Schönstatt - Begegnungen

Eine neue Solidarisierung im Glauben: Kirche als Familie Gottes

P. Angel Strada: Predigt in Gymnich am 9. September 2001 beim Anlass der Anbringung einer Gedenktafel in der Taufkirche Pater Kentenichs
23. Sonntag im Jahreskreis - Evang.: Lk 14, 25-33

Fr. Angel Strada, postulator in the process of beatification for Fr Kentenich
P. Angel Strada, Schönstatt, Postulator im Seligsprechungsprozess von Pater Kentenich
Fotos: Keppeler © 2001

DOKUMENTATION

Sehr verehrter Herr Weihbischof, sehr verehrter Herr Pfarrer, liebe Mitchristen: wer mein Jünger sein will, der muss Vater und Mutter verlassen, sein Kreuz tragen, auf seinen Besitz verzichten... Jesus stellt hohe Bedingungen. Wer mit ihm Gemeinschaft haben will, der muss sie erfüllen. Seine Worte sind an die vielen Menschen gerichtet, die ihn damals auf dem Weg nach Jerusalem begleiteten. Doch diese Worte gelten auch uns, weil auch wir Jünger Christi sind. Deshalb sind wir heute hier! Deshalb feiern wir heute Eucharistie und unser Pfarrfest! Jesus ist unser Herr und Meister. Durch die Taufe und durch unseren Glauben gehören wir zu ihm.

Die Bedeutung von Gemeinde

In keiner Zeit, war es leicht, Jünger Christi zu sein. Aber in unserer Zeit scheint es besonders schwierig zu sein. Oft fühlen wir uns in unserem Glauben allein. Oft macht uns das Schwimmen gegen den Strom der öffentlichen Meinung müde. Oft lassen uns unsere eigene Schwachheit und Versagen mutlos werden. Oft erschweren auch die Fehler und Makel unserer Kirche den Weg. Doch die Einladung unseres Herrn, ihm nachzufolgen, gilt trotzdem weiter. Diese Einladung geht an jeden Einzelnen. Jesus erwartet eine freie Entscheidung und eine persönliche Antwort. Alle, die seine Einladung annehmen, bilden eine Gemeinschaft, treten dem Kreis der Jünger Christi, seiner Kirche, bei. Diese unsere Kirche ist die Versammlung von Menschen aus vielen Völkern und Kulturen, sie bekennen sich zu Jesus als ihrem Erlöser. Und gerade dieses gemeinsame Bekenntnis macht sie zu Brüdern und Schwerstern untereinander. Es ist sicher sinnvoll, an diesem Sonntag, an dem wir das Pfarrfest feiern, über die Bedeutung der Gemeinde nachzudenken.

Kirche - mehr als eine gut funktionierende Organisation

Die Kirche ist viel mehr als eine bloße Institution. Ihre Botschaft geht weit über die Themen hinaus, die gegenwärtig kontrovers diskutiert werden, wie etwa Beratungsschein, Priestertum der Frau, Zölibat des Priesters usw. Diese Fragen verlangen selbstverständlich eine umfassende und ausgewogene Antwort. Das gleiche gilt für die schwierigen Probleme wie Priestermangel oder etwa die Zusammenarbeit zwischen den Laien und dem Klerus. Aber von unserer Kirche darf viel mehr erwartet werden als eine gut funktionierende Organisation, das ein oder andere mehr oder weniger erfolgreiche Hilfswerk. Wir brauchen die Kirche, damit wir Jesus begegnen können. Sie schenkt uns die Anwesenheit Christi mitten unter uns - in seinem Wort und in den Sakramenten. Sie vermittelt uns seine Gegenwart in der Liebe untereinander in einer geeinten, familienhaften Gemeinschaft. In dieser Kirche und mit dieser Kirche können wir Christi Jünger sein. Keiner von uns kann den Weg zum Herrn allein finden. Diejenigen, die erklären: "Jesus ja, Kirche nein" versperren sich tatsächlich den Weg zum authentischen Jesus von Nazareth. Denn Jesus war nicht isoliert. Er hat eine Gemeinschaft gegründet und sie auf dem Fundament der Apostel aufgebaut. Diese Gemeinschaft ist berufen, Zeichen der Gegenwart Christi in der Welt zu sein und seine Sendung bis zum Ende der Zeiten weiterzuführen. Sicher, es ist eine Gemeinschaft von Menschen, das bedeutet, dass es keine fehlerlose Gemeinschaft ist und sein kann, sondern dass es auch Schwachheit und Sünde gibt. Übrigens, wenn es nicht so wäre, gäbe es dann in dieser Kirche einen Platz für uns ganz normale Menschen? Ich finde es persönlich sehr tröstlich, zu einer Kirche zu gehören, in der es auch für menschliches Versagen und Schuld Raum gibt. Eine Kirche von Engeln und Übermenschen wäre für mich unheimlich! Papst Johannes Paul II hat im Heiligen Jahr 2000 Schuld und Schwäche der katholischen Kirche in Vergangenheit und Gegenwart beim Namen genannt und Gott und die Menschen dafür um Vergebung gebeten.

