Veröffentlicht am 2020-07-09 In Schönstätter

Ein Charlotte-Holubars-Weg ehrt eine viel zu wenig bekannte starke Frau

DEUTSCHLAND, Maria Fischer •

„Gedenken an eine Lehrerin“, so der Titel eines Artikels der Saarbrücker Zeitung, in dem es um die Entscheidung des Heusweiler Ortsrates bei der Namengebung von drei Straßen in einem neuen Wohngebiert geht. „Heusweiler Ortsrat erinnert mit seiner Entscheidung an zwei Flur-Bezeichnungen und mit „Charlotte-Holubars-Weg“ an eine Lehrerin, die Opfer der Nazi-Diktatur wurde“, so der Untertitel. Eine Lehrerin, eine Schönstätterin, eine Frau, die sich von den Nationalsozialisten nicht einschüchtern ließ und dafür mit dem Leben bezahlte. Und zwar im Konzentrationslager Ravensbrück, am 9. November 1944.—

Geboren und aufgewachsen in Schlesien, arbeitete Charlotte Holubars  seit 1906 als Volksschullehrerin in Heusweiler bei Saarbrücken. Sie war eine tief religiöse, engagierte Frau, die ihren Beruf liebte; und wie so viele andere glaubte sie nach der „Machtergreifung“ Hitlers im Jahr 1933,  für ihre Ideale auch im NS-Frauenbund und NS- Lehrerbund arbeiten zu können.

Es dauert eine Weile, doch sie erkennt immer mehr die eigentliche Haltung des Naziregimes , und dann ist sie konsequent: Sie tritt aus dem NS-Frauenbund und dem NS-Lehrerbund aus. Ihrem Beispiel folgten damals viele Frauen in Heusweiler.

Und als die bisherige katholische Schule in eine NS-Schule umgewandelt wird, scheidet sie 1937 mit 53 Jahren  – formal aus gesundheitlichen Gründen aufgrund einiger Operationen – aus dem Staatsdienst aus.

Widerstand gegen die Schulpläne der Nationalsozialisten

„Lotte Holubars leistete offenen Widerstand gegen die Schulpläne der Nationalsozialisten und widmete sich mit großem Engagement der christlichen Erziehung in der Schule. Als Mitglied des Säkularinstituts ‚Frauen von Schönstatt‘ organisierte sie ein reiches Gruppenleben in Heusweiler und versuchte, den jungen Mädchen christliche Grundwerte zu vermitteln“, so der Heusweiler Heimatkundler Albert Weber, der sich intensiv mit dem Leben von Charlotte Holubars befasst hat. Als in Heusweiler an Stelle der alten Volksschule in der Schulstraße Anfang der sechziger Jahre eine neue Grund- und Hauptschule gebaut wurde, erhielt sie den Namen „Charlotte-Holubars-Schule“. Das Gebäude beherbergt heute eine andere Bildungseinrichtung, der Name wurde geändert. Doch Charlotte Holubars wurde in Heusweiler nicht vergessen. Am 8. Mai 2002 wurde  eine Stele mit ihrem Namen und dem Schriftwort „“Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen verfolgt werdet…“ errichtet. Die damalige Generaloberin des Institutes der Frauen von Schönstatt, Dr. Inge Birk, die bei dieser Feier anwesend war, berichtet in einem Artikel vom 14. Mai 2002 darüber: „Nach der Segnung fand der Gottesdienst seine Fortsetzung in der daneben liegenden Pfarrkirche. Anstelle einer Predigt legte Frau Heimes, eine ehemalige Schülerin von Lotte Holubars aus Heusweiler (…) ein eindrucksvolles Zeugnis für die beiden Frauen ab. Frau Heimes, Mitinitiatorin des Gedenksteines, berichtete in bewegenden Worten von den persönlichen Begegnungen und Erfahrungen mit Lotte Holubars und hob die große prägende Kraft und Wärme hervor, mit der es Lotte Holubars gelang, vielen Menschen Heimat zu schenken und sie gegen die Nationalsozialisten zu immunisieren.“

Bereit, auch das Leben herzugeben

Schon in den zwanziger Jahren hatte sie Schönstatt kennengelernt. Bei einem Besuch in Frankenstein in ihrer Heimat Schlesien begegnete sie bei den dortigen Pallottinern dem Gründer der Schönstatt- Bewegung, Pater Joseph Kentenich. „Sie muss von seiner Persönlichkeit und seinen Worten tief beeindruckt gewesen sein. Denn schon in den nächsten Sommerferien fuhr sie zu einer Tagung nach Schönstatt, die Pater Kentenich hielt“, so  Käthi Lukas in einer Lebensbeschreibung aus dem Jahr 2019, 75 Jahre nach ihrem Tod. Lotte engagierte sich immer stärker in der noch jungen Bewegung.  „Ich will selbst echte marianische Frauenart verkörpern und sie andere lehren“, steht in ihrem Weihegebet von 1929.

