Veröffentlicht am 2016-07-10 In Urheiligtum

„Der Tag war ebenso arbeitsintensiv wie fröhlich, die Solidarität außerordentlich“

Zwei Wochen nach den Fluten: Ein Interview mit dem Rektor der Marienau, Egon M. Zillekens •

Das Wasser ist weg, der Schlamm auch,  die gesamte Einrichtung des Erdgeschosses auf dem Müll und die Gäste sind dennoch herzlich willkommen: Zwei Wochen, nachdem die Wassermassen des Wambachs das Urheiligtum, die Wiesen und Straßen und dann vor allem das tiefer gelegene Gelände der Marienau und diese selbst überflutet hatten, antwortet Rektor Egon M. Zillekens auf die Frage, wie es jetzt weitergehe und wie man als vorsehungsglaubenserprobter Schönstätter auch in den schlammigen Fluten einen reichen Fischfang machen kann.

IMG_0183Schoenstatt.org: Wie haben Sie persönlich den 25. Juni in Erinnerung?

Es war der Morgen nach meinem 45. Priesterweihetag und ich war noch in froher Stimmung. Dann trat an diesem Samstagmorgen, am 25. Juni,  nach einem außergewöhnlich starken Regen gegen 7.00 Uhr der Wambach oberhalb des Parkplatzes  über die Ufer und ergoss sich über den Parkplatz am Urheiligtum, das Gelände um das Urheiligtum und von Haus Wasserburg  hin  zu unserem Gelände – einmal am Karl-Leisner-Haus vorbei, wo ich wohne, und zum andern über die Pallottistraße, die Wiesen und Wege, umspülte den Brunnen und das ganze Gelände. Vor der Marienau (in Richtung Heiligtum) bildete sich ein See, Türen und Fenster im Erdgeschoss hielten der Wasserflut nicht stand, und in wenigen Minuten war die gesamte untere Etage der Marienau in einer Höhe bis zu 1,20 Meter überflutet. Ich war noch in meiner Wohnung, hörte das Wasser, bevor ich es sah, rief die Feuerwehr an,  sprang in meine kurze Sommerhose und watete barfuß durch die Wasser zur Marienau, zu unserem Heiligtum und dann zum Urheiligtum. Inzwischen war die Feuerwehr da, die an diesem Tag allein in der Verbandsgemeinde Vallendar mit 80 Leuten im Einsatz war, bei uns mit drei Zügen abends bis um 18.00 Uhr. Gott sei Dank wurde ganz schnell in unserem Trafohäuschen aller Strom abgeschaltet und war bis dahin niemand durch Stromschlag zu Schaden gekommen.

Schoenstatt.org: Stichwort Schaden – der ist groß, aber es ist keiner von den Gästen oder Mitarbeitern zu Schaden gekommen, richtig?

Und das ist nicht selbstverständlich und ein großes Geschenk! In der Küche befand sich Frau Starke, eine unserer Köchinnen, um das Frühstück vorzubereiten. Sie hörte Wasser, ging in den Speisesaal, wo sich das erste Wasser schon ausbreitete, dann in den Durchgang zu den Vorratsräumen und zur Heizung, und im selben Augenblick barst die Tür des östlichen Wirtschaftseingang, trieb die dort lagernden Sachen (Tische, Stühle, Leergut) wie Spielzeug vor sich her, sprengte weitere Türen auf und kippte Schränke und Gefrierschränke um. Frau Starke konnte sich nur mit Mühe durch die westliche Wirtschaftstür (zu unserem Parkplatz hin) retten, die sie nur mit äußerster Kraft öffnen konnte, weil sie nach innen aufgeht und die Wassermassen, die immer weiter anstiegen, dagegen drückten. – Gott sei Dank ist ihr nichts passiert, aber der Schreck sitzt ihr noch lange in den Gliedern (siehe Foto oben).

IMG_20160625_073540Schoenstatt.org: Was war Ihr stärkstes Erlebnis bei dieser Geschichte?

Im Nu waren alle unsere Mitarbeiter(innen) informiert und vor Ort, uns fremde Leute, die zur Heiligen Messe im Heiligtum wollten, kamen und packten mit an, einige den ganzen Tag über, unser Nachbar Pater Diensberg SAC, Rektor der Wasserburg  (auch in kurzer Hose und barfuß) kam und bot Frühstück für die Feuerwehr in Haus Wasserburg an, die Schwestern der Wallfahrt kamen mit Kaffee, immer mehr Helfer packten mit an. Schließlich kamen zwei Trupps Schwestern vom Mutterhaus und vom Schulungsheim auf Berg Schönstatt. Sie hätten gehört, dass die Marienau Hilfe brauche, und blieben teilweise den ganzen Tag. Unter ihnen die Oberin vom Schulungsheim, Sr. M. Judithe,  und Schwester M. Doria, die uns einige Tage vorher bei unserem Kanaan-Patris-Fest den Schulungsteil gehalten hat. Sie arbeitete ohne Mittagspause durch, es hat ihr offensichtlich Spaß gemacht, einmal nicht nur Historie zu studieren und Bücher zu schreiben.

Der Tag war ebenso arbeitsintensiv wie fröhlich, die Solidarität außerordentlich. Auch am Sonntag haben unsere Leute den ganzen Tag weiter gearbeitet, teilweise mit Unterstützung der Schwestern von der Wallfahrt. Nachdem die Feuerwehr am Vortag alles Wasser und den gröbsten Schlamm abgepumpt hatte, sahen wir jetzt, wie der Schlamm in alle Schränke und Geräte sowie in alle Steckdosen eingedrungen war. Diesen zu entfernen, kostete einige Tage Arbeit. Die Schwestern vom Berg nahmen alles Geschirr, Besteck und die Gläser mit, um sie in ihrem Haus zu säubern.

