Veröffentlicht am 2015-10-20 In Themen - Meinungen

Die Familie ist in der Krise

Sarah –Leah Pimentel – Text eines Vortrags in einer Pfarrgemeinde in Kapstadt •

Die Familie ist in der Krise. Das sind nicht meine Worte. Papst Franziskus hat das wieder und wieder gesagt.

Und wir können sehen, dass das stimmt. Wir brauchen uns nur umzusehen. Keiner von uns bleibt unberührt von einer Familie in der Krise.

Für manche ist es der Schmerz einer zerbrochenen Beziehung – eine gescheiterte Ehe, Kinder, die gegangen sind und nichts mit ihren Eltern zu tun haben wollen, Geschwister, die nicht miteinander sprechen.

Für andere ist es das Vertrauen, das untergraben wurde – durch Untreue, Missbrauch oder Vernachlässigung, oder sogar durch die Unfähigkeit zu lieben.

Verletzungen

Es gibt Familien, die an den Entfernungen leiden. Vielleicht haben Krieg oder wirtschaftliche Schwierigkeiten einige von uns hierhergeführt, und andere Mitglieder unserer Familien sind über die ganze Welt verstreut. Egal, wieviel Zeit vergeht, ob es ein Jahr oder vierzig sind, wir hören nicht auf, die zu vermissen, die weit weg sind. Und nichts kann die physische Gegenwart derer ersetzen, die wir lieben.

Wirtschaftliche Schwierigkeiten belasten die Familien ganz gewaltig. Meinungsverschiedenheiten über die Einteilung des Geldes oder psychische Leiden von Mitgliedern der Familie, die keine Arbeit finden, was einhergeht mit Wut und Verlust des Selbstwertgefühls, weil man nicht fähig ist, zum Haushalt beizutragen. Und oft ist es die Familie, die zuerst unter der Entladung von diesen Frustrationen leidet.

Ein Aufruf zum Gebet und zum Handeln

Ja, die Familie ist in der Krise. Aber das sollte kein Grund zur Verzweiflung sein. Stattdessen ist es ein Aufruf zum Gebet und zum Handeln. Darum sind wir hier an diesem Nachmittag zusammengekommen. Wenn wir unsere Gebete zum Heiligsten Herzen Jesu bringen, lasst uns für die Familien beten. Lasst uns beten für das Familienleben. Wir beten auch für die Familiensynode, die in Rom stattfindet, während wir hier sprechen. Bischöfe aus der ganzen Welt sind im Vatikan versammelt, um im Gebet einen Blick auf das Familienleben zu tun und gute Möglichkeiten zu finden, mit denen die Kirche alle Familien unterstützen kann. Die Entscheidungen, die sie treffen, werden das Handeln jeder Pfarrgemeinde ausrichten, damit die Pfarrgemeinden Orte der Barmherzigkeit und der Heilung werden für leidende Familien. Sie werden auch eine Unterstützung für die Familien sein, die trotz vieler Herausforderungen, fähig sind, dem Ideal der Liebe und des Familienlebens gemäß zu leben.

Die Botschaft von Papst Franziskus an die Familien

Vielleicht ist es deshalb gut, an diesem Nachmittag über einige der Botschaften von Papst Franziskus an die Familien etwas nachzudenken. Jeden Mittwoch trifft der Heilige Vater Tausende von Pilgern, die auf den Petersplatz in Rom kommen, und er hält ihnen eine kurze Katechese. Im Lauf des letzten Jahres hat er sich dabei auf die Familie konzentriert.

Ich lade jeden von Ihnen ein, auf die offiziellen Vatikan-Webseiten zu gehen und die Mittwoch-Audienzen zu lesen [1].

Sie bieten eine ganze Welt der Einsicht und Weisheit zur Förderung eines guten Familienlebens, sowie einige der Schwierigkeiten, denen die Familie heute begegnet.

Ich werde heute Nachmittag nur einige dieser Botschaften streifen.

Gleich in der ersten Katechese dieses Jahres begann Papst Franziskus mit dem Blick auf die Rolle der Mütter. Er lobte die Mütter, sagte, dass sie das „stärkste Gegenmittel gegen die Ausbreitung des egozentrischen Individualismus“ sind, weil durch ihre Wahl, Leben zu geben, die Mütter sich auf etwas über sich selbst hinaus konzentrieren. Frauen, die Mütter werden, müssen viele Dinge aufgeben, aber sie tun das aus bedingungsloser Liebe zu ihrem Kind. In der Tat, so sagt Papst Franziskus, „ohne Mütter ist die Gesellschaft entmenschlicht“. Lasst uns beten, dass jede Mutter wirklich der Mittelpunkt ihres Daheims sein kann.

