Veröffentlicht am 2014-12-21 In Leben im Bündnis

Das Kind aus einem Dorf mit schlechtem Ruf an der Peripherie des Römischen Reiches

FRANZISKUS IN ROM, mda. 17. Dezember. Generalaudienz, geprägt von der „Vivas“ und den Glückwünschen zum 78. Geburtstag von Papst Franziskus. Bei seiner Fahrt durch die Menge bläst er sogar Kerzen auf einer Geburtstagstorte aus. In der Katechese geht es um die Familie, die Familie von Nazareth, Modell der christlichen Familien; der Heilige Vater erinnert daran, dass das Kind in einem „verlorenen Nest mit schlechtem Ruf an der Peripherie des Römischen Reiches“ auf die Welt kommt, und 30 Jahre lang seine Zeit damit verliert, sich auf seine Mission vorzubereiten und „groß zu träumen“. Am Schluss der Audienz verurteilte er die jüngsten Terroranschläge und bat Gott, die Herzen der Gewalttätigen zu bekehren, die nicht einmal vor Kindern Halt machen.“

Vollständiger Text der Katechese von Papst Franziskus am 17. Dezember

Die Familie – 1. Nazareth

Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

Die jüngst abgeschlossene Bischofssynode über die Familie ist die erste Etappe eines Weges gewesen, der im kommenden Oktober mit einer weiteren Versammlung zum Thema „Berufung und Mission der Familie in Kirche und Welt“ enden wird. Das Gebet und die Reflexion, die diesen Weg begleiten müssen, betreffen das gesamte Gottesvolk. Ich möchte, dass auch die üblichen Meditationen zur Mittwochsaudienz sich in diesen Weg einfügen. Deshalb habe ich beschlossen, in diesem Jahr mit euch über die Familie zu sprechen, über dieses große Geschenk, das der Herr der Welt von Anbeginn gemacht hat, als er Adam und Eva auftrug, sich zu vermehren und die Erde zu bevölkern (vgl. Gen 1,28). Ein Geschenk, das Jesus mit seinem Evangelium bestätigt und besiegelt hat.

Das nahe Weihnachtsfest wirft ein großes Licht auf dieses Mysterium. Die Menschwerdung des Gottessohnes öffnet einen neuen Anfang in der Weltgeschichte des Mannes und der Frau. Und dieser Neubeginn ereignet sich im Herzen einer Familie, in Nazareth. Jesus kam in einer Familie zur Welt. Er hätte auf spektakuläre Weise in die Welt eintreten können, als Krieger, als Kaiser… Aber nein, er kommt als Kind einer Familie, wie es viele gibt. Das ist wichtig: Sehen wir uns in der Krippe diese schöne Szene an.

Gott hat beschlossen, in einer menschlichen Familie zur Welt zu kommen, die er selbst geformt hatte. Er formte sie in einem entlegenen Dorf in der Peripherie des römischen Kaiserreichs. Nicht in Rom, der Hauptstadt des Imperiums, nicht in einer großen Stadt, sondern in einem fast unsichtbaren Randgebiet, dem obendrein ein ziemlich schlechter Ruf anhing. In den Evangelien finden wir ein Echo davon, dort wo es heißt: „Kann aus Nazaret etwas Gutes kommen?“ (Joh 1,46). In vielen Teilen der Welt sprechen wir selbst vielleicht auch heute noch so, wenn wir den Namen des Randviertels irgendeiner großen Stadt hören. Und doch: Gerade dort, in jenem Randviertel des großen Reiches, hat die heiligste und schönste Geschichte ihren Anfang genommen; die Geschichte Jesu unter den Menschen! Und dort lebte diese Familie.

In jener Peripherie blieb Jesus dreißig Jahre lang. Diese Zeit fasst Lukas mit den Worten zusammen: „Er [Jesus] war ihnen [Maria und Josef] gehorsam“. Man könnte sagen: Und dieser Gott, der gekommen ist, um uns zu erlösen, hat dreißig Jahre seiner Zeit in dieser dubiösen Peripherie verloren? Ja, er hat dreißig Jahre verloren. Er hat es so gewollt. Der Weg Jesu begann in einer Familie. „Seine Mutter bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen; Jesus aber wuchs heran und seine Weisheit nahm zu und er fand Gefallen bei Gott und den Menschen“ (Lk 2,51-52). Es ist keine Rede von Wundern und Heilungen, von Reden und Predigten – er hat in all dieser Zeit nichts dergleichen getan. Keine Menschenmengen drängen sich zu ihm. In Nazareth geht alles ganz „normal“ zu, im Alltag einer frommen und arbeitsamen jüdischen Familie: Es wurde gearbeitet, die Mutter hat gekocht und den Haushalt geführt, die Hemden gebügelt… was eine Mutter halt so tut. Der Vater war Tischler und brachte seinem Sohn das Handwerk bei. Dreißig Jahre lang. „Aber, Heiliger Vater, welch eine Verschwendung!“ Die Wege Gottes sind unergründlich. Aber was dort wichtig war, ist die Familie! Das war keine Verschwendung! Sie alle waren große Heilige: Maria, die Unbefleckte, die heiligste aller Frauen, und Josef, der gerechteste Mann… eine Familie.

