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 published: 2003-07-08

"Gib mir dein Gesicht!"

Predigt von Dr. Peter Wolf am Fest der Sieben Schmerzen Marias 2003

DOKUMENTATION

Liebe Schönstattfamilie, liebe Schwestern, liebe Brüder,

wir sind zusammen in der Todesstunde unseres Vaters und begehen das Fest der Schmerzen Marias, an dem er vor 35 Jahren an diesem Altar zum letzten Mal die Heilige Messe gefeiert hat. Wir haben uns anregen lassen vom Vorhaben unseres Bischofs, im kommenden Dezember die Diözese Trier der Gottesmutter zu weihen. Wir waren uns im Seligsprechungsteam gewiss, dass unser Vater eine solche Ankündigung und Einladung, zumal der Bischof sie bei seinem Besuch im Generalpräsidium ausgesprochen hatte, nicht unbeantwortet ließe. So kam es zu dem Thema: Kirche mit Gesicht: Maria.

Kirche mit Gesicht: Maria

Wo immer Menschen sich der Gottesmutter weihen, geschieht Verlebendigung unseres Christseins. Wo immer eine Diözese oder eine Gemeinschaft sich der Gottesmutter anvertraut, wächst die Chance der Erneuerung, weil Kirche zutiefst die Züge der Gottesmutter trägt. Durch den ansprechenden Vortrag von Frau Dr. Pollak am Samstagabend steht uns vor Augen, wie sehr die Kirche in unserer modernen Welt darauf angewiesen ist, Gesicht zu zeigen. Und es wurde bereits deutlich, wie stark unser Vater und Gründer in der Beziehung zur Gottesmutter eine Aufgabe und Chance sah, mit Maria der Kirche neu ein anziehendes Gesicht zu geben.

Ja, unser Vater hat für die Erneuerung der Kirche alles auf diese Karte gesetzt. Früh hat er erlebt, dass durch die Beziehung zur Gottesmutter religiöses Leben wächst, dass um sie Gemeinschaft entsteht, dass sie die Kräfte des Glaubens und Liebens auf eine elementare Weise weckt und beseelt. In der Marienweihe entdeckte er immer mehr den Weg, Maria ähnlich zu werden und die Züge ihres Gesichtes aufzunehmen. Im Liebesbündnis kündete er den Weg, der hinführt zu der Sehnsucht und Wirklichkeit: Es werde die kleine Maria. Er wollte alles dafür einsetzen, dass in Schönstatt viele Menschen heranwachsen, die mit ihrem Gesicht für die Kirche stehen und stehen können. Er wollte eine Kirche, die das Gesicht Marias trägt.

Was ein Gesicht sagt

Um die Züge wahrzunehmen, die das Gesicht Marias prägen und ausmachen, wird es gut sein, sich kurz zu vergewissern, was wir aus Erfahrung mit einem menschlichen Gesicht verbinden und darin lesen und sehen können. Das Antlitz eines Menschen steht unverwechselbar für seine Person, für seine Identität und Einmaligkeit. In einem Gesicht lesen wir die Herkunft eines Menschen, erkennen wir normalerweise seine Zugehörigkeit zu seinem Volk, zu seinem Stamm. Wir erkennen darin Züge seiner Eltern und Verwandten. Oft spiegelt sich darin die Geschichte eines Lebens, eines Berufes, eines Lebensschicksals. Da hat sich nicht selten eingegraben die Härte des Lebens oder es strahlt uns darin entgegen das Glück einer Beziehung. Aus einem Gesicht kann man bisweilen Weisheit und Güte ablesen, wie z. B. bei unserem Vater und Gründer.

