Veröffentlicht am 2019-10-28 In Neue Gesellschaftsordnung, Themen - Meinungen, Zeitenstimmen

Proteste in Chile: Wo ist Schönstatt in all dem?

CHILE, Patricio Young •

Wir befinden uns in Chile in einem entscheidenden Moment unserer nationalen Geschichte. Der Boden ist uns unter den Füßen weggebrochen, wir stehen fassungslos vor dem, was auf den Straßen unseres Landes geschieht. Wir haben gesehen, wie die Forderungen von allen Seiten gestellt werden, auch mit der ausgeprägten Solidarität der jungen Menschen aus den oberen Sektoren, die vom Fernsehen interviewt, erklärten, dass ihre Privilegien ihnen weh tun und sie deshalb auf die Straße gehen. —

Heute scheint es einen großen Konsens darüber zu geben, dass die Ursache in der großen sozialen Ungleichheit liegt, die wir aufgebaut haben und die sich in vielerlei Hinsicht manifestiert.

Aber wo ist Schönstatt in all dem? Wir sagen, dass wir uns wegen der Mission des 31. Mai um Bindungen kümmern sollen; mit Gott, mit der Natur, mit der Gesellschaft. Das Thema der Bindungen scheint sich bei uns aber hauptsächlich auf den persönlichen und sehr wenig auf den sozialen Bereich zu konzentrieren.

Lassen Sie uns die Dinge klar sagen. Es ist notwendig, sich unserer Realität zu stellen, egal wie hart sie auch sein mag. Aber es gibt dabei keine Zeit mehr für Euphemismen, beruhigende Worte oder einfache Ausflüchte.

Wo stehen wir und was tun wir?

Wir sind eine Oberklassenbewegung. Wir bestehen hauptsächlich aus Familien aus der mittleren, oberen und höchsten Schicht. Abgesehen von Carrascal befinden sich unsere Heiligtümer in privilegierten Stadtteilen. Unser Vater hätte nur in der Pater-Kentenich-Schule in Puente Alto (sozialer Brennpunkt) zur Schule gehen können, der einzigen, die völlig kostenlos ist. Es gibt in unseren anderen Schulen einige wenige Schüler, die subventioniert werden, aber die große Mehrheit ist für Kinder der Oberschicht, obwohl das dem einen oder anderen Pater, den ich dazu öffentlich hinterfragt habe, nicht gefällt – abgestritten hat es aber auch keiner.

Trotz der finanziellen Ressourcen der Familie schwimmt Maria Ayuda nicht im Geld, sondern muss Wunder wirken, um zu überleben.

Vor einigen Jahren sagte mir ein Mitglied unserer Familie, der seit mehr als 50 Jahren bei uns ist, als wir über die Situation des Familienbundes in den Regionen Santiagos sprachen, es sei so schwierig, Leute zu finden, die zu Führungsaufgaben bereit seien, weil dies Kosten verursache. Wir hätten schließlich hart arbeiten müssen, um ein durchschnittliches Einkommen von 6 Millionen Pesos pro Monat zu erzielen (US$ 8245 oder € 7450 ungefähr), sagte er.

Nach diesem Gespräch kam eine tiefe Depression über mich. Wo ist unser Herz?

Colegio Padre Kentenich, Puente Alto

Solange Schönstatt sich nicht als Familie konkret sozial engagiert…

Solange Schönstatt als Familie sich nicht konkret sozial engagiert (nicht nur in der Kampagne der Pilgernden Gottesmutter oder bei den Madrugadores), sehen wir die Realität nicht in all ihren Dimensionen. Es gibt ein Chile, das wir nicht kennen und mit dem wir im Innern der Familie nicht im Dialog stehen. Einige von uns besuchen dieses andere Chile gelegentlich, zum Beispiel in den Familienmissionen. Aber das reicht nicht. Wir müssen für Heiligtümer in La Pintana, Chimba, Valparaiso arbeiten und nicht für noch eines in den Vierteln der Oberschicht. Wenn die Schönstätter von dort eines bauen wollen, dann sollen sie es in einem einfachen Stadtteil tun, nicht vor der Haustür.

Es ist notwendig, dieses andere Chile in die Familie zu integrieren. Andernfalls werden wir weiterhin in einer Blase leben. Wir werden weiterhin ein Ghetto sein, genau das, was unser Vater so sehr verabscheute.

Hier müssen unsere Solidarität und die Wertschätzung der Bindungen in all ihren Dimensionen gezeigt werden. Dies ist die Zeit, in der wir unseren Blick bereichern und helfen müssen, eine Gesellschaft der Solidarität aufzubauen, wie es unser Vater wollte.

Das Problem Chiles ist nicht das der anderen, es ist unseres

Lange Zeit haben wir die Probleme der Kirche vom hohen Ross aus betrachtet. Heute können wir das mit unserem Land nicht tun. Das Problem Chiles ist nicht nur das der anderen, es ist auch unseres.

Es gibt eine große Chance! Hilfe beim Aufbau einer anderen Gesellschaft, die alles, was fortgeschritten ist, schätzt, aber ihren Reichtum besser verteilt. Denn ein Land, in dem 1% der Bevölkerung ein Drittel des Reichtums besitzt, ist nicht lebensfähig.

Diese harte Realität, die wir leben, erfordert eine tiefgreifende Revision. Es reicht nicht aus zu beten, so wichtig es auch sein mag, aber wir müssen sehen, inwieweit wir Teil des Problems waren und wie wir helfen, Teil der Lösung zu sein.
Es ist der Moment der Wahrheit.

Es ist die Stunde der Wahrheit

Entschuldigen Sie die Offenheit und Härte, aber das ist die Stunde der Wahrheit. Wenn wir jetzt nicht aufwachen, wird Schönstatt kein Morgen haben, und auch kein Übermorgen.

Vater, erleuchte uns wie nie zuvor! Gottesmutter, gekommen ist die Stunde der Treue!

 


Patricio Young gehört zum Schönstatt-Familienbund. Er ist Sozialarbeiter an der Universität von Chile mit einem Master-Abschluss in Entwicklungswissenschaften, mit Schwerpunkt Soziologie der Kommunikation. Er arbeitet als Berater im Bereich Marketing und Kommunikation.

Original: Spanisch, 25.10.2019. Übersetzung: Maria Fischer @schoenstatt.org

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