Schönstatt: Begegnungen am Ursprungsort

Edith Raidt, Johannesburg, Südafrika
Vortrag im Forum: Christus — Weg und Wahrheit auch für die Wirtschaft?


94. Deutscher Katholikentag 2000, Hamburg, 2.6.2000

Weggemeinschaft mit Christus

Podium: Christus — Weg und Wahrheit auch für die Wirtschaft?

Spirituelle Ansätze und Erfahrungen christlicher Unternehmer und Führungskräfte

Edith Raidt, Johannesburg, Südafrika

Ist es Utopie, in Christus Weg und Wahrheit auch für die Wirtschaft zu sehen und vor allem aus dieser Realität den Alltag und das wirtschaftliche Handeln zu gestalten? Es wird wohl ziemlich allgemein angenommen, dass Wirtschaft und Christentum wie Feuer und Wasser zueinander stehen, dass hier zwei Welten aufeinander treffen, in denen völlig verschiedenartige Maßstäbe und Gesetzmäßigkeiten gelten. Genau hier liegt der Fehlschluss, der dann auch eine defätistische Einstellung zur Folge hat. Demgegenüber möchte ich die These aufstellen, dass gerade mit Christus das Wirtschaftsleben des neuen Jahrtausends gestaltet werden kann und sogar soll. Hier stellt sich die Herausforderung für den Christen, weltgestaltend und mit schöpferischen Initiativen in den Wirtschaftsbereich einzugreifen. Obwohl "die christliche Botschaft keine konkrete Programmatik für den Bereich des wirtschaftlichen Handelns auszeitigt, präsentiert sie einen umfassenden Sinnhorizont, der sich auch im Bereich des Wirtschaftens als effektiv erweist". (Alfons Auer)

Ich basiere meine These einerseits auf die Aussagen der Christlichen Soziallehre, andererseits, und das hauptsächlich, auf die Praxis innovierender und couragierter Unternehmer im In- und Ausland, für die Christus wirklich Weg und Wahrheit für ihr wirtschaftliches Handeln geworden ist, und die ihren Job in der Wirtschaft als Berufung erfahren.

Wirtschaft und Christliche Soziallehre

Mit zunehmender Nachdrücklichkeit betont die katholische Soziallehre die Würde der menschlichen Person und das Gemeinwohl als Ziel und Orientierung der Wirtschaft. Daher die immer stärker akzentuierte Betonung der Gemeinschaft von Menschen im Wirtschaftsbetrieb, wo der Mensch fähig wird, in echter Mitverantwortung "in jene Beziehung der Solidarität und Gemeinschaft mit den anderen Menschen einzutreten, für die ihn Gott geschaffen hat." (Centesimus annus Nr. 41)

Schon das Zweite Vatikanum vertrat die Meinung:

"Im Wirtschaftsleben sind die Würde der menschlichen Person und ihre ungeschmälerte Berufung wie auch das Wohl der gesamten Gesellschaft zu achten und zu fördern, ist doch der Mensch Urheber, Mittelpunkt und Ziel aller Wirtschaft." (Gaudium et spes Nr. 63).

"In den wirtschaftlichen Unternehmen stehen Personen in Verbund, das heißt freie, selbstverantwortliche, nach Gottes Bild geschaffene Menschen… (GS Nr 68)

So betonen auch die amerikanischen Bischöfe in ihrem bekannten Hirtenbrief ‘Economic justice for all’ (1986, Nr. 23):

"Die in Gemeinschaft mit dem Nächsten verwirklichte Würde der menschlichen Person ist der Maßstab, an dem alle Aspekte des Wirtschaftslebens gemessen werden müssen."

Und Johannes Paul II. führt in "Centesimus annus" aus:

"Die moderne Betriebswirtschaft enthält durchaus positive Aspekte. Ihre Wurzel ist die Freiheit des Menschen, die sich in der Wirtschaft wie auf vielen anderen Gebieten verwirklicht. War früher der entscheidende Produktionsfaktor die Erde und später das Kapital, so ist heute der entscheidende Faktor immer der Mensch selbst." (CA Nr 32)

Die Kirche anerkennt die berechtigte Funktion des Gewinnes als Indikator für den guten Zustand und Betrieb des Unternehmens, … (doch) Zweck des Unternehmens ist nicht bloß die Gewinnerzeugung, sondern auch die Verwirklichung als Gemeinschaft von Menschen, die auf verschiedene Weise die Erfüllung ihrer Grundbedürfnisse anstreben und zugleich eine besondere Gruppe im Dienst der Gesamtgesellschaft bilden. Der Gewinn ist ein Regulator des Unternehmens, aber nicht der einzige. Hinzu kommen andere menschliche und moralische Faktoren, die auf lange Sicht gesehen, zumindest ebenso entscheidend sind für das Leben des Unternehmens." (CA Nr. 35,3)

