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 published: 2003-07-08

Kirche mit Gesicht – Maria

Ansprache von Dr. Gertrud Pollak in der Anbetungskirche am 13.09.2003

DOKUMENTATION

Dr. Gertrud Pollak

 

Fotos: © 2003

 

Liebe Schönstattfamilie, liebe Brüder und Schwestern,

Der Todestag unseres Vaters und Gründers ist uns jedes Jahr neu Anlass, an dem Ort zusammen zu kommen, an dem er seinen letzten Schritt - heimwärts zum Vater - gehen durfte. Hier ist der Raum, in dem er uns als seiner Familie in besonderer Weise nahe bleibt. Wir stehen vor dem Altar, an dem er ein einziges Mal Eucharistie feiern durfte. Wir sitzen in der Nähe zu seinem Sarkophag, dessen Aufschrift an ein Kernstück seines Lebens und seiner Sendung erinnert: DILEXIT ECCLESIAM. Er liebte die Kirche und wollte, dass alle, die ihm anvertraut sind, die Kirche lieben.

Die Kirche lieben

Was sich so schnell dahersagen lässt – die Kirche lieben – das war bei P. Kentenich nicht der romantisch verklärte Wunsch eines eifrig wirkenden Dorfpfarrers, der seine kleine Welt um sich herum in Ordnung halten wollte, dessen Bischof weit weg war und dessen "Schäfchen" sich um nichts weiteres kümmerten, als den Radius des eigenen Kirchturms. Der Blick unseres Vaters auf die Kirche hatte eine andere Weite, hatte große Dimensionen.

- Kirche war für ihn ein lebendiges Glaubensgeheimnis, eine übernatürliche Realität, bei der nicht äußere Strukturen und fehlbare Menschen entscheidend waren, sondern die göttliche Zusage, durch die Kirche bei uns zu sein, alle Tage, bis ans Ende der Welt.

- Kirche war für ihn durch seine Gründung auch ein weltweiter Erlebnisraum mit beglückenden Erfahrungen interessanter Vielfältigkeit bei verschiedenen Völkern und Kulturen, aber auch mit bedrückenden Erlebnissen von Schwäche und Kleingeist.

- Kirche war für ihn ein prägender Faktor seiner Lebensgeschichte, der ihn ausmachte und ihm ganz wichtig war, obwohl er durch Vertreter der Kirche auch sehr schmerzliche Erfahrungen und Konsequenzen für seine Lebensgestaltung ertragen musste. Der heutige 13. September, an dem wir an das Telegramm zu seiner Rückkehr aus Milwaukee denken, hat einen eigenen Platz in dieser Geschichte. Kirche prägte den ganz persönlichen Weg Josef Kentenichs entscheidend.

Das rettende Gesicht

So sehr die Kirche Lebensmittelpunkt unseres Vaters war, eine Wirklichkeit, die er in seiner Person und mit seiner Gründung leidenschaftlich fördern und stärken wollte, so wenig war das eine Selbstverständlichkeit. Wir vergessen nicht, dass es in seinen jungen Jahren eine Zeit des Suchens gab, in der er fundamentale Fragen nach dem Sinn und nach sich selbst stellte. Darin standen auch Glaube und Kirche intensiv auf dem Prüfstand. Ich brauche das in diesem Kreis nur anzudeuten und darf an die uns allen bekannte Aussage unseres Vaters erinnern, mit der er den tragenden Halt und die Lösung dieser Krise umschrieb: Maria. In der Person der Gottesmutter lag die rettende, prägende Beziehung. "Ich kenne keinen Menschen" gesteht er bei seinem silbernen Priesterjubiläum 1935 "der einen tiefergehenden Einfluss auf meine Entwicklung ausgeübt hat."

Durch Maria hatten Glaube und Kirche ein Gesicht. Wir dürfen unser Thema in diesem Sinn als eine Erfahrung unseres Vaters verstehen und ein bleibendes Anliegen: Kirche mit Gesicht – Maria.

Wir finden etwas von der psychologischen Seite dieser Glaubens- und Kirchenerfahrung P. Kentenichs in anderer Form auch heute.

