Schönstatt - Begegnungen

Sexualität kein Tabu mehr

Initiative in Österreich: Vater-Sohn-Wochenende

Sieben Väter und ihre neun Söhne nahmen sich ein Wochenende lang Zeit füreinander.
Im Programm wechselten Einheiten für Vater und Sohn, für Söhne und Väter in eigenen Gruppen und zur Einzelarbeit ab.
Ein von Vater und Sohn gemeinsam erarbeitetes Poster zum Thema "Mannsein" wurde am Schluss im Plenum vorgestellt
Foto: Busse © 2002

ÖSTERREICH, P. Elmar Busse."Ich danke dir, dass du mir mein Leben ermöglicht hast." Mit diesem Satz, den jeder Sohn seinem Vater sagte, endete das erste Vater-Sohn-Wochenende für Burschen zwischen 14 und 17. Spontan umarmten manche Väter ihre Söhne, und diese konnten es in diesem Klima auch annehmen. Manches Auge war feucht, manches Gesicht strahlte tiefe Freude wider. Doch bis es dahin kam, war ein anspruchsvolles 24-Stunden-Programm zu absolvieren.

Am 28.Oktober trafen sich 7 mutige Väter mit ihren 9 Söhnen in der Landwirtschaftsschule Kirchberg v.Walde bei Grafendorf. Jeder konnte sich zu Beginn ein Miniposter mit einem Spruch aussuchen, der ihn angesprochen hatte und sich damit vorstellen.

Spielerisch Kommunikation lernen

Dann ging’s in die Turnhalle. Beim Spiel "Blinder Tausendfüßler" musste jede Gruppe sich Kommunikationsregeln erarbeiten für folgende Aufgabe: Alle Gruppenmitglieder stehen hintereinander, allen sind die Augen verbunden bis auf den Letzen. Dieser muss – ohne Worte, nur mit Zeichen – seinem Vordermann signalisieren, in welche Richtung es weitergeht. Dann muss die ganze Gruppe einen bestimmten Parkours zurücklegen und Hindernisse umgehen. Wie schwierig diese auf den erstem Blick leichte Übung in der Praxis zu verwirklichen ist, wurde auf heitere Weise sogleich sichtbar. Das Spiel verdeutlicht, wie schnell es zwischen uns Menschen zu Missverständnissen kommen kann, wenn wir nicht genügen miteinander reden. Die zweite Übung, bei der mal der Vater dann der Sohn mit verbundenen Augen eine Hindernisstrecke zurückzulegen hatte und der andere ihn lotsen musste, machte deutlich: Wenn es schon schwer ist, sich in den entgegenkommenden Partner so weit einzufühlen, dass man "rechts" und "links" ruft, obwohl man selber die Richtungsänderung aus seiner eigenen Perspektive als "links" bzw. "rechts" sieht, um wie viel schwerer gelingt Einfühlung bei schwierigeren seelischen Prozessen.

Auf dem Weg zur reifen Persönlichkeit: Integration von Aggressivität und Sexualität

Nach diesen Übungen hielt Pater Busse zwei Vorträge über den Wert und die Notwendigkeit der Integration von Aggressivität und Sexualität auf dem Weg zur reifen Persönlichkeit.

Nach dem Abendessen stand die Video-Aufzeichnung einer Talkshow zum Thema "Kein Sex vor der Ehe – die neue Keuschheit" auf dem Programm. Pater Busse hatte damals im ORF mitdiskutiert. Das Ganze war sehr kontrovers, und spiegelt gut das Klima wieder, in dem sich junge Christen heute orientieren und behaupten müssen. Wie können wir christliche Werte und Ideale vermitteln, ohne in eine moralisierende Sprache hineinzurutschen? Wie finden wir in eine offene und lernbereite Haltung, die aus den Erfahrungen Anderer für sich Konsequenzen ziehen kann? Denn Leben heißt auch zeichnen ohne Radiergummi. Wie erarbeiten wir uns eine neue Unbefangenheit gegenüber der Sexualität? Wie gelingt uns die Gratwanderung zwischen Fixiertheit einerseits und Verklemmtheit andererseits?

Nach diesen Programmpunkten war ein Klima aufgebaut, in dem jeder Vater offen mit seinem Sohn darüber reden konnte, wie er als Jugendlicher seine Sexualität entdeckt, seine Liebesfähigkeit wahrgenommen und seine ersten Freundschaften gestaltet hatte.