Das Gesicht Marias

Mit dem Gesicht Marias verbinden wir die Geschichte ihres Lebens und ihrer Berufung. Wir dürfen uns vorstellen, dass ihr Gesicht etwas wiederstrahlt von ihrer Reinheit und Offenheit für Gott. Immer wieder haben Künstler in der ihnen eigenen Intuition Bilder dieses Antlitzes geschaffen, in denen uns etwas entgegenleuchtet von ihrem Mutterglück und ihrer wunderbaren Beziehung zu Jesus. Ich habe Bilder vor Augen, in denen man geradezu spürt, dass sie ein Gegenüber haben. So denke ich an Darstellungen der Gottesmutter, wo man an ihrem Gesicht etwas spürt, von der Wucht und Größe der Begegnung mit dem Engel und seiner Botschaft. Oder ich habe Bilder in Erinnerung, wo das Antlitz Marias ganz erfüllt ist von dem Licht ihres Kindes in der Krippe, das sie anbetet.

Im Sinne des heutigen Festes der Schmerzen Marias schauen wir auf die Spur des Leides, die sich durch ihr Leben zieht. Simeon hatte es ihr angekündigt, als sie ihr Kind im Tempel darstellte: "Ein Schwert wird deine Seele durchdringen!" Frommer Sinn hat diese Ankündigung ernstgenommen und im Leben Marias all das Leidvolle zusammengetragen und es in ihrem Leben siebenfach erfüllt gefunden: im Augenblick der Ankündigung, in der Erfahrung der Verfolgung und Flucht, im sorgenvollen Suchen nach dem verlorenen Zwölfjährigen, in der Begegnung auf dem Kreuzweg, in der Stunde unter dem Kreuz Jesu, in der Trauer um den toten Sohn auf dem Schoß der Mutter und bei der Grablegung Jesu. Ihr Leben hat in all diesen schmerzlichen Erfahrungen "Schwere", Tiefe und Gewicht bekommen, so dass bis zum heutigen Tag Menschen mit all ihrer schmerzlichen Erfahrung im Leben zu ihr, der Schmerzensmutter, kommen und sich bei ihr verstanden und aufgehoben wissen.

Maria ist wirklich hineingezogen worden in das Lebensschicksal ihres Sohnes. Sie ist zur Consors Christi, zur Gefährtin seines Erlöserlebens geworden. Das ist ihre Berufung, die unüberschaubar vor ihr steht in der Anfrage des Engels und die sie beantwortet mit dem Fiat, der Blankovollmacht über ihr ganzes Leben. Es wird ein Leben, das ganz bezogen ist auf Jesus, das keinen anderen Inhalt kennt als ihn. Davon zeugt das Neue Testament in allem, was es von Maria zu berichten weiß. Wer ihr begegnet und sich auf sie einlässt, wird wie in einem Strudel hineingezogen in ein Leben für Jesus, wie sie es gelebt hat. Wer sein Christsein mit ihr versucht, wird beseelt und bewegt von dem, was sie ein Leben lang erfüllt und bewegt hat. In seinem Leben beginnt lebendige, erfahrbare Wirklichkeit zu werden, was Marias Geheimnis war und bis heute ist: Sie gehört dem Herrn. "Ihre Berufung heißt zu Jesus gehören", wie es Mutter Teresa beim Freiburger Katholikentag gesagt hat. Sie ist sein Gegenüber, ist seine Braut, seine Gefährtin beim Werk der Erlösung. Sie darf ihn den Menschen bringen und hinhalten als ihren Erlöser und ihr Heil. So ist in ihrer Berufung, in ihrem Erdenleben und ihrer heutigen Existenz verwirklicht, was die Berufung der Kirche ist.

Maria und Kirche tragen die gleichen Gesichtszüge

Kein Wunder, dass die Christen im Laufe der Jahrhunderte das Bild der Kirche und das Bild Marias immer mehr ineinander gesehen haben. Dies ist ein Prozess, der bereits im letzten Buch der Heiligen Schrift beginnt und sich bis in das Marienkapitel von Lumen Gentium im Zweiten Vatikanischen Konzil durchhält. Diese Spur hat unser Vater immer wieder aufgenommen. So hat er die Gottesmutter uns gern gezeichnet und vor Augen gestellt. Es war ihm wichtig, dass wir in ihr das Urbild und Hochbild der Kirche erkennen. Es war ihm ein Anliegen, dass wir sie mit ihrem Lebensgeheimnis als "Muster und Mutter der Kirche" vor Augen haben.