Wir wären mit Sicherheit gerührt, zu erfahren, wie der junge Jesus das religiöse Leben seiner Gemeinde wahrnahm, wie er seinen gesellschaftlichen Pflichten nachging, wie er als junger Handwerker mit Josef zusammen arbeitete und weiter, wie er den Schriften zuhörte, die Psalmen betete und welche Gewohnheiten er im Alltag hatte. Die Evangelien in ihrem nüchternen Stil berichten uns nichts über die Jugend Jesu und überlassen diese Aufgabe unserer liebevollen Meditation. Kunst, Literatur und Musik haben versucht, diesem Weg der Fantasie zu folgen. Wir können uns nur zu leicht vorstellen, wie viel die Mütter von der Fürsorge Mariens für diesen Sohn lernen könnten! Und welchen großen Nutzen die Väter aus dem Vorbild Josefs ziehen könnten, der als gerechter Mann das Kind und seine Braut – seine Familie – in allen schweren Lebenslagen beschützt hat! Ganz zu schweigen davon, wie sehr die Jugendlichen vom Beispiel des jungen Jesus ermutigt werden könnten, die Notwendigkeit und Schönheit der Befolgung ihrer tiefsten Berufung zu verstehen und große Träume zu haben! Jesus hat in jenen dreißig Jahren seine Berufung gepflegt, derentwegen der Vater ihn gesandt hatte. Und nie in all den Jahren hat Jesus den Mut verloren; im Gegenteil ist er im Mut gewachsen, um seine Mission zu erfüllen.

Jede christliche Familie kann – wie Maria und Jesus es taten – Jesus aufnehmen, ihm zuhören, mit ihm sprechen, ihn bewahren und schützen, mit ihm wachsen; und auf diesem Weg die Welt verbessern. Lasst uns in unseren Herzen und in unseren Tagen Platz schaffen für den Herrn. So haben es auch Maria und Josef getan, und es ist auch für sie nicht leicht gewesen. Sie waren ja keine unwirkliche, künstliche Familie. Es gab viele Schwierigkeiten. Die Familie von Nazareth fordert uns auf, die Berufung und die Mission der Familie überhaupt, jeder Familie, neu zu entdecken. Und was in jenen dreißig Jahren in Nazareth geschah, kann auch für uns Wirklichkeit werden: die Liebe und nicht den Hass zur Alltäglichkeit werden lassen, die gegenseitige Hilfe und nicht Gleichgültigkeit und Feindschaft zur Norm werden lassen. Es ist kein Zufall, dass der Name Nazareth „die Bewahrende“ bedeutet – wie Maria, die „alles, was geschehen war, in ihrem Herzen bewahrte“ (vgl. Lk 2,19.51). Seit damals ist jedes Mal, wenn eine Familie dieses Geheimnis bewahrt, sei es auch am Ende der Welt, das Geheimnis Jesu, der uns retten kommt, das Geheimnis des Gottessohnes am Werk. Er kommt, um die Welt zu erlösen. Das ist die große Mission der Familie: Platz zu schaffen für die Ankunft Jesu, Jesus aufzunehmen in der Familie, in der Person der Kinder, des Ehepartners, der Großeltern… Jesus ist dort. Dort will er aufgenommen werden, damit er im Geiste in jener Familie aufwachsen kann. Möge der Herr uns in diesen letzten Tagen vor Weihnachten diese Gnade gewähren. Danke.

Aufruf – Gebet

Jetzt wollen wir einen Augenblick lang schweigen und dann möchte ich, mit einem Vaterunser, ein Gebet mit euch sprechen, für die Opfer der unmenschlichen Terrorakte, die in den vergangenen Tagen in Australien, in Pakistan und im Jemen begangen wurden. Der Herr nehme die Verstorbenen in seinem Frieden auf, tröste die Hinterbliebenen und bekehre die Herzen der Gewalttätigen, die nicht einmal vor Kindern halt machen. Lasst uns das Vaterunser singen und um diese Gnade bitten.

[Aus dem Italienischen übersetzt von Alexander Wagensommer, www.zenit.org]


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