"Das Unternehmen darf nicht ausschließlich als ‘Kapitalgesellschaft’ angesehen werden; es ist zugleich eine ‘Gemeinschaft von Menschen’, zu der als Partner in je verschiedener Weise und mit spezifischen Verantwortlichkeiten sowohl jene beitragen, die das für ihre Tätigkeit nötige Kapital einbringen, als auch jene, die mit ihrer Arbeit daran mitwirken." (CA Nr. 43)

Im Statement der englischen Bischöfe "The Common Good and the Catholic Church’s Social Teaching", 1996, Nr. 76) wird scharf formuliert:

"Die Katholische Soziallehre über das Gemeinwohl ist unvereinbar mit einem uneingeschränkten, oder laissez-faire Kapitalismus, der darauf besteht, dass die Reichtumsverteilung nur auf Grund der Gesetzmäßigkeit des Marktmechanismus geschieht."

Auf dem Hintergrund der (amerikanischen) Wirtschafts- und "Virtues" Ethik wird der unterschiedliche Ansatz und die Zielrichtung einer christlich-humanistischen Wirtschaftsethik wie die der Katholischen Soziallehre deutlich. Der Gewinnfaktor soll nicht Endzweck sondern Mittel zum Zweck sein. Ziel ist die Selbstverwirklichung des Einzelnen und das Bonum Commune der Menschen in einer von Globalisierung geprägten Welt. Wie Johannes Paul II. vor allem in Gesprächen mit Unternehmern immer wieder betont, geht es bei einer christlichen Wirtschaftsethik um angewandte Solidarität im Unternehmen und dabei primär um

- die Würde der Person

- die Humanisierung des Betriebs und um

- ein neues Arbeitsethos, nämlich um den arbeitenden Menschen, vor allem um

Führungskräfte, als Mitschöpfer, als Partner Gottes und Sachwalter seiner Schöpfung.

Theorie und Praxis

Man könnte fortfahren mit Hinweisen auf Theorie und Lehre, denn die christliche Soziallehre der vergangenen Jahrzehnte hat Wesentliches zu einem christlichen Verständnis von Wirtschaftsethik und wirtschaftlichem Handeln beigetragen. Wie aber sieht die Praxis aus? Ist diese Lehre überhaupt realisierbar?

Dazu bedarf es charismatischer Aufbrüche und Persönlichkeiten. Wenn Edmund Lambeth in seiner Reaktion auf die derzeitige Krise in der Wirtschaftsethik schreibt, wir warten auf einen neuen St Benedikt, ("Waiting for a new St Benedict", 1990) dann ist diese Reaktion faszinierend und aufschlussreich. Eine prophetische und zugleich praxisorientierte Führungsgestalt wie die eines Benedikt von Nursia, der das frühchristliche Abendland in einer Zeit allgemeiner Zerrüttung geprägt hat, wäre heute dringend nötig, schon allein deshalb, weil an seinem Beispiel klar wird, dass große gesellschaftliche Reformen mit kleinen Modellfällen in der Kombination von Vision und Praxis beginnen.

Es ist erfreulich feststellen zu können, dass es bereits manche sehr konkrete und mutige Ansätze gibt, dieses Konzept in die Tat umzusetzen und dabei trotz allem kapitalkräftig und erfolgreich im Wettbewerb zu bleiben. Die wiederholte Herausforderung des Papstes an Unternehmer und Wirtschaftskräfte wird vielfach ernstgenommen. Ich denke hier zum Beispiel an die Initiative der Fokolarbewegung, von der Sie nachher mehr hören werden, oder an UNIAPAC, die Internationale Christliche Vereinigung für Führungskräfte in der Wirtschaft, die sich auf weltweiter Ebene um die Anwendung christlicher Prinzipien in Grossunternehmen bemüht.

 

Modell-Impulse von Pater Joseph Kentenich

Statt im großen und theoretischen Rahmen der Christlichen Soziallehre zu bleiben, ist es nützlich, auf konkrete Impulse und Initiativen einzugehen, auf Modelle also, die zeigen, wie Christus wirklich Weg und Wahrheit für die Wirtschaft sein kann.