Unser Vater hat darauf gesetzt, dass in der Weihe an Maria ihr Lebensgeheimnis sich auf uns überträgt, dass ihre Berufung unsere Berufung wird, dass ihre Sendung unsere Sendung wird. Er wollte mit seiner Bewegung dazu betragen, dass die Kirche in diesem Sinn erneuert wird. Er wollte, dass das Gesicht der Kirche immer mehr diesem Urbild entspricht und immer deutlicher die Züge Marias trägt. Die Weihe an die Gottesmutter ist wie eine große Einladung, sich auf diesen Prozess der Annäherung und Angleichung einzulassen. Das ist unsere große Chance und Aufgabe.

"Gib mir dein Gesicht!"

Diese Einladung hat vor vielen Jahren einer meiner Mitbrüder zusammen mit einer Jugendgruppe auf eine eindrucksvolle Weise erlebt. Erst diese Tage hat er mir diese Geschichte noch einmal mit sichtlicher Freude erzählt. Er war mit einer Gruppe von 15-16 jährigen Mädchen aus seiner Pfarrei zu einem Wochenende. In einer Gesprächsrunde hatte er versucht, ihnen den Vorsehungsglauben im Sinne unseres Vaters zu erschließen. Danach waren die jungen Leute im Freien, um Basketball zu spielen. Als sie in den Gruppenraum zurückkamen, hatte offensichtlich ein Windstoß ihr MTA-Bild aus schlichtem Karton umgeblasen, sodass es gegen die Kerze gefallen war. Die Flamme hatte das Bild erfasst und ausgerechnet das Gesicht der Gottesmutter herausgebrannt.

Irgendwie waren alle erschrocken und ganz nachdenklich. Durch die Gruppenstunde davor kam gleich ganz stark die Frage auf: Was will der liebe Gott damit sagen? Zunächst meinte ein Mädchen, vielleicht will die Gottesmutter gar nichts mit uns zu tun haben. Dann aber sprach eine aus, was die ganze weitere Gesprächsrunde bewegte: Mir kommt es vor, als wenn Maria uns sagen wollte: "Gib mir dein Gesicht!" In der vorsehungsgläubigen Einstellung ihres Fragens wurde ihnen immer deutlicher, das war kein belangloser Zufall, das war ein Zeichen und Anruf für uns. Das zerstörte, verbrannte Gesicht der Gottesmutter wurde zur Einladung. "Gib mir dein Gesicht!" wurde das zündende Wort für diese Jugendgruppe. Über Jahre und Jahrzehnte weckte es Leben und sogar mehrere Berufungen. Heute steht ein großes Foto von diesem angebrannte Bild in Rom, im Generalat der Schwestern Don Boscos, wo vier junge Frauen eingetreten sind, die sich von diesem Wort haben treffen lassen.

"Gib mir Dein Gesicht" diese Bitte der Gottesmutter kommt mir vor wie eine Einladung, die ich heute neu aussprechen darf und soll in dieser Stunde, wo sich das Leben unseres Vaters gleichsam bündelt. Vor uns steht sein Leben für die Kirche, seine Sehnsucht, die Kirche zu erneuern und ihr die Gesichtszüge der Gottesmutter aufzuprägen. Es war seine gläubige Überzeugung, dass die Gottesmutter vom Heiligtum aus die Initiative ergriffen hat für die Kirche der Zukunft. Wo immer wir uns ihre Einladung zu eigen machen, wird sie dafür sorgen, dass unser Leben fruchtbar wird und das Antlitz der Kirche neu und anziehend wird. Sie wird es tun in unserer Mitte, in unseren Gemeinden, in unserer Diözese Trier und in unserer ganzen Kirche. Lassen wir uns also ein auf die Einladung Marias: "Gib mir dein Gesicht!"



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