Zum Weiterdenken - Considerations - Para reflexionar

Zeitanfragen - Challenges of Time - Desafíos del tiempo

 

Bewunderung – Wachstumsimpuls oder Schmerztablette?

Mit Familien ins Gespräch kommen (1): Anregungen in der Vorbereitung auf den Europäischen Familienkongress

P. Elmar Busse:

Vom 28.April bis 2.Mai treffen sich in Schönstatt Familien aus den neuen und aus den alten EU-Mitgliedsstaaten zu einem Familienkongress.

Das Ziel:

Stärkung der Familie, der wichtigsten Zelle der Gesellschaft.

Die Beobachtung:

Eine Spiritualität, die auf dem biblischen Bundesgedanken aufbaut, ist für Ehepaare ideal und 1:1 anwendbar auf die Gestaltung der Partnerschaft.

Die Erfahrung:

Wo Vater und Mutter für ihre Kinder die Erziehungsaufgabe gemeinsam in die Hand nehmen, ist es wahrscheinlicher, dass Persönlichkeiten heranwachsen, die

  • beziehungsfähig und belastbar sind,
  • eigenverantwortlich ihr Leben gestalten können,
  • solidarisch sich kümmern um Notleidende weltweit,
  • kraftvoll die gesellschaftlichen Verhältnisse mitgestalten wollen.
Das Anliegen:

Auf dem pluralistischen Markt der Sinnanbieter wollen wir in demütigem Selbstbewusstsein den christlichen Glauben und die christlichen Werte authentisch leben und der nächsten Generation und allen Suchenden weitergeben.

Zur Vorbereitung auf diesen Kongress erscheint monatlich eine Gesprächsanregung für den Austausch mit anderen Familien. Zum 1. Januar, dem Fest der Gottesmutter Maria (noch 119 Tage bis zum Familienkongress) geht es um den Lebensvorgang "bewundern". Glückt es, als Wirklichkeit zu bewundern, was uns als Möglichkeit gegeben ist?

Blick ins Leben:

Das Leben der Großen übt eine eigenartige Faszination auf viele Menschen aus. Die meisten, die heute großartige Leistungen vollbringen, träumten in ihrer Kindheit und Jugend, dass sie auch mal so werden wollten wie ...Der 10jährige trainiert im Trikot seines Superstars aus dem Fan-Shop, die 15jährige Gitarrenspielerin übt in ihrem Zimmer, die Wände voll mit Postern von ihrer Lieblingsband, der Doktorand kämpft um einen Platz im Institut des Nobel-Preisträgers, der Lehrling sieht jeden Tag die Urkunden und Preise des Vaters und Großvaters im Büro des Familienbetriebes und möchte es später noch besser machen. So sind wir Menschen. Am Anfang steht die Bewunderung der Großen, und hoffentlich wächst daraus die Sehnsucht, ihnen nachzueifern. Manche können aber nicht zu ihrer Sehnsucht stehen. Sie nehmen gleichsam die Resignation vorweg. Dann wird aus der Bewunderung oft eine Schmerztablette. Wenn sie sich schon selber nicht groß fühlen können, dann soll wenigstens ein bisschen Glanz auf ihr Leben fallen, indem sie durchs Fernsehen oder durch Zeitschriften am Leben der Großen teilhaben können. Wer unter seiner eigenen Unbedeutendheit leidet, kann sich mit dem Ruhm der Anderen betäuben. Der Banalität des Alltags kann man entfliehen, zumindest solange man sich mit dem Leben der Promis beschäftigt. Ähnliches läuft ab, wenn Fans ihre siegreiche Mannschaft feiern. "Wir haben gewonnen!" – doch angestrengt haben sich nur die 11 Spieler auf dem Rasen. – Wenn die Begeisterung über sportliche Spitzenleistungen die eigene Aktivität fördert, ist dagegen nichts zu sagen. Aber wenn es beim Träumen bleibt, so sind dahinter so manche Fragezeichen zu setzen.

