Columna P. Enrique Grez López

Veröffentlicht am 2021-10-09 In Kolumne - P. Enrique Grez López, Themen - Meinungen

Lacci. Wenn sich Bindungen verheddern

P. Enrique Grez, Chile •

Lacci (The Ties, Was uns hält, 2020) ist ein Film über ganz normale Menschen. Das ist in der heutigen Zeit, in der wir auf den Bildschirmen nur noch Superheldengeschichten oder kaum glaubhafte Erzählungen über Selbstoptimierung zu sehen bekommen, keine geringe Leistung. —

Dieser Film ist eine Hommage an die Tradition des Realismus, bei dem nicht einmal die Menschen selbst die Protagonisten sind, sondern die Beziehungen zwischen ihnen. Der Name des Films sagt es schon: Lacci. Es ist ein subtiles italienisches Wortspiel: Lacci sind die Bande, die Menschen zusammenhalten. Aber Lacci sind auch Schnürsenkel. Und der Film zeigt uns eine liebenswerte Szene, in der Aldo seiner Tochter auf ebenso lächerliche wie zärtliche Weise beibringt, sich die Schuhe zu binden.

Es ist die Geschichte einer Familie und ihrer Wunden, der zerbrochenen Liebe, aber auch der widersprüchlichen Zuneigung, die in den Narben der Vergangenheit wieder auftaucht. Die Geschichte wird in den anderthalb Stunden des Films immer wieder erzählt. So durchdringen wir das Drama mit den Augen der Eltern, Kinder und einiger Zeugen über einen Zeitraum von Jahrzehnten.

Lazos - Lacci - Ties

Screenshot aus dem Film, von imdb.com

Die Frage, ob diese Bindungen der Mühe wert sind

Dies ist kein Film der rosa Wattewölkchen. Schon zu Beginn des Films werden die Bindungen, die „romantischen“ persönlichen Bindungen, zu einer Quelle unerschöpflichen Schmerzes und sogar des Wahnsinns. Wie in so vielen anderen Filmen stellt sich auch hier die Frage, ob diese Bindungen die Mühe wert sind. Ich fürchte, die Sartresche Antwort (Die Hölle sind die anderen) bleibt verlockend, und dieser Film gibt sich, wie fast das gesamte zeitgenössische Kino, vielleicht zu leicht der Logik der Bedeutungslosigkeit hin. Dennoch setzt die Geschichte auf Nuancen und stellt Familienbande als komplexe Realität dar, in der Vereinfachungen wenig hilfreich sind, wenn es darum geht, über das zu sprechen, was uns verbindet und trennt. In diesen Bindungen finden wir auch Naivität, Mitschuld und Hoffnung.

Die Gesichter

Die Dialoge sind gut, aber diese Geschichte wird vor allem durch Bilder erzählt, durch sich bewegende Körper, durch Räume voller Bücher, Fotos und Küchenutensilien, durch Teppiche und Jalousien, durch Pflanzen und Pflastersteine. Die Fenster der Wohnungen zeigen uns die Gassen von Neapel und die Parks von Rom, die zu privaten Szenen des Familienlebens werden. Lacci hat auch seine Gegenargumente. Die Besetzung ist großartig, aber der Übergang der Charaktere durch die Schauspieler, die sie spielen, hätte besser gehandhabt werden können. Einige Szenen scheinen in zu starkem Kontrast zur Handlung zu stehen, das Motiv der Rachepläne wird überinterpretiert.

Das Beste an diesem Film sind die Darstellungen der Gesichter. Es geht nicht nur darum, dass die Figuren gut konstruiert sind. Mit der Hervorhebung der Gesichter meine ich vor allem die Art und Weise, wie diese gefilmt werden. Der Stil vermittelt eine bemerkenswerte Wärme und Respekt für familiäre Beziehungen. Wenn die Kamera an der Seite eines dieser Gesichter stehen bleibt, möchten wir, dass sie noch ein paar Sekunden dort bleibt, um das Leben zu bewundern, das in dieser Haut vor sich geht, um all die emotionale Energie zu entschlüsseln, die in diesen Augen wohnt.


Lacci Lazos

Quelle: Wikipedia

Technische Daten
REGISSEUR: Daniele Luchetti
JAHR:  2020
TITEL: Lacci. Internationaler Titel: Ties. Deutscher Titel: Was uns hält
LAND: Italien
CAST: Alba Rohrwacher, Luigi Lo Cascio, Laura Morante, Silvio Orlando, Giovanna Mezzogiorno,   Adriano Giannini
GENRE: Familiendrama
AUSZEICHNUNGEN: Eröffnung der 77. Filmfestspiele von Venedig, Darstellerpreis
VERTRIEB: Kinos (Kinostart in Deutschland im August 2022)

 

 

 

 

Original: Spanisch, 05.10.2021. Übersetzung: Maria Fischer @schoenstatt.org

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