Bereits vor nahezu 30 Jahren wurde von chilenischen Wirtschaftsführern in Santiago der Versuch gemacht, auf der Lehre und Praxis Pater Joseph Kentenichs (1885-1968), dem Gründer der internationalen Schönstattbewegung aufbauend, eine neue christliche Unternehmensführung zu entwerfen. Diese Initiative wurde 1982 in Johannesburg (Südafrika) aufgegriffen. Seitdem hat sich ein Modell der Christlichen Unternehmens-Führung (Christian Business Leadership) auf der Basis der katholischen Soziallehre und der Gemeinschaftsdynamik Pater Joseph Kentenichs im Managementbereich auf internationaler Ebene als brauchbar und in gewisser Hinsicht sogar als bahnbrechend erwiesen. Zahlreiche Unternehmer haben den sogenannten "Kentenich-Weg im Management" bereits mit Erfolg in ihren Firmen zum Tragen gebracht und damit einen praktischen Weg gefunden, ihr Unternehmen zu humanisieren und die Werte des Evangeliums auf ihr wirtschaftliches Handeln anzuwenden.

Pater Joseph Kentenich, bietet mit den Ideen, Prinzipien und Strukturen seiner Gründung wichtige Impulse für die Schaffung einer neuen christlichen Gesellschaftsordnung, auch für eine christliche Gestaltung wirtschaftlicher Unternehmen. Ich möchte hier einige Kernbegriffe, die in dem Wirtschaftsseminars "Christian Business Leadership" entwickelt wurden, kurz beschreiben. Diese wurden im Dialog mit nahezu 2000 Wirtschaftsführern zuerst in Südafrika, dann in Lateinamerika und Europa auf ihre Brauchbarkeit untersucht und auf das Unternehmen angewendet.

Das Seminar stellt sich zur Aufgabe, den Teilnehmern eine Unternehmensphilosophie aus organischer Sicht zu vermitteln, ferner eine Pädagogik für die Bildung des echt christlichen Unternehmers, und schließlich eine Spiritualität für Führungskräfte in der Wirtschaft, um sie zu befähigen, als Partner Gottes im fortwährenden Schöpfungs-Prozess ihrem Sendungsauftrag gerecht zu werden.

Das Seminar zielt auf eine umfassende Anwendung des Evangeliums auf die Welt der Wirtschaft hin. Es möchte die Teilnehmer anleiten,

  • ihren Betrieb als Gemeinschaft zu sehen mit der daraus resultierenden Notwendigkeit, den Betrieb zu humanisieren;
  • die Würde der menschlichen Person in allen Mitarbeitern zu schätzen;
  • dem Unternehmer zu helfen, sich als Partner und Werkzeug Gottes zu erleben, also als Sachverwalter der ihm vom Schöpfer anvertrauten persönlichen Güter und Talente, und als Partner, der ehrfürchtig die Umwelt behandelt;
  • das eigene Unternehmen als konkreten Beitrag zur Schaffung einer besseren Welt aus- und aufzubauen, wobei der Betrieb als Infrastruktur der Gesellschaft gesehen wird.

SCHAUBILD / FOLIE

Von dieser Zielsetzung ergeben sich thematische Schwerpunkte wie:

  • Unternehmensführung im Dienst der menschlichen Gesellschaft
  • Erarbeitung ethischer Normen für das Wirtschaftsleben, konkret für den eigenen Führungsstil
  • Erarbeitung eines christlichen Arbeitsethos
  • Solidarität, Subsidiarität und Konfliktmanagement im wirtschaftlichen Handeln
  • Erarbeitung eines neuen Verständnisses von Autorität und Macht, Autorität und Freiheit
  • Erarbeitung einer geeigneten Spiritualität für Führungskräfte in der Wirtschaft;

Das Originelle dieses Wirtschaftsseminars besteht in der Anwendung der "Gemeinschaftsdynamik" Kentenichs auf den Managementbereich in allen Unternehmensformen mit der Absicht, den Betrieb zu humanisieren, und den Wirtschaftsbereich zu evangelisieren.

Kentenich formuliert Gesetze der Gemeinschaftsdynamik, die das menschliche Leben überhaupt, das Leben und Wirken eines Unternehmers aber im besonderen, prägen. Er leitet sie ab von den Prinzipien, die der Schöpfergott selber als "Super-Manager" der Welt, dem Menschen und dem menschlichen Zusammenwirken eingestiftet hat:

SCHAUBILD / FOLIE

  • Pluralität und Polarität: Alles Leben spielt sich in einer bunten Vielfalt ab. Diese Pluralität von Anlagen, Profilen, Anliegen, Zielen, Chancen und Grenzen wächst sich oft zu Polaritäten aus, die in Spannung zueinander stehen: Überzogene und unbewältigte Spannungen zerstören. Integrierte Spannungen werden zu schöpferischen Kräften und sollen es werden.

In einem Unternehmen sollen die unterschiedlichen Fähigkeiten, Interessen und Eigenheiten der Mitarbeiter optimal zum Zug kommen und sich im freien Spiel der Kräfte gegenseitig herausfordern, fördern und schöpferisch Mitverantwortung übernehmen. Die Führungskraft muss daher lernen, (konfliktive) Spannungen als Chancen zu erkennen und sie zu schöpferischen Spannungen, die Vitalität erzeugen, auszuwerten.