Da sitzen Hunderte von Schülern und Schülerinnen in ihren Klassenzimmern, junge Menschen, für die - trotz Religionsunterricht – Kirche einfach nicht relevant ist, ja eigentlich in ihrer Wahrnehmung gar nicht existiert. Und wenn dann doch die Rede auf Glaube und Kirche kommt, denken sie gewiss nicht an große Dome, kennen keine Ordinariate oder dogmatische Traktakte. Am ehesten erinnern sie sich beim Wort ‚Kirche’ vielleicht an einen Menschen, an das Gesicht einer Lehrerin, eines Kaplans, der oder die irgendwie anders war, mit Kirche zu tun hatte, aber sonst ganz ‚cool’ war und als Mensch anziehend und imponierend.

Menschen, die wirklich Profil haben, sind gefragt in einer Zeit der zunehmenden Anonymität, der vielen flüchtigen Eindrücke, die keine Konturen erkennen und fassen lassen. Menschen mit Gesicht sind gefragt in einer Umgebung hochstilisierter, überschminkter Gesichter, die oft zu Fassaden werden. Die Amerikanische Akademie für kosmetische Operationen stellt fest, dass 72 % der Menschen, die sich wegen eines kosmetischen Eingriffs beraten lassen, ihr Gesicht richten lassen wollen. Es ist einfach nicht egal, mit welchem Gesicht wir herumlaufen, wie wir aussehen und angeschaut werden. Das gilt auch für Kirche. Das Gesicht eines ansprechenden Menschen braucht dazu mehr als das richtige Make up. Wer wirklich Gesicht zeigt, hält mit sich, mit seinem Inneren und damit auch mit seinem Denken und Fühlen nicht hinter dem Berg. Gesicht zeigen heißt auch, zu dem stehen, was in uns ist. Von der legendären Marilyn Monroe, deren Gesicht und Figur bis heute in den Medien erfolgreich vermarktet wird, gibt es die vielleicht unerwartete Aussage: "Ich möchte ohne Faceliftig alt werden. Sie nehmen dem Gesicht das Leben, den Charakter. Ich möchte den Mut haben, zu dem Gesicht zu stehen, das ich geschaffen habe."

Auch unsere Kirche braucht kein Facelifting, um unauffällig den modegemäß geltenden Akzeptanzansprüchen zu genügen. Kirche braucht Gesicht, braucht verlässliches Profil durch menschliche Gesichter, die ansprechend und ansprechbar sind.

Wenn Kirche heute eine Rolle spielt, dann höchstens und vor allem Kirche mit konkretem Gesicht. Was zieht, ist personaler Kontakt und menschliche Beziehung. Solche identifizierbare Kirche - mit Gesicht - bleibt gefragt.

Gesichtsverlust von Kirche

Dieses Zusammenspiel ist nicht nur bei Jugendlichen offenkundig. Der Stellenwert von Kirche ist in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit stark gesunken. Kirche wird nicht in ihrer inneren Bedeutung erfasst, als Glaubensgröße. Sie wird auch nicht in ihrem zweifellos vorhandenen Engagement – etwa im sozialen Bereich - als Kirche identifiziert. Viele Menschen, die das Wort ‚Kirche’ hören, denken an etwas eigentlich Überholtes. Kirche steht für alte und neuere Gebäude, in denen vielleicht noch feierlich Hochzeit oder Taufe begangen wird. Ansonsten erscheint vieles antiquiert, verstaubte Strukturen und unverständliche Gebote; ein rückständiger Verein ohne prägenden Einfluss, in dem ältere Frauen versammelt sind und ältere Herren das Sagen haben.

Viele Einflussbereiche für das Evangelium sind der Kirche weggebrochen, nicht weil die Botschaft schlecht ist, sondern weil sie für Menschen kein ansprechbares Gesicht mehr hat! Gott sei Dank gibt es Ausnahmen, respektierte Christen im kleinen Bekanntenkreis, in der Nachbarschaft und es gibt markante Köpfe, für Kirche stehende Persönlichkeiten, die bekannt sind im großen Radius der Medienlandschaft. Das unverkennbare Bild einer Mutter Theresa oder unseres jetzigen Papstes, das sind imponierende Gesichter. Hier hat die Kirche Gesicht, das gefragt bleibt.

Dennoch, aufs Ganze gesehen leidet unsere Kirche an Gesichtverlust. Ihr Ansehen und Stellenwert ist mächtig gesunken.