Als sie 1937 aus dem Schuldienst ausscheidet, zieht sie nach Vallendar/Schönstatt und arbeitet dort für das neue Säkularinstitut der Frauen von Schönstatt. „Wir fühlen uns schwach, aber wir sind bereit! Bereit auch dann, wenn wir die Führung Gottes nicht mehr verstehen… Sei gegrüßt, o Königin, die wir bereit sind, auch das Leben herzugeben. Wir grüßen dich!“, betet sie, als die Verfolgung Schönstatts durch die Nationalsozialisten schon sehr bedrohlich und spürbar ist.

„Als sie im Herbst 1942 von einer ihrer vielen Reisen nach Vallendar zurückkehrt, hat die Gestapo ihre Wohnung durchsucht und Abschriften von Briefen P. Kentenichs aus dem KZ Dachau gefunden. Daraufhin wird sie im Koblenzer Karmelitergefängnis inhaftiert. Im anschließenden Prozess lautet das Urteil auf drei Jahre Gefängnis. Die Strafe verbüßt sie aber nicht, sondern wird von Koblenz aus ins Frauen-KZ Ravensbrück verschleppt. Die Verhältnisse dort zehren sehr an ihr. Nach Zeitzeugenberichten bleibt sie aber in ihrer christlichen Haltung ungebrochen. Am 9. November 1944 stirbt Charlotte Holubars in Ravensbrück“, so heißt es auf der Webseite „Mahnmal Koblenz“, einem virtuellen Gedenkort für die Opfer des Nationalsozialismus in Koblenz und dem nördlichen Rheinland-Pfalz.

Was macht diese Frau heute interessant?

Die Feiern zum 75. Jahrestag des Endes des 2. Weltkrieges und damit des Endes des Nationalsozialismus sind wie so  vieles andere der Pandemie zum Opfer gefallen. Doch jeder, der sich dem Nationalsozialismus widersetzt hat, jeder, der sich dem Druck einer Diktatur – einer politischen Diktatur, einer Diktatur am Arbeitsplatz, in der Meinungsäußerung, in der Freiheit von Glauben, Überzeugung, Lebensgestaltung – entgegenstellt, ist wichtig.

Im Gefängnis Koblenz, wo sie vor dem Transport ins Konzentrationslager einige Monate inhaftiert war, sprachen die Häftlinge nach ihrem Weggang von der „heiligen Lehrerin“, die bei ihnen gewesen war. „Sie war eine eine jener starken, fraulichen Seelen, wie sie mir in meiner Gefängnisseelsorge nur ganz selten, vielleicht einmalig in ihr, begegnet ist. (…) Wenn die Frage nach der Zukunft von mir gestellt wurde, war die gleiche ruhige, selbstverständliche Antwort: ‚Wie Gott es will, er lenkt alles recht.‘ Aus vielen Unterhaltungen, die ich mit ihr hatte, konnte ich feststellen – ohne dass sie es klar ausgesprochen hätte -, dass ihr ganzes Sinnen und Trachten Schönstatt und seinem Werk galt, dass sie all ihre Opfer und ihre Einsamkeit ertrug als Opfer, dass sie dem Herrn für Schönstatt anbot, damit es erhalten bleibe und ganz besonders für den geistlichen ‚Motor‘ des Werkes, Herrn P. Kentenich, dass er wieder aus der Unfreiheit nach Schönstatt zurückkehren möge.“

Charlotte Holubars war „eine Frau mit einem definierten persönlichen Ideal und einer klaren pädagogischen und apostolischen Berufung“, so Frau de Soto aus dem Institut der Frauen von Schönstatt. „Elegant, weiblich leidenschaftlich und effizient. Aufmerksam gegenüber den Bedürfnissen anderer, insbesondere den am meisten benachteiligten Personen.“

Und: „Lotte hatte große Führungsqualitäten und schreckte nicht davor zurück, an allen Fronten Verantwortung zu übernehmen. Sie war eine mutige, prinzipientreue Frau, die sich vom Mainstream nicht entmutigen ließ, sondern stets nach Wegen suchte, ihre apostolische Arbeit zu leisten.“

Unter Verwendung von großzügig überlassenem Material des Institutes der Frauen von Schönstatt.

 

Lotte Holubars (1883-1944)

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