  • Gliedhafte Autonomie: Jeden Menschen hat der Schöpfer einmalig und unwiederholbar gemacht. Er hat jedem Menschen personale unverfügbare Würde, kreative Verantwortungsfähigkeit und eigenständige Freiheit gegeben. Jeder Mensch hat relative, letztlich nur an Gott gebundene Autonomie.

Als Partner des Schöpfergottes hat die Führungskraft in der Wirtschaft in Ehrfurcht vor der Würde und Autonomie des Menschen zu stehen. Leben und Freiheit des Individuums stehen über dem Zugriff des Unternehmens. Eine solche Einstellung bestimmt das Arbeitsklima und das Verhältnis unter den Mitarbeitern.

  • Solidarität und Subsidiarität: Ganz zu sich kommen kann ein Mensch nur in einem Geflecht von funktionierenden Beziehungen, die ihn in seiner Individualität annehmen, tragen und fördern und die er selber mitgestaltet, bereichert und verantwortet. Gegenseitige vertrauensvolle Verbundenheit und Solidarität wirken sich aus in lebendigem Miteinander, in bereichernder Zusammengehörigkeit und schöpferischer Mitverantwortung.

Jedes Unternehmen ist primär Arbeitsgemeinschaft und soll als solches Leistung und Gewinne für alle Mitarbeiter erbringen. Es soll darüber hinaus auch Lebensgemeinschaft sein. Hier ergibt sich eine fruchtbare Grundlage für "Participative Management".

  • Autorität – Diener seiner Mitarbeiter: Eine von allen anerkannte einende Autorität muss an der Spitze stehen, die unbeschadet der Mitverantwortung aller die letzte Verantwortung trägt und zugleich in schöpferischem Dienst echte menschliche Beziehungen ermöglicht.

Die Führungskraft im Unternehmen, als "Diener seiner Mitarbeiter" ("servant leadership"– cf. Robert Greenleaf, J & J. Boyett, 1999:52) und als Träger seiner Vision für das Unternehmen, hat die Aufgabe, "autoritär im Prinzip, aber demokratisch in der Anwendung" seine Leitungsfunktion auszuüben.

Es ist erstaunlich, wie sehr sich diese Grundprinzipien der Gemeinschaftsdynamik Kentenichs mit den neuesten Vorstellungen der Management Gurus treffen (vgl. Boyett & Boyett 1999).

An einem konkreten Beispiel wird deutlich, wie sich diese Prinzipien auch in Dienstleistungen außerhalb des eigenen Betriebs segensreich auswirken können.

Beispiel: Clive L. - Subsidiarität in "Nobody" in Südafrika; aus größter Armut erwächst das Projekt "Small Business Development"

 

Schlüsselpunkte für einen christlichen Führungsstil

1. Unternehmer als Mitschöpfer SCHAUBILD / FOLIE

Das Kernanliegen Jesu war das "Reich Gottes". Wenn Jesus sein Wirken in Galiläa beginnt, verkündet er: "Jetzt will Gott seine Herrschaft aufrichten und sein Werk vollenden" (Mk 1,15). Es ist kühn aber dennoch richtig, dies auf die Wirtschaft anzuwenden, denn auch hier und gerade hier will Gott durch christliche Führung seine Herrschaft aufrichten. Der Urauftrag Gottes an den Menschen lautet: "Macht euch die Erde untertan" (Gen 1,28). Im Schöpfungsbericht der Genesis wird die Schöpfung dem Menschen als Garten anvertraut mit der Aufgabe, "den Garten zu pflegen und zu schützen" (Gen 2,15).

SCHAUBILDER / FOLIEN

Die Führungskraft ist demnach aufgerufen im Schöpfungsparadigma als Mitschöpfer im Bund mit dem Schöpfergott zu agieren. Sie erlebt sich dabei als freie und schöpferische Zweitursache, als Bündnispartner und Werkzeug der Erstursache – Gott. Sie erfährt sich in ständiger Abhängigkeit von Gott und in Verantwortung für Gesellschaft und Schöpfung. In dieser Doppelorientierung ist sie gegenwartskräftig und zugleich zukunftsorientiert. Es geht darum, geschichtsschöpferisch zu werden, das heißt, in das Räderwerk der derzeitigen Geschichte einzugreifen. Gerade in der Wirtschaft, wo so oft von der unsichtbaren Hand und von eigenen Gesetzmäßigkeiten die Rede ist, kann und soll die Orientierung auf die Wertwelt Christi die Brücke werden, welche die Gegensätze von Christ und Welt verbindet.