Papst Franziskus brachte auch seine Besorgnis zum Ausdruck, dass wir eine „Gesellschaft ohne Väter“ geworden seien. Er beobachtete, dass viele soziale Missstände in direktem Zusammenhang stehen mit den fehlenden Vätern, die nicht da sind, um ihren Kindern Beispiele und Werte zu übermitteln. Nur ein paar Wochenenden zuvor hörte ich junge Leute in Schönstatt über ihre Väter sprechen, und wie dankbar sie sind, dass sie Väter haben, die da waren, die sich Zeit genommen haben, um bei ihnen zu sein und ihre Lebenserfahrung mit ihnen zu teilen. Lasst uns heute für Väter beten, dass sie den Mut haben, in ihren Familien anwesend zu sein und ein Beispiel zu sein für Gott, den liebenden Vater.

Papst Franziskus widmete viel Zeit den Kindern, sagte, sie seien immer ein Geschenk. Sie tragen in sich unsere Erinnerungen aus der Vergangenheit und unsere Hoffnung für die Zukunft. Ist das nicht ein schönes Bild? In der sterilen Gesellschaft, in der wir leben, hören wir oft, Kinder seien eine Last, aber Papst Franziskus beschreibt sie als ein Geschenk. In vielen unserer afrikanischen Kulturen haben wir noch ein Gefühl dafür, dass alles Leben ein Segen ist. Lasst uns daran arbeiten, das zu bewahren. Der wirkliche Segen ist, dass Kinder uns eine Liebe zeigen, die freiwillig gegeben wird. Kinder tun nichts, um Liebe zu „verdienen“, sondern ihre bloße Anwesenheit fordert uns auf, zu lieben und für sie zu sorgen.

Kinder sind die ersten, um Liebe zu empfangen und zu geben, aber sie sind auch die „ersten Opfer“, wenn eine Ehe zerbricht. Papst Franziskus hält Eltern, die sich in dieser Situation befinden, dazu an, ihre Kinder nicht als Geiseln zu verwenden im Machtkampf zwischen beiden Elternteilen, sondern jeder Elternteil solle vor den Kindern gut von dem anderen sprechen. Es ist sehr schwer, das zu tun, aber es ist ein guter Rat, es wenigstens zu versuchen, damit unsere Kinder nicht bitter werden.

Es ist schwierig, im heutigen Umfeld aufzuwachsen. So lasst uns beten, dass jedes Kind, das geboren wird, in einer guten, tragenden Struktur zu Hause aufwachsen kann, die es ihm möglich macht, die verwirrende Welt von Schule und Pubertät zu durchschiffen.

Wenn wir über das Familienleben sprechen, vergessen wir oft die älteren Menschen. Sie werden oft als eine Belastung für die Gesellschaft gesehen, weil sie nicht mehr produktiv sind. Wieder ruft uns Papst Franziskus auf, anders auf das Alter zu schauen; er sagt, dass „die Älteren ein Reichtum sind, der nicht zu ignorieren ist“. Die Älteren sind unsere gemeinsame Datenbank, denn sie tragen unsere Familiengeschichte und helfen uns, unsere Identität auszubilden. Sie haben auch eine besondere Fähigkeit zu beten. Sie haben Zeit, ganz persönlich für jede Person zu beten, die sie um ihr Gebet bittet.

Viele unserer kirchlichen Gemeinschaften werden weitgehend von Älteren getragen. Lasst uns danken, dass sie so bereitwillig für uns Fürbitte halten. Und lasst uns beten, dass Gott ihre Gebete und ihre geheimen Träume beantwortet.

Und obendrein zu dem allen, was stützt das Familienleben? Was belebt die gegenseitige Liebe zwischen Ehepaaren, zwischen Eltern und Kindern, zwischen den verschiedenen Generationen? Das Ehesakrament. Papst Franziskus sagt, dass wir „die Rückkehr von Ehe und Familie auf den Ehrenplatz“ brauchen. Das bedeutet, dass in einer Kultur, in der die Ehe als bedeutungslos und nicht dauerhaft angesehen wird, die christliche Ehe immer mehr ein Zeugnis der „radikalen Hingabe“ zwischen den Partnern werden muss, weil im Sakrament der heiligen Ehe das Paar zu einem „Vermittler von Gottes Segen und der Gnade des Herrn für alle“ wird.

Wie können wir als Kirche starke Familien unterstützen?

Das bringt mich zu einer Frage, die meine Gedanken seit kurzem zunehmend beschäftigt, und die im Mittelpunkt der laufenden Synode in Rom steht. Wie unterstützen wir als Kirche starke Ehen? Wie können wir Familienleben unterstützen? Die Herausforderungen, die Paare und Familien heute erleben, sind gewaltig. Können sie in der Kirche eine Oase finden, einen Ort, um den Wert zu bekräftigen, die Ehe fortzusetzen, um weiter nach heiligen Familien zu streben? Haben wir Programme für Familien? Werden frisch verheiratete Paare begleitet bei dieser Leben verändernden Entscheidung, die sie getroffen haben? Ich spreche nicht nur von Ehevorbereitungs-Kursen. Ältere Ehepaare, die die Freuden und Leiden der Ehe erfahren haben, sind die perfekten Begleiter für junge Paare, die ihre Lebensreise beginnen. Die Weisheit derer, die seit dreißig oder vierzig Jahren verheiratet sind, ist ein großer Wert, den Pfarrgemeinden erschließen könnten.