Die bleibende Herausforderung

Für uns als Schönstattfamilie ist es eine bleibende Herausforderung auch auf diesem aktuellen Hintergrund das DILEXIT ECCLESIAM unseres Vaters neu umzusetzen. Ein besonderer Impuls dazu ist uns in diesen Monaten angeboten. Vor uns steht die Einlösung unseres Geschenkes an den Gründer zu seinem 80. Geburtstag, der Bau des Romheiligtums und des internationalen Romzentrums. Die Familie schenkt dem Vater ein Heiligtum, ein originäres Symbol für seine Sendung. Es kam nicht von ungefähr, dass der Vater genau dieses Geschenk in Zusammenhang bringt mit dem Thema Kirche, das 1965, am Ende des II. Vatikanischen Konzils, nicht nur gesamtkirchlich in der Luft lag. Er selbst verfolgte wach die Vorgänge. Kirche war in diesen Jahren für unseren Vater Dauerthema vieler Ansprachen und Gespräche. Schönstatt für die Kirche! Das neue Heiligtum wollte er verknüpft wissen mit seiner großen Sendung für die nachkonziliare Kirche. Die Widmung auf einem Grundstein ‚Matri Ecclesiae’, die Papst Paul VI. für eine Kirche zum Gedenken an das Konzil formuliert hatte, wollte P. Kentenich auch für sein Romheiligtum aufgreifen. Damals wie heute ist sein und unser Einsatz für die Kirche das zentrale Thema.

Kirche braucht Gesicht

Unbestritten beschreibt und beklagt unser Vater auch schon am Ende des Konzils einen Gesichtsverlust von Kirche. 1964 stellt er fest: "Das Antlitz der heutigen Kirche, ja das enttäuscht uns". Diesen Satz sagt er in einer Predigt in Milwaukee in der Phase, als das Konzil in seinen Beratungen um den Platz der Gottesmutter ringt. Seine Ausführungen dazu zeigen, wie er nach einer Antwort gegen das enttäuschende Bild von Kirche sucht. Kirche braucht Gesicht, braucht anziehende Gesichter, um attraktiv zu sein. Er findet eine wirksame Lösung und zwar in zwei Dimensionen, die er sicher nicht nur vor 40 Jahren angeboten hat, sondern die er uns auch heute als hilfreiche Impulse aufzeigen will:

Sein erster Hinweis:

Kirche bekommt ein ansprechendes Gesicht durch jeden einzelnen Christen

Und seine zweite, umfassendere Antwort:

Kirche bekommt Gesicht durch Maria.

Schauen wir zunächst auf die erste Dimension und setzen an, beim festgestellten Gesichtsverlust von Kirche. Diese Situation könnte zur Resignation verführen und zu achselzuckender Hilflosigkeit. Unser Vater reagiert nicht so sondern schlägt andere Töne an:

Er fragt (1964): "Wie sieht denn die heutige Welt aus? Das ist keine schlafende Welt außerhalb der Kirche! Wohl müssen wir fürchten, dass die Kirche schläft: Requiem aeternam: ... Nein, die Welt draußen schläft nicht, wahrhaftig nicht. Die ist bewegt! Nicht nur revolutionär bewegt: Welch ein ungeheures Forschen, Studieren auf der ganzen Linie! Eine vielbewegte, geistig ungemein wache, forschende Welt! Und für diese Welt sind wir da: bin ich da, seid ihr da, jeder von uns. In dieser Welt muss ich, in dieser bewegten Welt muss ich die Kirche lebendigsetzen – und wenn sie nicht insgesamt geschlafen hat, hat sie in mir geschlafen – lebendigsetzen. Wodurch? Dadurch, dass ich ein Stück Kirche bin."

Und weiter schärft er unseren Blick gegen die Resignation und appelliert:

"Was heute viel wichtiger ist: wir müssen überzeugt sein, daß die Kirche heute wirkt! Die Zukunft also der Kirche, der Heilsordnung, der Erlösungsordnung hängt im wesentlichen davon ab, daß die Kirche im heutigen Leben gegenwärtiggesetzt, präsentgesetzt wird. Im heutigen Leben!...Die Zukunft der Kirche hängt davon ab, dass alle Glieder der Kirche in ihrer Weise, wo sie gehen und stehen, die Kirche präsent-, gegenwärtigsetzen?"