Der Christ in der Wirtschaft hat eine besondere Berufung erhalten, für die ihn Gott mit besonderen Talenten ausgestattet hat. Aufgabe der christlichen Führungskraft ist es, die Gesellschaft nach den Werten Christi zu gestalten. Wenn Boyett & Boyett in ihrem Buch The Guru Guide. The Best Ideas of the Top Management Thinkers (1998; deutsche Übersetzung Management Guide: Die Top-Ideen der Management Gurus, 1999)) von der "Verschiebung des Führungskonzepts: vom Strategen zum Visionär" sprechen, dann ergibt sich hier eine großartige Vision für die christliche Führungskraft. In meinen zahlreichen Gesprächen mit Grossunternehmern in Lateinamerika ist diese Konzeption auf große Resonanz gestoßen. Sie gibt dem Unternehmer eine realistische Aufwertung seiner Person und Aufgabe.

 

2. Christliches Arbeitsethos SCHAUBILD / FOLIE

Nehmen wir diese Berufung ernst, dann ist ein wesentlicher Ausgangspunkt unsere Einstellung zur Arbeit, konkret die Arbeit der Führungskräfte, mit all den damit verbundenen Risiken, Forderungen und Entscheidungen, mit der Freude des Erfolgs und dem unvermeidlichen Stress im Wettbewerb. Arbeit als Teilnahme am Schöpfungsprozess, als kreative Mitarbeit mit dem Schöpfer ist die Antwort des freien Menschen der Einladung Gottes folgend. Arbeit wird so ein ständiges Arbeiten mit Gott und Arbeiten für Gott (cf. Kentenich: Werktagsheiligkeit). Vom Judäo-Christlichen Standpunkt her soll "das Arbeiten mit Gott" ja eine Glücksquelle und Quelle der Kreativität für den Menschen sein, und "Arbeiten mit Gott" wird Lobpreis und Verherrlichung des Schöpfergottes. Damit wird die Kluft zwischen der Religion am Sonntag und dem Stress und den Anforderungen des Werktags, vor allem bei überanstrengten Führungskräften wirksam überbrückt. So kann auch eine Spiritualität der Arbeit sich entfalten, sogar ein Heiligkeitsweg im Alltag. Kentenich spricht von "Werktagsheiligkeit". Sogar Michel Camdessus, bis vor kurzem Geschäftsführer der IMF, spricht von der Notwendigkeit von Heiligkeit für den christlichen Unternehmer, wenn dieser seiner Aufgabe in der heutigen Wirtschaft gerecht werden will.

"Die Arbeit ist für den Menschen da", schreibt Johannes Paul II, "und nicht der Mensch für die Arbeit". (Enzyklika Über die menschliche Arbeit Nr. 2-7). Die Würde des arbeitenden Menschen muss ebenso nachdrücklich betont werden wie seine Herrschaft über die Erde. Daraus entstehen aber auch erneute ethische Anforderungen. In Centesimus annus heißt es:

"Über lange Zeit wurden die elementarsten Wirtschaftsbeziehungen verzerrt. Grundlegende Tugenden des Wirtschaftslebens, wie Zuverlässigkeit, Aufrichtigkeit, Fleiß, wurden vernachlässigt" (CA 27)

Will man ein neues christliches Arbeitsethos schaffen, fordert das die Hebung der Arbeitsmoral in Betrieben und Unternehmen, ganz besonders in Ländern der Dritten Welt. Einerseits steht der christliche Unternehmer und Manager ständig vor der Frage, wie sich der Arbeitgeber darum kümmern muss, dass die Würde der beschäftigten Mitarbeiter gewahrt bleibt, und dass die Kreativität gewährleistet ist, beziehungsweise angeregt wird. Andererseits muss ein wirkliches Arbeitsethos unter den Angestellten herausgebildet werden. Die derzeitig herrschende "culture of entitlement" ("Anspruchskultur") soll zu einer Kultur der Mitverantwortung werden. Das gehört wesentlich zur "moralischen Renaissance", zu welcher Präsident Thabo Mbeki in Südafrika immer wieder aufruft und dabei wiederholt an die Kirchen appelliert. Hierzu ein Beispiel:

Ein Kleinunternehmer in Südafrika stand vor dem Bankrott. Die Produktion seiner Firma mit ca. 20 relativ ungeschulten schwarzen Angestellten war gefährlich abgesunken. Rassenspannungen unter den Angestellten führten zu gegenseitiger Einschüchterung und sogar zu Mord von Angehörigen. In dieser Krisensituation nahm er an dem Wirtschaftsseminar "Christian Business Leadership" teil, das für ihn eine Art Kairos wurde.

Bevor er die Firma schließen wollte, lud er seine Mitarbeiter zu einem offenen Gespräch ein und behandelte sie dabei zum ersten mal als gleichwertige Mitarbeiter, als Männer mit Würde. Bis dahin war er einfach der Boss, der autoritär die Befehle austeilte, aber niemand in sein Vertrauen nahm. Ganz offen legte er jetzt die Karten auf den Tisch und informierte sie über den Stand der Firma.