Blick in die Bibel:

Mit dieser Alltagsproblematik im Hinterkopf schauen wir auf das Leben Jesu: Da gibt es eine Frau, die ganz begeistert ist von dem, was Jesus tut und was er sagt. Wie reagiert sie darauf? "Selig die Frau, deren Leib dich getragen und deren Brust dich genährt hat."( Luk 11,27)

Wir wissen nicht den Hintergrund, aber eine mögliche Deutung ist die: Sie preist die Mutter Jesu selig. Vielleicht hätte sie auch gerne einen solchen berühmten, mächtigen und weisen Sohn gehabt. Doch der Zug ist abgefahren. Eine Andere war seine Mutter. Was dieser Frau bleibt, ist vielleicht ein bisschen Neid auf die Mutter Jesu und ein bisschen Selbstmitleid: "Schade, dass ich keinen solchen Sohn habe!"

Wie antwortet Jesus auf diese Seligpreisung?

"Selig sind vielmehr die, die das Wort Gottes hören und es befolgen." (Luk 11:28)

Damit ist wieder alles offen: Jeder bekommt eine Chance, selig zu werden. Wer meint, das Glück sei immer gerade da, wo er nicht ist, der wird in einer solchen Verfassung nicht die Chancen und Möglichkeiten entdecken, die sich ihm auftun. Es bleibt beim Jammern über die schlechten Startbedingungen fürs eigene Leben. Es bleibt beim sehnsüchtigen Schielen nach dem – oft auch nur vermeintlichen – Glück der Erfolgreichen.

Wer dagegen sein Leben begreift als ständiges Angebot, den Willen Gottes zu erfüllen, erspürt die Seligkeit, die darin liegen kann.

Wer sich am Abend fragt, ob er heute ein gutes Werkzeug in den Händen des Allmächtigen war, der sich abhängig macht von unserer Mitarbeit, - der findet Erfüllung in dem, was er getan hat und tut. Es wird uns nicht immer gelingen, in dieser Tiefendimension unser Tagewerk nachzukosten. Aber die ganz normale Zufriedenheit, wenn wir unsere Sache gut gemacht haben, ist ein gutes Polster, um im Frieden mit sich selbst den Feierabend zu feiern oder mit gewachsenem Selbstvertrauen die nächste Aufgabe anzupacken.

Blick auf uns

Wir feiern am1. Januar das Fest der Gottesmutter Maria. Wir könnten es feiern wie die unbekannte Frau, die die Mutter Jesu selig gepriesen hat. Dann bleibt uns nur ein bisschen Wehmut und ein bisschen Neid. Dann schließen wir uns selber aus. Wir können es aber auch feiern in dem weiten Horizont der Antwort Jesu.

  • Dann war Maria nur die Erste, aber nicht die Einzige, die dem Wort Gottes geglaubt hat und ihr gläubiges Ja zu der Anfrage des Engels gesagt hat.
  • Dann war Maria nur die Erste, aber nicht die Einzige, die das Wort Gottes befolgt hat und so ihren Teil in dem Erlösungsplan Gottes erfüllt hat.
  • Dann sind wir die Nächsten, die für heute diese Aufgabe Gottes erfüllen dürfen und sollen.

Was wir bei Maria als geglückte Wirklichkeit feiern, feiern wir dann gleichzeitig als unsere Möglichkeit. Gott will uns nicht als Zuschauer, nicht als neidische Schlüssellochgucker, nein, er holt uns auf die Bühne seines Heilsplanes und erwartet, dass wir die uns zugedachte Rolle erkennen und auch spielen - mutig und engagiert.

Der neidlose Blick auf Maria möchte uns zeigen, was Gott alles aus einem Menschen machen kann, der sich ihm wagemutig und mit ganzem Herzen ausliefert. Wenn wir so den 1.Januar feiern, dann wird der Blick auf Maria zur Ermutigung durch Gott: "Lass dich auf mich und meine Heilspläne ein!"