Die gute Nachricht ist zum Weitergeben

Die Bedeutung der kirchlichen Gemeinschaft kann für uns klarer werden, wenn wir an unsere konkrete persönliche Glaubensgeschichte denken. Keiner von uns hat am Nullpunkt angefangen, keiner von uns ist der Erfinder der guten Nachricht. Wir haben diese Nachricht von anderen gehört. Am Anfang unseres persönlichen Glaubensweges steht sicher der Glaube von Mutter oder Vater, von der Großmutter oder dem Großvater, einer Katechistin oder dem Heimatpfarrer. Von ihnen haben wir erfahren, dass es einen Gott im Himmel gibt, dass er ein Vater ist und dass er seinen Sohn auf die Erde sandte, um unser Bruder und Erlös zu sein. Von ihnen haben wir Worte, Gebete, gelernt, um mit Gott zu sprechen. An ihrem Beispiel haben wir gesehen, welche Bedeutung das Evangelium im konkreten Leben haben kann. Und wir sind dazu berufen, ebenfalls ein Glied in dieser sich beständig fortsetzenden Kette der Zeugen und Vermittler des Glaubens zu werden. So bauen wir ganz konkret an der Kirche mit. Die gute Nachricht des Evangeliums ist ja zum Weitergeben, nicht zum Verstecken oder Verschweigen! Anstelle einer Individualisierung und Privatisierung brauchen wir heute eine neue Solidarisierung im Glauben! Denn nur so können wir den Auftrag Jesu verwirklichen, Licht, Salz und Sauerteig der Welt zu sein! Dafür braucht es nicht viele Worte und große Talente! In dem Zusammenhang denke ich gern an die Glaubensgeschichte einer außergewöhnlichen Frau: Edith Stein. Die jüdische Religion prägt ihre Kindheit, die Jahre ihres Philosophiestudiums sind ein kritisches Suchen. Im ersten Weltkrieg stirbt dann Adolf Reinach, ihr guter Freund und Kollege. Die Ehefrau bittet Edith, ihr beim Ordnen des schriftlichen Nachlasses zu helfen. Edith fürchtet die Begegnung mit der Freundin. Mit welchen Worten könnte sie einen Trost geben? Doch Anna Reinach hat den Tod ihres geliebten Mannes im Glauben an die Auferstehung so verarbeitet und angenommen, dass sie es ist, die Edith Frieden und Trost weiterschenkt. Zum ersten mal in ihrem Leben erfährt Edith, welches Licht, welche Kraft die Botschaft Christi in solchen schmerzlichen Stunden des Lebens geben kann. Dieses Zeugnis der Freundin ist entscheidend für die ersten Schritte Ediths auf dem Weg zu Christus. Eine zweite Begegnung, wiederum ein Lebenszeugnis, führt sie endgültig zum christlichen Glauben. In der Bibliothek eines befreundeten Ehepaares findet sie die Autobiographie der Theresia von Avila. Sie liest die ganze Nacht durch und hat am Schluss die feste Überzeugung, dass sie die lang ersehnte Wahrheit gefunden hat.

Pater Kentenich: die Botschaft Christi überzeugt künden

In meiner persönlichen Glaubensgeschichte hat das Lebenszeugnis von Pater Kentenich, einem Sohn dieser Pfarrei, eine entscheidende Rolle gespielt. Vor 43 Jahren habe ich in meinem Heimatland Argentinien zum ersten mal von ihm gehört. Mir hat imponiert, mit welcher Konsequenz und Überzeugung er die Botschaft Christi gelebt und verkündet hat. Sie führten ihn als Gegner des Nationalsozialismus ins Konzentrationslager Dachau. Gleichzeitig waren diese Eigenschaften auch der Grund, ein ganzes Leben lang den Menschen, denen er begegnete, selbstlos zu helfen und ihnen zu dienen. Das hat er von Maria gelernt. Von ihr hat er auch gelernt, dass man Christus von seiner Kirche nicht trennen kann.

Die Kirche geliebt - trotz harter Auseinandersetzungen

Trotz herber Enttäuschungen und harter Auseinandersetzungen hat er die Kirche geliebt. Er hat sie als Familie Gottes gesehen. Daher waren Fehler und Grenzen auch keine Überraschung für ihn. In welcher Familie gibt es keine Spannungen, Konflikte, Menschlichkeiten? Wichtig ist, dass alle Familienmitglieder ein Zusammengehörigkeitsgefühl haben und diese Zusammengehörigkeit auch bejahen, d.h. bereit sind, den anderen als Bruder und Schwester anzuerkennen, das Positive an ihnen sehen lernen und sich im familienhaften Miteinander im Dienst am Menschen engagieren. Wenn wir ein waches und offenes Herz für die Bedürfnisse der Mitmenschen und ihre vielgestaltigen Nöte haben, dann wachsen neue Kräfte in uns und in der Gemeinde. Gleichzeitig verlieren viele Begrenzungen und Fehler an Bedeutung. "Die Kirche zum Haus und zur Schule der Gemeinschaft machen, darin liegt die große Herausforderung", schreibt Johannes Paul II in seinem Dokument zum Beginn des neuen Jahrtausends. An ihrem Pfarrfest wünsche ich dieser Gemeinde, dass sie allen Mitgliedern mehr und mehr zur wirklichen Heimat wird und dass jeder als echter Jünger Christi seinen konkreten persönlichen Beitrag zur gemeinsamen Aufgabe leisten kann. Möge der Pfarrpatron, der Hl. Kunibert Ihnen dabei helfen.

Amen.

P. Angel Strada, Schönstatt-Pater



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Last Update: 13.09.2001 16:39 Mail: Editor /Webmaster
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