Veröffentlicht am 2018-06-17 In Schönstätter

Rechtsanwalt mit Schönstatt im Herzen – und in der täglichen Arbeit

Flávio M. Santos (OAB/SP 315.713), Brasilien •

Flávio M. Santos ist Rechtsanwalt, gehört zur Familienliga und ist derzeit Vorsitzender des Familienrates des Sions-Heiligtums von Jaraguá. Und er stellt sich der Herausforderung, Schönstatt nicht nur im Herzen, sondern in der täglichen Arbeit zu haben.

Meine Herausforderung besteht darin, ein schönstättischer Rechtsanwalt zu sein.  Was heißt das, und geht das überhaupt?

Wer einen Witz über Rechtsanwälte kennt, soll mal die Hand heben! Aha! Alle Hände in der Höhe!

Eine Sache ist z.B. ein Auto zu stehlen und zu verticken, eine andere, ein Päckchen Reis zu entwenden, um sein Kind vorm Verhungern zu retten.

In aller Welt gibt es unzählige Witze über Anwälte. Alle zeigen einen egoistischen, seinen Vorteil suchenden Menschen, der Nutzen (viel Nutzen!) ziehen will aus allem, die Dinge verdreht und Situationen schafft, die ihn begünstigen. Und ich, der ich Anwalt bin und meine Berufsehre hoch halte, bekomme Woche für Woche ein paar neue Anwaltswitze zugeschickt. Macht mir nichts aus, macht sogar Spaß. Aber wenn Sie mir jetzt welche schicken wollen, dann bitte gut aussuchen, denn manche haben schon einen langen Bart!

Und jetzt, worum geht es mir? Es geht nicht darum, ein Rechtsanwalt zu sein, der sein Wissen nutzt, um die Dummheit von jemand anderem auszunutzen, oder noch schlimmer, der die Dinge so lange verdreht, bis er damit ein Recht gewinnen kann, das weder ihm noch seinem Klienten zusteht.

Zur Erklärung:

Aufgabe des Anwaltes ist es, Fakten aufzuzeigen, sie zu bewerten und vor Gericht die Rechte seines Klienten zu verteidigen. Die Fachleute nennen das die Anwendung der dreidimensionalen Theorie des Rechtes, formuliert von einem der größten Juristen, den unser Land hervorgebracht hat, Dr.  Miguel Reale, weltweit bekannt für seine Theorie, die im Jahr 1968 die Rechtswelt revolutionierte.

Ohne nun eine Vorlesung in Jura geben zu wollen, was ja nicht Sinn dieses kurzen Artikels ist, geht es darum, dass man vorher nur darum ging,die juristischen Fakten auf die bestehenden Normen anzupassen. Heute geht es in einem Großteil der Welt, wenn auch in manchen Ländern weniger als in anderen, darum, die Fakten (und das ist das Neue) in Blick auf die Normen zu bewerten. Ein Beispiel: Diebstahl ist ein Verbrechen laut Artikel 155 StGB – und wird mit einer Freiheitsstrafe zwischen einem und vier Jahren geahndet. Wenn also jemand etwas stiehlt, sollte diese Strafe angewendet werden, oder? Die Antwort ist nein: Es ist eine Sache, etwa ein Auto zu stehen, um es zu verticken, und eine andere Sache ist es, ein Päckchen Reis zu stehlen, um einem hungrigen Kind etwas zu essen zu geben.

Erkennen Sie die Bewertung im Faktum des Diebstahls? Der eine wollte sich bereichern, der andere den Hunger seiner Familie stillen.

Mit dieser etwas langen Einleitung wollte ich sagen, dass ich als Rechtsanwalt im Geiste Schönstatts nicht die Fakten verändern kann, sodass ein Bereicherungsverbrechen zu einem Hungerdelikt wird, um so die Strafe für meinen Klienten zu verrringern oder gar ganz zu vermeiden. Vielleicht ist das auch der Grund, dass ich nicht im Bereich des Strafrechts arbeite, aber ich habe das alles gesagt, damit Sie, lieber Leser, besser verstehen können, was es heißt, ein schönstättischer Anwalt zu sein.

Es gibt immer mindestens zwei Parteien in einem Rechtsstreit und jede von ihnen glaubt, dass er jedes Recht über den anderen hat.

Ethik, Wahrheit und schönstättische Beheimatung im Recht

Als Anwalt nehme ich Menschen auf  die mir alle möglichen Dinge ihres Lebens erzählen. Ich muss diese Menschen im Licht unseres Vaters und Gründers erleuchten und sie aufnehmen, wie Maria sie aufnehmen würde. Das ist nicht einfach.