Blick auf den Gründer Schönstatts

Pater Kentenich hat 1951 für die deutschen Bischöfe einen "Schlüssel zum Verständnis Schönstatts" geschrieben. Darin deutet er die bisherige Schönstattgeschichte so:

"So wird die Schönstattgeschichte zu einem Wettlauf zwischen göttlicher Führung durch das Gesetz der geöffneten Tür und menschlicher Fügsamkeit,

zu einem spannungsreichen heiligen Spiel zwischen verschwenderischem göttlichem Liebeswerben und hochgemuter menschlicher Liebesantwort,

zu einem Drama hochherziger göttlicher Wegweisung und -bereitung und menschlicher wagemutiger Wegbeschreitung.

Alles aber dient nur einem Ziel: der stückweisen Entschleierung und Verwirklichung des geheimen göttlichen Planes, der durch Schönstatt der großen Idee vom neuen Menschen in der neuen Gemeinschaft mit universellem apostolischem Einschlag eine ganz bestimmte konkrete Form geben will." (Texte zum Verständnis Schönstatts, S.185)

Blick auf unsere Gestaltungsmöglichkeiten:

Was hier allgemein von Schönstatt ausgesagt ist, gilt ja auch für das Leben des einzelnen Schönstätters, gilt genau so auch für das Leben in unseren Familien. Und damit stellt sich immer wieder neu die Frage: Welches Klima entwickeln wir in unseren eigenen vier Wänden? Wenn wir unser Leben als Wettlauf, heiliges Spiel und Drama deuten, dann gilt es Flexibilität und Schnelligkeit, spielerische Leichtigkeit und Großzügigkeit, Wagemut und Belastbarkeit im Umgang mit Gottes Plänen zu entwickeln.

  • Wie deuten wir dann in der intimen Öffentlichkeit unserer Familie die Misserfolge und Erfolge der einzelnen Familienmitglieder?
  • Wie schützen wir uns davor, die Erfolge der Großen nur als Droge aber nicht als Impuls zum eigenen Wachsen zu nutzen? (Nia Künzer ist auch deshalb eine solch gute Fußballerin geworden, weil sie – im Unterschied zu ihren Brüdern – drangeblieben ist.)
  • Wie gelingt es uns als Eltern, bei Geschwisterrivalität und Neid den Blick der Kinder auf die eigenen Fähigkeiten zu lenken?
  • Wie gelingt es uns als Paar, im Blick auf unser gefundenes Ehe-Ideal und unsere persönlichen Ideale, immer wieder neu Freude an uns selbst zu entwickeln und die eigenen Grenzen demütig anzunehmen?
  • Welche Kultur der Ehrfurcht vor der Größe des Einzelnen bauen wir auf (denken wir nur an den lästigen Kampf gegen die Schimpfwörter, die schon die Kleinen aus dem Kindergarten mitbringen, und die die Pubertierenden in ihren Stimmungstiefs den Eltern an den Kopf werfen)?

Eine Bitte zum Schluss

Bitte sammeln Sie Ihre Beobachtungen und experimentieren Sie in Ihrer Familie! Das tut allen in Ihrer Familie gut. Zusätzlich können Sie Ihre guten Erfahrungen auf dem Familienkongress Anderen mitteilen. Von den ersten Jüngern hieß es, dass sie alles miteinander teilten. Für ein Dach über dem Kopf, für Essen und Kleidung können die meisten selber sorgen. Aber in der pluralistischen Gesellschaft fehlen häufig Orientierungsmöglichkeiten, fehlen praktische Erfahrungen, wie heute (Selbst-)Erziehung auf lange Sicht gelingen kann. Orientierung und Anregung – diese Form der Nächstenliebe wird den Kongress prägen.


Zurück/Back: [Seitenanfang / Top] [letzte Seite / last page] [Homepage]

Last Update: 23.01.2004 Mail: Editor /Webmaster
© 2003 Schönstatt-Bewegung in Deutschland, PressOffice Schönstatt, hbre, All rights reserved