Gesicht durch uns

Kirche mit unserem Gesicht ist gefragt und jede und jeder von uns in dieser Konkretheit gefordert. Der Ansatz unseres Vaters setzt nicht auf fernsehreife Evangelisierungskampagnen mit stadionfüllenden Predigern, die ihre Botschaft oft genug gegen die ach so böse Welt setzen. Nicht Abwendung von der Realität oder ein verklärter Blick verhelfen der Kirche zu einem ansprechenden Gesicht. Die klare Richtungsangabe unseres Vaters lautet: "Das Kernstück liegt darin, dass die Kirche weit geöffnet wird und dass die Kirche den Mut hat, gestützt auf den Heiligen Geist, sich auseinander zu setzen mit allem Modernem und all das Edle und Wertvolle, das die moderne Zeit, die moderne Entwicklung gebracht, in ihrem Schoß aufzunehmen, zu taufen und zu verarbeiten." Das ist der Geist des Konzils, die Linie, die sich insbesondere in ‚Gaudium et spes’, der Pastoralen Konstitution über die Kirche in der Welt von heute wiederfindet.

Unser Vater setzt zur Verteidigung der Kirche deshalb auch nicht auf Bleistiftfeldzüge mit lamentierenden Leserbriefen und andere zur Rechtgläubigkeit mahnenden Artikeln. Er wünscht sich die wohlwollende persönliche Auseinandersetzung und Identifikation mit Kirche und setzt auf unser echtes Streben im Glauben: "Wer heute katholisch sein will, der muss bis in die Wurzeln katholisch sein; der muss innerlich gereift sein, mit der ganzen Seele an der Kirche hängen, die Kirche verteidigen, vor allem durch sein Sein."

Die Kirche verteidigen mit meinem Gesicht. Das haben die oben angesprochene Lehrerin, der Kaplan, mit denen die Schüler/innen Kirche noch in Zusammenhang bringen können, wohl erreicht. Sie haben Kirche nicht doktrinär mit vielen Worten verteidigt, sondern durch ihre Präsenz, durch ihr alltägliches Sein im Umgang mit den Menschen und Dingen der Welt. Kirche mit Gesicht, das "heißt für mich" sagt unser Vater: "wenn ich in meinem Beruf lebe und bin dann nicht so religiös, wie wenn ich zur Kommunion gehe, in der Kirche bin, wird die Welt nie gerettet."

Damit ist die erste Dimension, die unser Vater anregt, sehr konkret umgesetzt. Kirche bekommt ein ansprechendes Gesicht durch jeden einzelnen Christen und jede Christin, die weltverbunden ihren Glauben leben.

Gesicht durch Maria

Die zweite Dimension, die auf die Rolle der Gottesmutter abhebt, ist für ihn von dieser keineswegs zu trennen: Kirche und Maria, für P. Kentenich sind "zwei Namen, zwei Größen im selben Atemzug zu nennen: Gottesmutter und Kirche. Beide gehören schlechthin unzertrennlich zusammen." Und er fährt fort: "Beide stehen deswegen auch heute in der kirchlichen Öffentlichkeit, ja auch in der Weltöffentlichkeit ungemein stark zur Diskussion."

Die Ansichten zum Kirchenverständnis und der Stellung Mariens zur Zeit dieser Aussage und heute, knapp 40 Jahre danach, haben sich in der Einschätzung von Theologen, von kirchlicher und gesellschaftlicher Öffentlichkeit mehrfach verändert. Die getroffene Grundaussage, dass beides‚ Kirche’ und ‚Maria’, Streitthemen sind‚ stimmt weiterhin.

Für P. Kentenich hat beides einen hohen Stellenwert. Nach seiner Überzeugung finden wir in der Gottesmutter das Gesicht der Kirche. Sie ist nicht nur Anschauungsunterricht für unser Stehen in der Kirche. Sie ist ein ganz originelles Glied mit eigener Stellung. Unser Vater nimmt einerseits die biblische Spur des Johannesevangeliums auf, die Maria als Mutter des Lieblingsjüngers Johannes und damit als Mutter aller Christen und der Kirche zeigt. "Siehe da, deine Mutter".

Andererseits greift er die dogmatische Tradition weiterführend auf und erläutert, inwiefern Maria der Kirche Gesicht gibt, als "ihr Inbild, ihr Urbild und ihr Hochbild."

Josef Kentenich steht dafür, dass Maria in besonderer Weise das Gesicht der Kirche prägt und in ihr ein einzigartiges Glied mit besonderer Rolle ist. Es gilt, dass jede und jeder von uns der Kirche das eigene Gesicht geben soll. Bei Maria geht es um mehr. "Die Gottesmutter ist nicht nur ein originelles Glied, sondern auch die Mutter der Kirche." Die Kirche ist Mutter, das hat Papst Paul VI. auch gegen die unterschiedlichen Meinungen zur Stellung der Gottesmutter am Ende des Konzils feierlich verkündet und sie als ‚Mater Ecclesiae’ angesprochen.