Als Anwalt nehme ich Menschen auf  die mir alle möglichen Dinge ihres Lebens erzählen. Ich muss diese Menschen im Licht unseres Vaters und Gründers erleuchten und sie aufnehmen, wie Maria sie aufnehmen würde. Das ist nicht einfach.

Darum habe ich mir als ethische Norm genommen, niemals zu lügen, niemals zu versuchen, Fakten zu verdrehen, damit das Recht meinem Mandanten ein Recht gibt, das ihm nicht zusteht.

Wenn ich einem Klienten erkläre, dass er im anstehenden Rechtsstreit möglicherweise nicht im Recht ist, dann ist es klar, dass er damit nicht gerade glücklich ist.

Ich habe gelernt, dass man niemandes Handlungen beurteilen darf. Ich bin es nicht, der sie verurteilt, wie auch Jesus die Ehebrecherin nicht verurteilt hat, aber es liegt an mir, dem Gericht die Fakten und ihre Bewertung vom Recht her zu berichten. Nur das.

Man kann auch von einem Richter nicht das gleiche Verhalten wie von Gott erwarten. Der Richter ist nicht Gott, niemand ist das, und es wäre eine große Ungerechtigkeit zu glauben, dass ein Richter mit der Gerechtigkeit urteilt, mit der Gott urteilt.

Gott urteilt nach Gesetz und Barmherzigkeit. Aber Gott weiß genau, an welcher Stelle und in welchem ​​Maße das Gesetz herrschen muss und an welchem ​​Punkt und in welchem ​​Ausmaß Barmherzigkeit geschehen wird. Das ist für einen Menschen schlicht und einfach unmöglich.

So ist ein guter Richter jemand, der die Tatsache in Abwägung mit dem Gesetz sieht und anwendet in Blick auf das, was dies für den Betreffenden bedeutet.

Genau aus diesem Grund hat Johannes Paul II. dem Killer, der versucht hatte, ihn zu ermorden, vergeben – sich aber nie dafür eingesetzt, dass seine Haft auch nur um einen Tag verringert würde.

Die Menschen müssen sich den Gesetzen der Menschen unterwerfen, wenn diese Gesetze gerecht und richtig sind, das heißt, im Einklang mit den Grundsätzen des Rechts angewendet werden mit dem Ziel, eine gerechte und gleiche Gesellschaft zu schaffen in einem auf Demokratie und Recht aufgebauten Staat.

Herausforderung und Mission

Ich wünsche mir sehr, dass die Gottesmutter Maria mich als Werkzeug gebraucht, um Salz der Erde und Licht der Welt zu sein und Gerechtigkeit sich durchsetzen kann.

Wie Sie merken, könnte ich beispielsweise niemals einen Richter bitten, eine Abtreibung zu erlauben, auch wenn das Gesetz dies in in vielen Fällen erlaubt, doch für mich dürfte dieses Gesetz nicht angewendet werden, denn es widerspricht den Grundsätzen des Aufbaus einer gerechten und gleichberechtigten Gesellschaft. Natürlich würde ich alles versuchen und alle nur möglichen Fachleute ins Spiel bringen, die meine Klientin davon überzeugen könnten, nicht abzutreiben, was für uns als Christen ein abscheuliches Verbrechen ist, und wenn es nicht anders ginge, würde ich diesen Fall abgeben, dessen Anliegen sich mit meiner persönlichen und beruflichen Ethik nicht vereinbaren lässt.

Unter Anwendung der Prinzipien in einem Land wie dem unseren, wo das berühmte „Gerson-Gesetz“[1] ohne viel Nachdenken angewendet wird, wo man aus allem Nutzen schlagen will – da geht es Tag für Tag um die Herausforderung, ein von Schönstatt durch und durch geprägter Anwalt zu sein, der in seinem Beruf und durch seinen Beruf die Dreimal Wunderbare Mutter in die Welt tragen will.

[1] Das Gerson-Gesetz gehört zur brasilianischen Populär-Kultur und besagt, dass eine Person oder ein Unternehmen bedenkenlos aus allem Vorteile zieht, ohne auch nur einen Moment lang an ethische oder moralische Fragen zu denken

 

Original: Portugiesisch, 03.06.2018. Übersetzung: Mechthild Jahn und Renate Dekker, Bad Ems, Deutschland/Maria Fischer

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