Haben wir Programme für Kinder und Jugendliche über den wöchentlichen Katechismus hinaus, die jungen Leuten ermöglichen, andere junge Leute mit ähnlichen Werten zu treffen? Gibt es eine Plattform, wo sie die Dinge diskutieren können, die ihnen Sorgen machen, und bekommen sie gottgefälligen Rat? Haben wir geeignete Bildungs-Tagungen um Eltern behilflich zu sein, ihre Kinder in einer christlichen Umgebung aufzuziehen? Wir gehen davon aus, dass Eltern wissen, was zu tun ist, aber jahrelang erteilter Katechismus-Unterricht hat mir gezeigt, dass Eltern ganz und gar nicht sicher sind über ihre Rolle in der religiösen Bildung ihrer Kinder.

Also, wenn wir heute hier wieder weggehen, betet weiterhin täglich für die Familien, und für unsere eigenen Familien. Sie brauchen unsere Gebete. Aber es ist genau so wichtig, Strukturen in unserer eigenen Familie und in den Gemeinschaften unserer Pfarrgemeinden zu schaffen, die es uns ermöglichen, Familien zu unterstützen und Familien willkommen zu heißen, die verletzt und zerbrochen sind, damit sie auch von Christus Heilung empfangen.

Die Heilige Familie

Ich lade zusammen mit mir ein zu einer kurzen Betrachtung über die Heilige Familie, die auch die Schwierigkeiten des Familienlebens erfahren hat.

Bin ich wie Maria, die Ja sagte zu Gottes Plan und offen war für das Leben, auch wenn es das Ende ihres guten Rufes und möglicherweise ihrer zukünftigen Heirat mit Josef bedeutete? Bin ich offen für die Aussicht auf neues Leben? Bin ich bereit, Ja zu sagen zu der Ankunft eines neuen Kindes, auch wenn die Umstände nicht immer ideal sind?

Bin ich wie Josef, der in allen Dingen mit Maria ging? Er hätte sie verlassen können, als er von ihrer Schwangerschaft erfuhr, aber er hatte noch den Mut, mit ihr durchs Leben zu gehen, einschließlich Exil in Ägypten und Armut in einer staubigen Stadt in Galiläa? Habe ich den Mut, Verantwortung zu übernehmen für jene, die in meine Obhut gestellt wurden? Gehe ich an der Seite meiner Frau und unterstütze sie in allem?

Sind wir Eltern wie Josef und Maria? Wir verstehen die Entscheidungen unserer Kinder oft nicht, und manchmal verlieren wir sie auf dem Heimweg vom Tempel. Vertrauen wir, dass wir ihnen die beste Erziehung gegeben haben, die uns möglich war und legen den Rest in Gottes Hand? Wir mögen leiden wie Maria, als sie am Fuß des Kreuzes stand und ihren einzigen Sohn sterben sah. Einige von uns haben ihr Kind verloren. Können wir treu bleiben wie Maria?

Lebt unsere Familie an einem Ort der Unsicherheit und Furcht? Wir erinnern uns, dass die Heilige Familie die Stimme eines Engels im Traum hörte und nach Ägypten floh, um ihr Kind zu retten. Wir können die Welt um uns herum nicht kontrollieren, aber ist unser Zuhause ein sicherer Hafen und ein Ort der Förderung? Hören wir die Stimme Gottes in den Ereignissen unsere eigenen Familien und antworten wir im Glauben, wie die Heilige Familie, dass Gott sorgen wird, auch in den schlimmsten Verhältnissen?

Bin ich wie das Kind Jesus? Die Bibel erzählt uns, dass Jesus, obwohl er Gottes Sohn war, sich seinen Eltern in allen Dingen unterordnete. Höre ich auf den Rat meiner Eltern? Versuche ich mein Bestes, um sie nicht zu ängstigen? Wenn sie älter werden, verbringe ich Zeit mit ihnen und sorge für sie in ihren alten Tagen?

Heilige Familie, ihr habt in ganz anderen Zeiten gelebt, aber wir wissen, das euer Familienleben nicht perfekt war. Aber ihr habt noch darauf vertraut, dass Gott jeden eurer Schritte auf dem Weg leitet. Zeigt uns, wie man auf Gottes Plan für unsere Familien vertraut, und lehrt uns, mehr zu werden wie ihr. Lehrt uns, wie man bedingungslos liebt. Lehrt uns, wie man für die Kinder sorgt. Helft uns zu erkennen, wie wir unsere Familien zu heiligen Familien machen können, die sich abheben wie ein Leuchtturm und ein Licht für eine Welt, die den Wert der Familie vergessen hat. Wir erbitten das in Jesu Namen. Amen

[1] Die meisten von ihnen sind auch auf schoenstatt.org verfügbar; im Herder-Verlag als Buch unter dem Titel „Die Familien-Katechesen“ erschienen.
Original: Englisch. Übersetzung Ursula Sundarp, Dinslaken, Deutschland

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