"Auf der selben Linie liegt der Ausdruck Mutter Maria: die Gottesmutter ist auch Mutter der Gläubigen, sowie die Kirche Mutter der Gläubigen ist. ... Und ist es denn nicht so: das Kind muss doch die Züge der Mutter tragen".

Gewachsenes Ineinander von Kirche und Maria

Es liegt eine große Chance in dieser Besinnung auf die Mutterschaft Mariens, wenn wir sie nicht nur theologisch beschreiben, sondern gläubig umsetzen. Die gelebte Geschichte der Kirche spiegelt diese Wahrheit tausendfach. Auch kritisch eingestellte Zeitgenossen werden etwa beim Besuch mittelalterlicher Kirchen feststellen, wie sehr Kirche und Maria ineinander gedacht wurden und in Gebäuden und Bildern selbstverständlich zusammengehörten. Ich denke nur an die Vielzahl französischer Kathedralen, die ich in den letzten Jahren mit Aufmerksamkeit und Freude aufgesucht habe. Nicht nur eine Kirche – etwa in Paris - heißt ‚Notre Dame’. Unzählige Hauptkirchen von Diözesen haben ein marianisches Patronat. Maria ist Inbegriff für Kirche. Und nicht nur eine Marienfigur zeigt dann dem Besucher diese Spur. Unzählige Male findet sich das ganze Leben der Gottesmutter vielfach variiert in herrlichen Glasfenstern und Statuen in Stein und Holz. Fresken, Ölgemälde und gewobene Textilbilder werden nicht müde und nicht fertig damit, im Haus aus Stein das Gesicht der Gottesmutter vor Augen zu halten. Und selbst wenn es dann zwanzig und mehr Mariendarstellungen gibt, so steht nicht eine davon in Konkurrenz zu Gott, zu Jesus, für den jede Kirche erbaut ist. Im Gegenteil, Maria unterstreicht auf vielfältige Weise, wie sehr der menschgewordene Gott uns in diesem Kirchengebäude, aber auch in seiner lebendigen Kirchengemeinschaft nahe sein will.

Wir müssen und können heute nicht so bauen. Aber wir dürfen gelten lassen, was vor uns lebendige Kirche war. Wie oft wurde die letzten Jahre von manchen eine Reduzierung des Marianischen gefordert. Als ob es überflüssig wäre, wie Falten im Gesicht - so wurde ein ‚Facelifting’ der Kirche gefordert, ohne zu merken, dass damit passiert, was ich oben von Marilyn Monroe als Bedenken zitiert habe: "Sie nehmen dem Gesicht das Leben, den Charakter. Ich möchte den Mut haben zu dem Gesicht zu stehen, das ich geschaffen habe." Wer von der Kirche möglichst Maria ‚wegliften’ möchte, vernichtet (ohne es vermutlich zu wollen) viel von ihrem Leben und Charakter. Wer Maria möglichst am Rand haben möchte, steht nicht zu dem Gesicht von Kirche, das die Gläubigen seit Anfang durch Jahrhunderte geschaffen haben. Dies ist nicht nur baulich bezeugt.

Eine ähnliche Linie könnten wir in der Kirchenmusik ausmachen. Das Magnificat wurde öfter vertont, als das Vater unser; und die alten marianischen Antiphonen zeigen über Jahrhunderte, dass dort, wo Kirche betet, Maria dazu gehört. Kirche mit Gesicht – Maria.