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Schoenstatt.org: Und dann werfen Sie in diesen Fluten die Netze aus …

Als erstes die vielen Zeichen der Solidarität am Ort Schönstatt und im weltweiten Priesterbund. Das Wort „unsere Marienau“ habe ich lange nicht mehr so oft aus unserer internationalen Gemeinschaft gehört.

Wir haben jetzt zugleich die Chance, die untere Etage der Marienau ganz neu zu gestalten. Der angestoßene Prozess „Zukunft Marienau“ bekommt eine neue Dynamik.

Die Mitarbeiter(innen) habe ich gebeten, zunächst einmal ihre Erfahrungen von meist 12 Jahren einzubringen: Was wollte ich zur Verbesserung immer schon mal vorschlagen? Was hat mich immer schon gestört? Welche Wege sind zu lang? usw.

Hilfsangebote kommen von ganz unerwarteter Seite, so etwa von der koptischen Gemeinde in Koblenz. Die Diakone aus dem Kreis Koblenz, die regelmäßig hier tagen und im Augenblick mit ihren Ehefrauen hier sind, haben eine Sammelbüchse aufgestellt.

Die Anteilnahme in Schönstatt und in der Bevölkerung ist groß, die Presse hat gut berichtet, mit der Stadt, d.h. mit dem Verbandsbürgermeister bin ich im Gespräch: Da es einige Tage vorher schon eine Überschwemmung gegeben hat,  muss der Wambach schon oberhalb des Parkplatzes irgendwie gefasst werden und vor der Pilgerzentrale bis zum Hillscheider Bach so geführt werden, dass er dem nächsten Hochwasser standhält.

Persönlich denke und hoffe ich, dass Stadt, Pallottiner und Schönstatt sich jetzt zusammensetzen werden. Ich persönlich bin der Meinung, dass die Gottesmutter das alles zugelassen hat, damit die Bündniskultur unter uns und mit den Pallottinern und der Stadt wächst und in diesem Zusammenhang auch die  Fragen von Verkehrsberuhigung, Straßenführung und Parkplätzen im Tal Schönstatt gemeinsam angegangen und gelöst werden. Diese waren vor den Verhandlungen um das Urheiligtum ausgeklammert worden und sollen in einer Ortsgestaltungskonferenz zwischen Pallottinern und Schönstatt so gelöst werden, dass die Verbandsgemeinde die versprochene Hilfe in der Durchführung realisieren kann.

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Schoenstatt.org: Wann schätzen Sie, dass alle Schäden behoben sind?

Die untere Etage der Marienau und des Karl-Leisner-Hauses rechts sind ganz leer geräumt, alle Möbel und Türen samt Rahmen auf dem Müll. Es steht nur noch die fest eingebaute Küche, die wegen der Elektrik aber auch entsorgt werden muss. Die Böden im Speisesaal, Stübchen und Fernsehraum sowie im Karl-Leisner-Haus rechts sowie alle Holzfußleisten sind herausgerissen und entsorgt worden. Alles Geschirr und die beweglichen Küchengeräte sind in unseren Garagen gelagert.

Wie hoch der Schaden in unserem gerade renovierten Heiligtum ist, wird noch genauer geprüft. Das ist wegen der Fußbodenheizung eine sensible Angelegenheit.

Wir haben Glück, dass ein großer Teil der Schäden durch die Versicherung abgedeckt ist, aber natürlich müssen wir Eigenanteile zahlen – und die Verluste durch den Betriebsausfall übernimmt auch keine Versicherung. Eine Gruppe, die sonst hier zu Exerzitien kommt und diese abgesagt hat, hat „als Zeichen unserer Solidarität“ 500 € in einen Umschlag gesteckt. Das macht Hoffnung!

Ich rechne damit, dass wir für alle anstehenden Arbeiten drei Monate brauchen.

Schoenstatt.org: Wie sieht es konkret aus für die Gäste, die in den kommenden Wochen in die Marienau kommen?

Die sind weiterhin herzlich willkommen! Wir nehmen gerade mit allen Gästen und Gruppen, teils aus Übersee, die für die kommenden drei Monate gebucht haben, Kontakt auf. Zimmer, Hauskapelle und Tagungsräume können uneingeschränkt genutzt werden. Im Augenblick können wir die Gäste zu den Mahlzeiten ins Pilgerhaus schicken – dank Schw. Mariann. Einige gehen gerne dorthin und finden das ganz abwechslungsreich, und immerhin gehen dadurch auch Leute, die keine Ahnung von Schönstatt haben, immer wieder am Urheiligtum vorbei!

Ab nächste Woche können alle Mahlzeiten wieder im Haus eingenommen werden.  – Wir haben ja die Bierbänke und –tische, die viele schon von Feiern im Garten der Marienau kennen!

Anfang August bekommen wir die gebrauchten Tische von Marienland. Unsere Cafeteria wird Küche, wo Frühstück und Abendessen zubereitet werden. Für das Mittagessen hat sich die Sonnenau angeboten, besonders jetzt in den Schulferien, wo sie nicht wie sonst die Marienschule beliefert.  Das Restaurant am Rhein ist auch bereit, Catering durchzuführen. Und ein paar Grillabende sind auch geplant!

In mir kommt die Frage hoch, die Verantwortliche für Häuser in Schönstatt sich schon lange stellen – die Frage nach Kooperation und Zusammenlegung. Ich bin gespannt, was die Gottesmutter in den nächsten Monaten sonst noch anregt.

Die anstehende Arbeit war nicht eingeplant, aber wenn nach dem heiligen Thomas von Aquin die Arbeit eine unersetzliche Glücksquelle ist, dann bin ich sehr glücklich!

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Fotos: Zillekens, Mazón

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