Schönstatt - Begegnungen


Der dreifaltige Gott und das Charisma der Verbundenheit

Ein Netz von Bindungen: Zur Sendung des neuen Heiligtums

(Martin Emge) Einmal im Jahr findet auf dem Marienberg ein Studientag statt, der sich ausführlich mit aktuellen Strömungen auseinandersetzt. Im Gnadenjahr 2000 standen "der dreifaltige Gott und das Charisma der Verbundenheit" auf dem Programm. Wer seinem entstehenden Heiligtum den Namen "Heiligtum der Verbundenheit" geben möchte, wird hier hellhörig. Denn dieses Gnadenjahr des dreifaltigen Gottes hat unmittelbar mit dem Bau zu tun. Sie wird eine Konkretion dieses Gnadenjahres und ein bleibendes Erinnerungszeichen für Gottes Handeln und unser menschliches Mitwirken. Und wenn Gott es ist, der hier handelt, dann gibt er eine Antwort auf eine Grundsehnsucht des Menschen.

Vielfältige Formen von Isolation

Die Vereinzelung und Anonymität nimmt in unserer Zeit in einem erschreckenden Ausmaß zu. Es ist schick geworden, sein Leben als Single zu gestalten. Selbstverwirklichung ist angesagt. Wie es dabei anderen geht, ist egal. Statt persönlicher Kontakte surfen inzwischen Millionen übers Internet in der ganzen Welt herum, informieren sich, erledigen ihre Bankgeschäfte am Bildschirm und kaufen per Mausklick ein. Wie es aber der Nachbarin geht, bekommen sie nicht mehr mit. Alleinstehende und Verwitwete, die unfreiwillig in die Vereinzelung geraten sind, können ein Lied davon singen, wie schwer es ist, dauerhafte und tragende Kontakte zu knüpfen. Kurzum: vielfältige Formen von Isolation verändern unser Leben. Für viele ist es einsam und kalt geworden, eigentümlich leer und ziellos.

Das Geheimnis der Verbundenheit

Mitten hinein in diese Situation vielfältiger Isolation schenkt uns Gott ein Gnadenjahr. Ein einziger Lobpreis des dreifaltigen Gottes soll es sein. Da öffnet sich uns einer, der das Geheimnis der Verbundenheit in sich trägt. Und er bietet uns ein riesiges Netz von Bindungen, die uns einander und ihm selbst näherbringen können. Genau an diesem Punkt treffen wir auf einen zentralen Aspekt der Spiritualität Schönstatts. Bindungen und Beziehungsnetze sind nicht nur für den Menschen von heute lebensnotwendig. Was im Taufbündnis grundgelegt ist, zieht sich als Grundmuster durch unsere gesamte Lebensgeschichte. Da ist ein dreipersönlicher Gott, der die Verbundenheit in Person darstellt und sich mit dem Menschen verbündet. Da nur diese Urbeziehung zu dem, der das Leben selber ist, Leben stiftet, ist verbindliches und Verbundenheit suchendes Leben zugleich der Weg zu einem gelingenden Leben.

Ein Netz von Bindungen

In Schönstatt durften wir in Jospeh Kentenich einen ausgesprochenen "Propheten der Verbundenheit" kennenlernen. Sein pastoraler Ansatz ist ein Ansatz von unten. Wer eine Sehnsucht nach dem Übernatürlichen wecken will, der kann noch so viele Vorträge über das Geheimnis der Dreifaltigkeit halten. Wenn es nicht gelingt, einen natürlichen Bindungsorganismus aufzubauen, fehlt das Verständnis für übernatürliche Zusammenhänge. P. Kentenich hat daraus ein regelrechtes Prinzip abgeleitet: je größer das Netz von natürlichen Bindungen ist, desto mehr wird die Verbundenheit mit dem dreifaltigen Gott geweckt und vertieft. Die Konsequenz, die sich aus diesem Ansatz ergibt, ist verblüffend konkret und weitreichend. Sie betrifft einen dreifachen Bindungsorganismus, der mit Personen, Orten und Ideen zusammenhängt. Da wir gerade im Aufbau unseres Schönstattzentrums sind, möchte ich diesen Ansatz exemplarisch am Beispiel der Bindung an Heilige Orte verdeutlichen.