Bezugsperson im Liebesbündnis

Diese wenigen Erinnerungen an einige Wurzeln unseres Glaubens markieren auf eigene Weise das Fundament, auf dem unser Vater steht mit seinem Verständnis von Maria und seiner originellen Beziehung zur Gottesmutter im Liebesbündnis. Die Weihe an Maria, die eine Person vollzieht, gilt zwar ihr, aber nicht ausschließlich. Sie ist ein Angelpunkt, eine mögliche Bezugsperson, in der die Glaubensgemeinschaft der Kirche ein konkretes menschliches Gesicht hat. Wenn wir in Schönstatt das Liebesbündnis als Tauferneuerung und Verlebendigung der Christusbeziehung verstehen, sagen wir damit ja keineswegs, dass es keine anderen Möglichkeiten gibt, als Christ heute engagiert zu leben. Wir stellen aber dankbar fest, dass weltweit unzählige Menschen durch Maria und mit ihr eine lebendige Beziehung zur Kirche bekommen haben. In der Kraft des Liebesbündnisses versuchen wir, mit unserem Gesicht, durch unser Sein, das vielfach enttäuschende Bild von Kirche abzuschwächen. Das können wir nicht aus uns. Dafür brauchen wir die verwandelnde Kraft der Liebe Gottes und Mariens. Wir setzen uns ihr aus, um an Maria zu lernen, wie Kirche sein soll. In der Begrifflichkeit unseres Vaters soll jeder getaufte Mensch "eine kleine Maria" sein.

Wenn Kirche mit Gesicht gefragt ist, dann wird diese Dimension entscheidend sein. Den Gesichtsverlust der Kirche werden wir nicht so sehr durch Papiere und Strukturpläne aufhalten, sondern dadurch, dass wir neu die Kontur von Kirche erfahrbar machen in menschlichen Gesichtern, abgelesen an der Gottesmutter. Es ist nicht einfach Nostalgie, wenn ganz unterschiedliche Menschen in unseren Kirchen vor dem Bild Mariens ein Licht entzünden. Vor ihr lässt sich aussprechen oder wenigstens abladen, was belastet und schmerzt. Maria ist ansprechbar und gibt der Kirche ein Gesicht, durch das lebendige Beziehung werden kann.

Angekündigte Marienweihe des Bistums Trier

Dass wir 2003 zum Todestag unseres Vaters über dieses Thema nachdenken, hat seinen Grund in einer Ankündigung des Trierer Bischofs Dr. Reinhard Marx: "Die Kirche ist nur dann Kirche Jesu Christi, wenn sie sich marianisch öffnet und von der Gottesmutter lernt, wie man Jesus zur Welt bringt" sagte er bei seinem Besuch in Schönstatt am 25.03.2003. Um das für seine Aufgabe in dieser Diözese wahr zu machen, hat er angekündigt, bald eine Weihe des Bistums an Maria zu vollziehen. Im Jahr 1653 sei das Bistum Trier der Gottesmutter geweiht worden, nach den Zerstörungen durch den dreißigjährigen Krieg. Am 08. Dezember 2003, 350 Jahre später möchte der Bischof dies erneut tun. Er begründet: "Die Weihe an die Gottesmutter ist ein Bekenntnis, das ich erneuern möchte mit der ganzen Diözese, dass ich mich in meinem Dienst mit Ihnen zusammen unter den Schutz und die Führung der Gottesmutter stellen möchte." Kirche mit Gesicht. Als Schönstattfamilie, die in dieser Diözese ihren lokalen Mittelpunkt hat, wollten wir den Bischof auf unsere Weise in der Vorbereitung unterstützen und deshalb die Rolle Mariens für die Kirche von unserem Vater her neu bedenken.

Gleichzeitigkeit mit der Grundsteinlegung in Rom

Ist es nicht besonderer Aufmerksamkeit wert, dass die angekündigte Weihe des Bistums exakt an dem Tag stattfinden soll, an dem wir in Rom den Grundstein für das Matri Ecclesiae Heiligtum in Belmonte legen wollen? Durch das Heiligtum möchten wir der Ortskirche und der Weltkirche erneut Maria bringen und ihr einen möglichst großen Wirkradius bereiten. Auch dieser aktuelle Weg nach Rom, war uns Anlass, uns heute Abend auf die Kirche, die Aufgabe Mariens darin und unsere Rolle in ihr zu besinnen. Der 08. Dezember, das Fest der Immaculata hat dazu eine eigene Botschaft und lädt besonders ein, in das Gesicht der Gottesmutter zu schauen. Wir tun das dankbar bewundernd, wir tun es aber auch in der Hoffnung, ihr ähnlicher zu werden – so wie wir es nachher in der Antiphon singen: "Im Schauen auf Dein Antlitz – da werden wir verwandelt – da werden wir verwandelt in Dein Bild." Diese Wandlung erhoffen wir auch für unsere Kirche, durch unseren Beitrag, aber vor allem durch die neue Entdeckung der eigentlichen Strahlkraft einer Kirche mit Gesicht, mit Maria.



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