Die Reaktion war für ihn verblüffend. Seine langjährigen Angestellten wurden plötzlich seine Mitarbeiter, die eine völlig unerwartete Verantwortung für das Unternehmen entfalteten. Auf einmal gab es keine Krankheitstage, keine "Stay-away" Aktionen mehr, die Produktion verdoppelte sich schon im ersten Monat und blieb von da an auf einer sich ständig steigernden Linie. Es entstand ein Arbeitsethos, das Fleiß, Mitverantwortung und Zuverlässigkeit förderte.

Er selber entdeckte, dass manche von ihnen Analphabeten waren, dass ihre Familien in den Homelands große Probleme hatten, kurz, er setzte sich von da an für das persönliche Wohl seiner Angestellten und deren Familien ein und für eine gründliche Weiterschulung der Einzelnen. Das Unternehmen wurde zu einer Arbeitsgemeinschaft.

Da in der Sicht des Papstes "die menschliche Arbeit ein Schlüssel, und wohl der wesentliche Schlüssel in der gesamten sozialen Frage" (LE 3)ist, muss ein christliches Arbeitsethos auch konkrete Antworten auf Arbeitsprobleme zu geben versuchen, z.B.

  • Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen, mit Rücksichtnahme auf kulturelle und wirtschaftliche Gegebenheiten
  • die richtige Einschätzung des Gewinnmotivs, Gewinnstreben und Eigeninteresse; Gewinn und Soziale Gerechtigkeit
  • das richtige Verhältnis zwischen Arbeit und Kapital, zwischen Kapitalismus und Schöpfung
  • Überwindung der Kluft zwischen Reichtum und Armut ("wealth gap")
  • Wertung und richtige Einschätzung der gottgeschenkten "wirtschaftlichen Talente" des Unternehmers als Gabe und Aufgabe für das Bonum commune.

Wichtig ist vor allem, dass die Sehnsucht nach erfülltem Arbeiten und nach ungebrochenem Christsein gerade auch am Arbeitsplatz für alle Mitarbeiter möglich wird.

 

3. J. Kentenichs Organisationsprinzipien

P. Kentenich leitet christliche Führungskräfte in der Wirtschaft an, ihren Management-Stil an der Praxis des Schöpfergottes zu orientieren. Kentenich glaubte nämlich, Gott ein universelles Organisationsmuster abgelauscht zu haben, das auch auf ein Unternehmen übertragbar ist, und das zur Schaffung eines neuen Menschen in einer neuen Gesellschaft beitragen kann. Das Ziel ist die gesunde Polarität von Person und Gemeinschaft, die Formung der freien Persönlichkeit in einer von christlichen Werten geprägten Gesellschaft.

Bauprinzip SCHAUBILD / FOLIE

Gott hat den Menschen in Freiheit erschaffen. Er achtet die Würde, Einzigartigkeit und Freiheit des Menschen. Wie Thomas von Aquin schon sagte, Gott wirkt durch freie menschliche Zweitursachen. Das Bauprinzip für seine Schöpfung und daher sein Organisationsprinzip kann laut Kentenich folgendermaßen umschrieben werden:

Freiheit soweit als möglich,

Bindung soweit als nötig,

Geistig-seelische Formung soviel wie möglich.

Dieses Gesetz zielt auf den Menschen in seiner gottgegebenen Freiheit, einer Freiheit "von" und einer Freiheit "für". die aber nur erreicht werden kann, wenn die Bildung des Geistes aufs höchste gefördert wird. Auf die Geschäftswelt angewandt, bedeutet das Erziehung, Bildung und Schulung auf allen Ebenen.

Dieses Managementprinzip beinhaltet nicht einfach nur Regeln und Vorschriften, sondern hat zum Ziel, das Unternehmen als Gemeinschaft aufzubauen und den Mitarbeitern zu helfen, sich als Menschen zu entfalten. Die Autoritätsträger müssen es lernen, anderen den angemessenen Freiraum zu geben und dadurch Leben entstehen zu lassen. Andererseits müssen die Mitarbeiter es lernen, die gegebene Freiheit und das damit geschenkte Vertrauen in Verantwortung und Zuverlässigkeit auszuwerten. Es wird zu einem fruchtbaren Wechselspiel. Hier kommt bereits das Subsidiaritätsprinzip zum Tragen.

Die Anwendung dieses Prinzips ist besonders schwierig in Ländern der Dritten Welt und vor allem dort, wo eine "culture of entitlement", die Einstellung "das steht mir zu", herrscht. Hier ist auf Schulung, Bildung und die Schaffung eines Vertrauensklimas größtes Gewicht zu legen.