Offenes und ehrfürchtiges Klima

Doch an diesem Abend gab es noch ein faszinierenderes Thema als das Thema Nr.1, nämlich das Fußball-WM-Qualifikationsspiel Israel-Österreich. Wenigstens die zweite Halbzeit fieberten alle mit und jubelten, als in der buchstäblich letzten Minute Andi Herzog das erlösende Tor schoss. Nach diesem passiven Fußball-Genuss ging’s wieder in die Turnhalle: Zwei Väter- bzw. Sohn-Mannschaften lieferten sich leidenschaftliche Spiele, die die Söhne für sich entschieden. Das Lockere an der Situation: Egal, wer ein Tor schoss, es war ein österreichisches. Während die Söhne dann noch allein weiterkickten, trafen sich die Väter zu einem Plausch bei einem Glas Wein. Da durch die Umstellung auf die Winterzeit allen eine Stunde "geschenkt" wurde, blieb es nicht bei dem einen Glas. In dem offenen und ehrfürchtigen Klima vergingen die Stunden im Flug, so dass die meisten die Zeitumstellung noch im wachen Zustand life miterlebten.

Liebesbündnis zwischen Vater und Sohn

Nach der kurzen Nacht und einem guten Frühstück gab es einen Video-Ausschnitt aus dem Film "Der Pferdeflüsterer", in dem deutlich wurde, welche Hilfe Jugendliche bei ihren Problemen von Erwachsenen annehmen können und welche "Hilfe" bevormundend wirkt und Allergiereaktionen auslöst. Beim darauf folgenden zweiten Vater-Sohn-Gespräch konnte jeder von beiden eine Erwartung an den anderen formulieren und eine Bereitschaft ausdrücken: Das möchte ich dir schenken. Diese vier Punkte wurden dann schriftlich festgehalten und als feierliches Liebesbündnis zwischen Vater und Sohn unterschrieben. In der anschließenden Eucharistiefeier wurden die "Bündnisurkunden" auf den Altar gelegt.

Nach dem Mittagessen konnte jedes Vater-Sohn-Paar ein Plakat fertig stellen zum Thema "Mannsein heute – zwischen Macho und zweiter Mutter". Materialsammlungen und Vorarbeiten dazu – so war es in der Einladung formuliert – konnten schon zu Hause gemacht werden. Zwischen den Präsentationen der einzelnen Plakate wurden Titel von Reinhard Fendrichs neuer CD "Männersache" eingespielt.

Nach einer kurzen Pause wurde aus dem Video "Untergang der Titanic" die Szene eingespielt, in der der erfrierende Held seiner Freundin das Versprechen abnimmt, überleben zu wollen und aus diesem Leben etwas machen zu wollen.

"Ich danke dir, dass du mir das Leben ermöglicht hast"

Danach segnete jeder Vater seinen Sohn mit Handauflegung. Pater Busse sprach den Segenstext aus Num 6,24-26 satzweise vor und die Väter wiederholten ihn. Die Söhne antworteten: "Ich nehme mein Leben an zu dem Preis, den es dich gekostet hat und den es mich kostet. Ich danke dir, dass du mir mein Leben ermöglicht hast."

In der anschließenden Auswertungsrunde – getrennt nach Väter und Söhnen – meinten die Söhne: "Mir hat der Einsatz unterschiedlicher Medien gefallen." "Etwas über die Jugend meines Vaters zu erfahren, war für mich interessant, denn jetzt interessiert mich anderes als vor ein paar Jahren." "Dass wir so offen, persönlich, locker und doch ehrfürchtig über Sexualität reden konnten, hätte ich nie für möglich gehalten." "Ich freue mich schon auf’s nächste Vater-Sohn-Wochenende."

Einzelne Väter meinten: "So offen habe ich noch mit keinem meiner älteren Kinder über das Thema reden können." "Bei der Erarbeitung des Liebesbündnisses konnten wir beide über unsere Grenzen und Fehler in Offenheit und Ruhe reden. Bisher waren diese Themen für uns beide immer explosiv." "Ich dachte bisher immer, ich sei doch für die Familie und die Kinder da, aber jetzt hat sich mein Sohn bedankt, dass ich ihm und nur ihm so viel Zeit geschenkt habe. Diese aktive Zuwendung ist doch etwas anderes als der seelische Stand-by-Betrieb zu Hause, wenn ich zwar körperlich anwesend bin, aber es zu keinen tieferen Gesprächen kommt." "Das Programm war ein gutes Gerüst, um miteinander über Themen ins Gespräch zu kommen, die sich nicht so leicht von selbst ergeben, weil sie von beiden Seiten mit viel Hemmungen verbunden sind."



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Last Update: 11.01.2002 14:18 Mail: Editor /Webmaster
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