Weihnachtsbaum

Veröffentlicht am 2021-12-26 In Leben im Bündnis

Ein Weihnachtsbäumchen für Mohamed

3MG, Maria Fischer •

„Weihnachtsbäumchen, was mach ich denn jetzt mit dir, du kannst doch nichts dafür, dass ich zu ungeschickt bin, dich aufzustellen…“ Manchmal rede ich mit meinem Computer, manchmal mit meinem Auto und heute mit dem kleinen, grünen Weihnachtsbäumchen. Es ist Heiligabend, außer mir ist kein Besucher mehr im Pflegeheim, und mein Heiligabend bei den behinderten und alten Menschen und jetzt konkret im Zimmer meiner Schwester sollte gerade von „Weihnachtszimmer schmücken“ in „Weihnachten feiern“ übergehen. Wäre da nicht das Weihnachtsbäumchen… —

Zum Glück hatte ich einen Plan B, sprich, eine kleine, eingetopfte Zuckerhutfichte, mit Glocken, Sternen und Lichterkette. Die steht nun da, wo das Weihnachtsbäumchen hätte stehen sollen, wenn es denn stehen würde. Seit jenem schweren Weihnachten auf der Intensivstation vor mehreren Jahren und diesem: „Hier ist gar kein Weihnachtsbaum!“ bringe ich jedes Jahr an Heiligabend ein Weihnachtsbäumchen ins Pflegeheim zu meiner Schwester. Dieses Jahr ist alles eng getaktet, Arbeit noch am 23. Dezember, Bäumchen schon früher gekauft, so ein mittelgroßes auf ein Holzkreuz genageltes, mühelos aufzustellen… Und erst beim Aufstellen stelle ich fest, dass der Nagel gebrochen ist. Ich mache zwei, drei schon im Ansatz zum Scheitern verurteilte Versuche (ein Handwerker ist an mir nicht verloren gegangen), dann ist klar: dieses Weihnachtsbäumchen wird dieses Weihnachten hier nicht mit Lichtern geschmückt stehen… Weihnachtsbäumchen, mit so viel Liebe gekauft, du hast nicht verdient, jetzt irgendwo in einer Ecke zu stehen…

Und genau in diesem Moment öffnet sich die Tür und der einzige diensthabende Pfleger steht da, mit strahlendem Lächeln, wie immer. Mohamed.

Und ehe ich überhaupt nachgedacht habe, habe ich gesagt: „Mohamed, haben Sie zu Hause einen Weihnachtsbaum?“ – „Nein, noch nie!“, antwortet er. „Möchten Sie den hier? Ich schenke ihn Ihnen, für zu Hause, für Weihnachten!“ – Mohamed schaut verdutzt, verwundert, fast erschrocken, dann strahlt er: „Für mich, echt?“ – „Ja, Mohamed, dieses Jahr haben Sie einen Weihnachtsbaum!“

Er schnappt sich die knallrote Tüte mit dem Bäumchen. „Ich bekomme einen Weihnachtsbaum!“

„Es fehlt nur das Kreuz…“, sage ich, merke, was ich sage und stottere: „Da das Holzkreuz, auf dem das Bäumchen stehen sollte.“

Und Mohamed zieht ab mit Weihnachtsbäumchen, Kreuz und Weihnachtsfreude im Gesicht. Und im Zimmer wird Weihnachten:

Fürchtet euch nicht, denn siehe, ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteilwerden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Christus, der Herr. Und das soll euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt…

Auch der Mohamed, sagt meine Schwester. Auch der Mohamed findet das Kind, bete ich.

Am Ersten Weihnachtstag hat Mohamed wieder Dienst. Er kommt auf mich zu und sagt: „Gestern abend, da habe ich länger machen müssen, und dann bin ich zum Bahnhof gerannt mit dem Weihnachtsbäumchen unterm Arm und habe noch den allerletzten Bus nach Hause bekommen, der hatte fünf Minuten Verspätung…“

Das ist Weihnachten, sage ich, und denke:  Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Christus, der Herr.

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