In vielen Kulturen Afrikas gibt es eine Stammessolidarität, eine soziale Tugend "Ubuntu", die den einzelnen immer seiner Sippe gegenüber verpflichtet. Ubuntu bedeutet: der Mensch wird ein Mensch durch andere Menschen. Diese soziale Tugend kann jedoch im neuen Freiheitsraum auch zur Gefahr werden. Die weit verbreiteten Übel von Korruption, Bestechung und Nepotismus sind indirekt darauf zurückzuführen.

Regierungsprinzip SCHAUBILD / FOLIE

Führung soll nach J. Kentenich "autoritär im Prinzip, demokratisch in der Anwendung" sein. Das entspricht den personalen Grundrechten des Menschen, dem berechtigten Verlangen nach demokratischer Mitverantwortung. Gleichzeitig stützt es die rechtmäßige Autorität. In der konkreten Anwendung geht es um das polare Kräftespiel zwischen Management einerseits (autoritär) und der verantwortungs-bewussten Beteiligung und dem Einspruchsrecht der Mitarbeiter andererseits. Es ist die ideale Führung, um Führungstalent bei den Mitarbeitern zu wecken.

Das setzt aber den korrekten Führungstyp voraus, den Greenleaf Servant Leadership nennt. Kentenich hat diesen Führungstyp bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts sorgfältig gefördert. Er sieht ihn am besten symbolisiert im Bild vom Guten Hirten. Die Kennzeichen des Führungstyps bei Kentenich und Greenleaf zeigen erstaunliche Parallelen.

  • Der dienende Führer im Unternehmen fragt nicht, ob das und das getan ist, er stellt Fragen, um herauszufinden, Wie kann ich helfen?
  • Der dienende Führer denkt, dass jene die produktivste Organisation ist, in der "am meisten freiwillig gearbeitet wird; die Leute tun zur richtigen Zeit die richtigen Dinge und erhöhen damit die Gesamteffektivität weil sie verstehen, was zu tun ist, weil sie glauben, dass dies das Richtige ist, und weil sie die notwendigen Maßnahmen ohne vorherige Anweisung ergreifen.""(Anne Fraker, "Robert Greenleaf and Business Ethics: There is No Code" 1995:46)
  • Der dienende Führer betrachtet sich selbst als "Ersten unter Gleichen" (Primus inter pares) und sieht seine Funktion darin, "die Führungsfähigkeiten anderer zu fördern."
  • Der dienende Führer legt Wert auf ethisches Verhalten und ein einheitliches Leben. Seine Mitarbeiter beschreiben ihn als eine Person, die Vertrauen beweist.
  • Der dienende Führer nimmt sich Zeit für die Mitarbeiter, er interagiert mit den Gefolgsleuten.
  • Der dienende Führer betrachtet die Organisation als Garten und sich selbst als Gärtner.(Boyett & Boyett 1999: 52-54)

 

Das Verbundenheitsprinzip

Gemeinschaft entsteht dort, wo Menschen einander anerkennen und akzeptieren, wo also ein wirkliches In-, Mit- und Füreinander gegeben ist. Eine solche Verbundenheit ist ein Prinzip der Gemeinschaftsbildung. Die richtige Art der Gemeinschaft muss behutsam gefördert werden. Das bewirkt auf horizontaler Ebene Solidarität, auf vertikaler Ebene Subsidiarität.

Beispiel: Firma Anwandter, Santiago, Chile

"Participative management" und Arbeiterbeteiligung am Besitz

 

Einheits- oder Einigungsprinzip

Gemeinschaft entsteht dort, wo ein gemeinsames Ziel angestrebt wird, und wo Menschen eingebunden sind in ein gesundes Netzwerk von Bindungen an Orte, Menschen und Ideen. Diese Bindungen entsprechen menschlichen Grundbedürfnissen und sollen deshalb in einem christlichen Unternehmen weitgehend gefördert werden.

Ein Übel unserer postmodernen Zeit ist die Tatsache, dass viele Menschen zu Nomaden geworden sind. Viele können sich nicht mit mehr mit einem Ort identifizieren, was besonders bei Kindern zu großen psychologischen Schäden führen kann.

In Centesimus annus wird ausdrücklich betont, dass das Unternehmen nicht nur als Kapitalgesellschaft angesehen werden darf, sondern zugleich als eine Gemeinschaft von Menschen (CA Nr. 43). Gerade hier setzen christliche Unternehmer an. In bewusster Anlehnung an das Gleichnis vom Weinstock und den Reben (Jo 15, 1-8) und an das Bild vom Mystischen Leib Christi (Röm 12, 4-6, 1 Kor 12, 12-31)), kann die Arbeitsgemeinschaft eines Unternehmens in und mit Christus ganz neue Gestalt annehmen.