Das Ende der flächendeckenden Pastoral

Alle Rufe nach veränderten Zulassungsbedingungen für das Priesteramt kommen dem Versuch gleich, die bisherigen Pfarreistrukturen aufrechtzuerhalten. Dahinter steckt das Ideal, dass jede Pfarrei versorgt ist und ihren eigenen Pfarrer hat. Dabei wird allerdings übersehen, dass sich die Zeit verändert hat. Das Modell der flächendeckenden Pastoral funktioniert nicht nur aus Priestermangel nicht mehr, sondern auch, weil der Trend dahin geht, dass sich die Menschen von heute ihre religiösen Angebote und auch die entsprechenden "Anbieter" aussuchen. "So wie man inzwischen sein Einkaufszentrum, seine Kulturangebote, die optimale Schule für die Kinder bewusst wählt, auch wenn sie nicht vor der Haustür liegt, so möchten immer mehr Menschen auch ihren religiösen Lebensraum wählen: viele gehen sonntags, erst recht bei der Trauung, Silberhochzeit usw., dorthin, wo ihnen Atmosphäre oder der Priester usw. entsprechen: in eine Kirche des Umkreises oder eben zu einem geistlichen Zenrtum. Dass solche Menschen auch offener sind für die individuelle Gotteserfahrung, ist zu beobachten." (Dr. Nurit Stosiek) Ein neues pastorales Modell ist am Entstehen:

Die Vernetzung von Glaubensoasen

Hauskreise, Familiengruppen, Taizé-Kreise der Jugend, Weltjugendtage, Glaubensfestivals, Veranstaltungen geistlicher Gemeinschaften und Wallfahrtsorte stehen hoch im Kurs. Die Bindung an Erfahrungsorte von Religiösität nimmt zu. Glaubensoasen entwickeln sich zu neuen Lebenszentren. Es bilden sich hier neue Bezugsräume. Genau das erleben wir mit unserem Marienberg. Längst ist er zu einem Treffpunkt geworden für jene, die dort Heimat und Lebenshilfe aus dem Glauben finden. Sie tanken dort auf, um sich im Alltag und auch in vielfältigen Engagements in ihren Pfarreien zu bewähren. Wer dieses Zeichen der Zeit erkennt, ahnt, welches Potential in solchen Glaubensoasen steckt. Sie zu vernetzen, wäre ein wichtiger Schritt, um den religiösen Grundwasserspiegel unserer Zeit nachhaltig zu heben. Unser Heiligtum wird die zentrale Mitte dieses geistlichen Netzwerkes sein, das rund um den Marienberg wächst. Heilige Orte waren von jeher Anziehgungspunkte. Dies lässt sich im Blick auf die biblischen Heiligtümer einerseits und die Bedeutung von Kultorten in der Religionsgeschichte andererseits leicht nachweisen. Es gibt einige heilige Orte in unserer Erzdiözese. Ich denke dabei an lebendige Wallfahrtsorte, aber auch an das Benediktinerinnen-Kloster in Kirchschletten, die St. Anna-Kirche neben dem CPH in Nürnberg oder ein Exerzitienhaus in Gries. Ob allerdings ihre gnadenhafte Bedeutung für unsere Kirche so im Bewußtsein ist, wie sie es verdienen? Unser Gründer war davon überzeugt, dass die Vernetzung von Glaubensoasen eine Überlebensstrategie gegen eine Austrocknung der Kirche in Europa ist.

Wenn das Herz nicht an diesem Berg hängen würde

Auch wenn das Heiligtum auf dem Marienberg noch nicht eingeweiht ist, es zeigt sich jetzt schon, welches Beziehungsnetz bereits gewachsen ist. Ob es Kuchen- oder Kerzenspenden sind, ein Baueinsatz oder eine gestaltete Andacht, eine Kinderbetreuung am Familientag oder die kostbare Freizeit, die in die Vorbereitung von Gruppenstunden gesteckt wird. Wenn das Herz nicht an diesem Marienberg hängen würde, wäre das Leben dort nicht zu erklären. Und genau das ist es ja, worauf es im Dreifaltigkeitsjahr ankommt: auf eine lebendige Verbundenheit untereinander und mit diesem Ort. Wo dieses Charisma wirksam ist, ist auch der Dreifaltige mittendrin.

 

 



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Letzte Aktualisierung: 27.11.2000 16:50 Mail: Redaktion / Webmaster
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