Veröffentlicht am 2011-02-25 In Themen - Meinungen

Tief verletzt

DaisyMargaret Steinhage Fenelon. Am Wochenende habe ich unseren Hund geschnitten. Ich meine es wörtlich, ich habe Daisy buchstäblich geschnitten! Ich habe sie gebürstet und wollte ihr Haar scheren, habe aber stattdessen ihre Haut erwischt und ihr einen schmerzhaften Schnitt am Hinterbein zugefügt. Sie jaulte auf und zuckte zusammen, warf den Kopf herum und sah mich völlig fassungslos an.

 

 

 

Mir stiegen die Tränen in die Augen, ich schaltete schnell die Schermaschine aus und nahm sie auf den Arm. „Es tut mir so leid, Daisy, es tut mir so leid!“ sagte ich immer wieder.

Auch wenn es ein Unfall war, ich fühlte mich wie der niederträchtigste Mensch auf der Welt. Ich hatte versucht, das Haar an ihrem Bauch extra kurz zu scheren, und in meiner Entschlossenheit, mein Ziel zu erreichen, hatte ich vergessen, dass ich es mit einem lebenden, atmenden Wesen zu tun hatte und hatte eine kleine Hautfalte weggeschnitten. Es war mein sturer Eigensinn, der Daisy verletzt hatte, nicht die Schermaschine.

Da ich mit dem Haarschneiden angefangen hatte, wusste ich, dass ich es auch zu Ende bringen musste. Als wir beide aufgehört hatten zu zittern, setzte ich sie wieder auf den Tisch, so dass ich sie zu Ende frisieren konnte. Sie sah zu mir auf mit ihren großen braunen Augen so voller Liebe, dass mir wieder die Tränen kamen.

„Oh Daisy! Wie kannst du mich womöglich noch lieben, nachdem ich dir so weh getan habe?“ rief ich.

Je länger ich arbeitete, desto länger sah sie mir in die Augen auf diese liebevolle, mitfühlende Art

DaisyIch streichelte das seidenweiche Haar auf ihrem Kopf, tätschelte ihre Seite und ging wieder an die Arbeit, dieses Mal mit weit mehr Behutsamkeit und Gewissenhaftigkeit als vorher. Je länger ich arbeitete, desto länger sah sie mir in die Augen auf diese liebevolle, mitfühlende Art. Je mehr sie mich ansah, umso schlechter fühlte ich mich. Es schien, als wollte sie mich trösten, obwohl sie es war, die verletzt wurde!

Den Rest des Tages wich sie mir nicht von der Seite, stupste mich mit der Nase an und wedelte jedes Mal mit dem Schwanz, wenn ich sie ansah. Jedes Mal, wenn ich einen Blick auf sie warf, fühlte ich mich wieder ganz und gar schlecht. Jedes Mal, wenn ich mich ganz und gar schlecht fühlte, stupste sie mich mit der Nase und wedelte mit dem Schwanz. Und so ging es den Rest des Tages weiter.

Am nächsten Tag war sie wieder die Alte, man wäre nie darauf gekommen, dass ich sie am Tag davor so schlimm verletzt hatte. Die Wunde war jetzt mit Schorf bedeckt und fing an abzuheilen. Natürlich war ich noch besorgt und schaute dauernd nach, um sicher zu gehen, dass es wirklich besser wurde.

Die Botschaft des Vaters im Himmel

„Oh, Margaret!“ schalt Mark mich gutmütig. „Hör auf! Daisy hat das Ganze vergessen, das solltest du auch tun.“ Er hatte recht. Daisy ging es gut – Ich war diejenige, die litt, ich quälte mich mit meiner Schuld und machte mir immer wieder Vorwürfe, dass ich Schaden angerichtet hatte, als ich versuchte, meinen Dickschädel durchzusetzen.

An diesem Nachmittag hatte ich eine Weile Ruhe für mich. Mit dem Rosenkranz in der Hand saß ich da und fragte mich, was der Vater im Himmel mir durch diese Situation sagen will.

Mir schien, wir Menschen gehen unheimlich oft so miteinander um. Wir sind so darauf fixiert, die Dinge so zu machen, wie wir sie haben wollen, dass wir vergessen, dass wir es mit lebenden, atmenden Wesen zu tun haben, und mit unserem Eigenwillen schneiden wir einander kleine Stücke aus dem Herzen. Unser Versuch, alles an unsere Wünsche und Vorstellungen anzupassen, wird zerstörerisch, und wir verletzen einander tief, weil wir einfach nicht anders können. So sehr wollen wir manche Dinge genau richtig machen, dass wir ins Fleisch schneiden und es nicht einmal merken. Die ursprüngliche Absicht mag gut sein, aber es kann lange dauern, bis der angerichtete Schaden heilt.

Offene Tür

Unser Vater und Gründer hat die Lösung. Über meinem Schreibtisch hängt ein Zitat von ihm, über meinem Computerbildschirm, ich lese es immer mal wieder, besonders, wenn ich ratlos bin oder entmutigt. Es lautet so:

„Persönlichkeiten, die Geschichte schaffen, gebrauchen ihren Geist, um an der göttlichen Schöpfertat teilzunehmen. Sie denken über Gottes Gedanken nach und suchen zu sehen, was Gott will, und welche Merkmale er unserer Zeit eingeprägt sehen möchte; sie folgen dem Gesetz der ‚offenen Tür‘. Immer wieder will Gott uns seine Gedanken durch die Umstände offenbaren und uns sagen, wie er diese Zeit, diesen Lebenstag, durch uns prägen und gestalten will.“

Was heißt das? Es heißt, dass wir Gottes Willen für uns folgen müssen und versuchen, seinen Willen zu erkennen, indem wir hinhören und aufmerksam achten auf Menschen und Ereignisse um uns herum. Wir müssen wachsam sein für die Gelegenheiten, die er uns schickt, und uns für sein schöpferisches Wirken in uns und durch uns öffnen. Wir sind aufgerufen, am schöpferischen Handeln seines göttlichen Geistes teilzuhaben. Ebenso müssen wir auch anderen erlauben, dem Willen Gottes für sie zu folgen. Wir müssen wachsam sein für die Gelegenheiten, die er ihnen schickt, und ihnen die Freiheit geben, sich seinem schöpferischen Wirken an ihnen und durch sie zu öffnen. Wir sind aufgefordert, ihre Teilhabe am schöpferischen Handeln seines göttlichen Geistes zu fördern, weil Gottes Wille nicht nur für mich, sondern für uns gilt.

Zwangsläufig wird es Zeiten geben, wo wir – ungeachtet unserer besten Absichten – andere tief verletzen. Zwangsläufig wird es Zeiten geben, wo andere – ungeachtet ihrer besten Absichten – uns tief verletzen. Wir können uns an Daisy ein Beispiel nehmen. Denn so sehr sie auch litt, sie wusste, dass ich mehr litt.

www.margefenelon.com

Übersetzung: Gerti Lehnen, Deutschland

1 Responses

  1. E. Villmer sagt:

    Danke für diese wunderbare Geschichte.
    Da ich selbst einmal mit unserem Hund Fido ähnliches erlebt habe, kann ich dies nur bestätigen.

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