Beispiel: SCHAUBILD / FOLIE

Angeregt durch die Kentenich-Lehre entwickelte ein Schweizer Forscher und Manager in einem internationalen Pharmakonzern eine ganz originelle Führungsform für sein Team von Mitarbeitern; er nennt es "Führung in Nächstenliebe" (P. Geisser, "Führung in Nächstenliebe", unveröffentlichtes Manuskript). Ausgehend von der Rückverbindung mit "Abba, dem Vater aller", und im Vertrauen zu Gott und den Menschen sieht er Nächstenliebe als Richtschnur und Kompass für einen Führungsstil, der Dienen heißt. Indem er in seinem Team und in jedem einzelnen Mitarbeiter Originalität, Kreativität, Durchhaltewille und Selbstkorrektur fördert und durch Gottverbundenheit stets vertieft, wird sowohl der Einzelne als auch das Team auf die gemeinsame Aufgabe und das Bonum commune ausgerichtet. Wichtig sind dabei der Ausdruck von der Freude des Gelingens, Lob und Dankbarkeit von Teamleiter und Kollegen für gelungene Arbeit. Kernwerte dieser Managementethik sind Wahrheit, das Gute und die Schönheit. Er schreibt: "Wenn wir uns jeden Tag Mühe geben, in Wahrheit und im Guten zu handeln, so wird aus der griechischen Idee der Wahrheit, des Guten und der Schönheit die christliche Tat der Nächstenliebe, und unser Alltag, unser Leben, unsere Welt wird dann wirklich schön."

 

Spiritualität für Führungskräfte in der Wirtschaft

SCHAUBILD / FOLIE

Weggemeinschaft mit Christus im Wirtschaftsleben erfordert eine originelle und geeignete Spiritualität, die der Führungskraft hilft, Gottes Willen in der Komplexität des Alltag zu erkennen und mutig durchzuführen. Der Christ in der Welt braucht die Verbindung mit Gott, und er muss lernen, alles aus der Sicht Gottes zu betrachten. Die Führungskraft braucht eine persönliche Beziehung zu Gott und zu Gottes Plan. Sie braucht auch ganz wesentlich einen Bezug zur Geschichte, und sie muss bereit sein, couragiert etwas zu unternehmen und – wie Kentenich sagt - "geschichtsschöpferisch" zu wirken. Unsere Zeit braucht Menschen, die die Schöpfungsordnung und Vorsehung Gottes respektieren und völlig akzeptieren. Die Frage ist, wie können wir den Gott des Lebens, der uns ständig Botschaften zukommen lässt und auf unsere Antwort wartet, mitten in der Hektik des Alltags entdecken. Der praktische Vorsehungsglaube, wie ihn P. Kentenich lehrt, bietet hier ein Lebenskonzept, das sich für den Unternehmer, für den Menschen im öffentlichen Leben eignet.

Beispiel: Errol C.

 

Führungskräfte in der Wirtschaft sind heute, wie wohl noch nie zuvor, herausgefordert durch den Gott der Geschichte, denn das Gemeinwohl der Menschheit ist zum großen Teil in ihre Hände gelegt. Gott öffnet Türen für neue Möglichkeiten. Hierzu noch ein letztes Beispiel.

Beispiel: "Mission für Unternehmer und Unternehmen"

Das Wirtschaftsseminar "The Kentenich-Way" hat in Lateinamerika zu einer sehr breit angelegten Initiative angeregt. Wie Rodrigo Ossanon beim letzten Weltkongress von UNIAPAC in Rom im Oktober 1998 berichtete, wurde in Argentinien und Chile eine groß angelegte und sehr erfolgreiche "Mission für Unternehmer" und danach eine "Mission im Betrieb" durchgeführt. An jeweils 7 Abenden wurden mit Hilfe von geeigneten Videos, Schriftlesung, Gebet und Besprechung, ein Programm für christliche Unternehmer angeboten. Die Besprechungen fanden zuerst im kleinen Kreis in den Häusern der Unternehmer und mit Beteiligung der Ehegatten gehalten. Später wurden sie in den Betrieben als "in-house" Kurse gehalten. In Argentinien allein nahmen 8000 und in Chile bis jetzt 6000 Unternehmer und deren Mitarbeiter teil.

Christliche Führungskräfte haben heute die große, unwiederholbare Chance, Architekten und Baumeister einer neuen, von Christus geprägten Gesellschaftsordnung zu werden. Es geht um die Evangelisierung des Wirtschaftssektors, nicht aus eigener Kraft, sondern im Bündnis mit dem Schöpfer, der auch heute verheißt: "Seht, ich mache alles neu" (Offb 21,5).




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