und zu deuten. Es gehe um ,,Sendung und Zeugnis." ,,im Alltag kommt Gott oft inkognito." Die Ermutigung zu neuen Wegen sei die gemeinsame Aufgabe von Kirchenleitung und geistlichen Gemeinschaften. ,,Die Menschen brauchen unser Zeugnis." Die Botschaft, überzeugt und dialogisch vorgetragen, glaubwürdig durch den Einsatz für die Würde des Menschen, hat im 21 Jahrhundert ihre neue Chance.

Wie Marie­Luise Langwald für die Veranstalter beim Pressegespräch am Freitag erklärten, war eines der wesentlichen Ergebnisse des Kongresses "die Entlastung und Ermutigung der in der Pastoral tätigen Priester, Diakone und Laien." Von den etwa 220 Teilnehmern gehörten nach Angaben der Veranstalter etwa ein Drittel nicht zur organisierten Schönstattbewegung, die übrigen Teilnehmer kamen aus den Gliedgemeinschaften Schönstatts. Professor Dr. Hubertus Brantzen erklärte, dass es in der heutigen Seelsorge um Grundfragen gehe: Wofür ist Kirche gut? Wofür ist Glauben gut? Gegen eine Segmentierung des Lebens in "Glaube" und "sonstiges Leben" wollte der Pastoralkongress Glauben als Lebenshilfe zeigen und in der "Spurensuche" eine in der Schönstattbewegung erprobte Methode anbieten, mitten im Alltag Gott zu begegnen.

Wie weit es glückt, die Methode in Lebensvollzug zu übersetzen und die dahinter stehende Grundüberzeugung der Nähe und Wirksamkeit Gottes in allen Dingen, Ereignissen und Menschen, das Bild des "Begleitergottes" und die personale Begegnung mit ihm zu vermitteln, wird die Wirkgeschichte des Kongresses zeigen.

Mehr: www.spurensuche.info
  • Die Ergebnisse des Kongresses sollen ab Mitte Juli auf dieser Internetseite zugängliche gemacht werden.
  • Das Faltblatt "Spurensuche" kann über diese Internetseite angefordert werden.



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Last Update: 28.05.2002 14:04 Mail: Editor /Webmaster
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