Koch

Veröffentlicht am 2023-01-06 In Kentenich

Ein anderer Blick auf P. Kentenich: Koch

P. Elmar Busse •

Wenn man mit Methoden der qualitativen Inhaltsanalyse der Kommunikationswissenschaft oder der Keyword-Recherche aus dem Marketing an die Veröffentlichungen über P. Josef Kentenich geht, dann findet man als Bildmarke oder Logo Kentenich den schneeweißen Rauschebart, als Keywords: „baldige Heiligsprechung“, „immer“, und seit 2020: „Missbrauch“. Wir möchten in der folgenden Artikelserie einen anderen Blick auf Kentenich werfen– weder den auf den Nikolaus mit Rauschebart noch den auf den Heiligsprechungskandidaten, aber auch nicht den auf den des Machtmissbrauchs oder geistlichen Missbrauchs Verdächtigten. —

Diese Texte entstanden vor circa 30 Jahren. Der lange Atem der Kirche, die in Jahrhunderten atmet, erlaubt es uns, diese Texte mit leichten Aktualisierungen wieder zur Diskussion zu stellen. Wir erhoffen uns, jenseits der gängigen Attributionen, einen neuen, lebendigen Blick auf die vielschichtige Gründergestalt zu ermöglichen und dadurch die Neugier zu wecken, sich intensiver mit ihm zu beschäftigen. Wir meinen: Es lohnt sich! 

Sternekoch

Die Qualität von Hotels, Pensionen und Reisebussen kann man an der Zahl der Sterne ablesen. Wenn ein Reisebus mit Klimaanlage, Bar, Toilette und Fernsehmo­nitoren ausgestattet ist, dann kommen schon eine ganze Reihe Sterne zusammen. Aber auch bei Köchen der Spitzenklasse ist es üblich geworden, die Qualität der Koch­kunst mit Sternen bzw. Hauben zu versehen. Internatio­nale Wettbewerbe und eine strenge Jury entscheiden dann über das Prädikat. Auch wenn Deutschland gegenüber Frankreich in der Kochkunst aufgeholt hat — 3-Sterne-Köche bzw. -Haubenköche sind in Deutschland immer noch eine Rarität und demzufolge für Leute mit Geld und gutem Geschmack eine Attrakti­on. Da ich mich unterwegs oft mit Pizza, Bockwurst oder Sandwiches ernähre und viele Delikatessen nur aus den Beschrei­bungen der Kochbücher kenne, würde ich vermutlich die Leistungen eines solchen Koches gar nicht genügend würdigen kön­nen. Außerdem fühle ich mich in Gaststät­ten, wo das, was serviert wird, mehr wiegt als das zum Servieren benötigte Porzellan, wohler als in solchen Restaurants, wo ne­ben den 3 Tellern und 4 Bestecken eigent­lich nur noch die Lupe und die Pinzette für die Portionen fehlt.

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Nahrung für Geist und Seele

Neben der körperlichen Ernährung brau­chen aber auch unser Verstand und unsere Seele entsprechende Nahrung, damit sie nicht unterernährt sind. Schon Jesus ent­gegnet dem Versucher in der Wüste: „Der Mensch lebt nicht nur von Brot, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt“ (Mt 4,4). Und seine Jünger macht er aufmerksam: „Meine Speise ist es, den Willen dessen zu tun, der mich gesandt hat, und sein Werk zu Ende zu führen“ (Joh 4,34).

Doch ausgerechnet bei dieser Speise, auf die Jesus hinweist, stellen sich bei vielen „Verdauungsbeschwerden“ ein. Paulus spürt die Problematik und schreibt den Korin­thern: „Vor euch konnte ich aber nicht wie vor Geisterfüllten reden; ihr wart noch ir­disch eingestellt, unmündige Kinder in Christus. Milch gab ich euch zu trinken statt fester Speise; denn diese konntet ihr noch nicht vertragen. Ihr könnt es auch jetzt noch nicht; denn ihr seid immer noch irdisch eingestellt. Oder seid ihr nicht ir­disch eingestellt, handelt ihr nicht sehr menschlich, wenn Eifersucht und Streit un­ter euch herrschen“ (1Kor 3,1-3)?

Wie sieht es heute, nach fast 2000 Jahren, aus mit dem Speisenangebot und mit den Verdauungsschwierigkeiten auf geistig-seelischem und religiösem Gebiet?

Wer in eine größere Buchhandlung geht, ist oftmals erschlagen von der Fülle des Angebotes an religiöser Literatur. Rund­funk und Fernsehen übertragen Gottes­dienste und senden Vorträge zu religiösen Themen. Trotzdem müssen wir ein Sinken der traditionellen Messdaten für kirchlich eingebundene Religiosität beobachten. Die Zahlen für den Sakramenten-Empfang sin­ken, die Kirchenaustritte sind verhältnis­mäßig hoch. Andererseits erfreut sich eso­terische Literatur regen Zuspruchs; und neue Sektentempel werden vielerorts ge­baut.

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Vage Sehnsucht nach Tiefe und Erleben

Eine vage Sehnsucht nach Tiefe und Erleben, nach Gemeinschaft und Sinnfindung geht durch unser Volk, doch die Erwartungslosigkeit gegenüber den Großkir­chen, dass nämlich genau diese Bedürfnisse in der Kirche vermutlich nicht befriedigt werden, ist erschreckend. Hat sich der Ge­schmack verändert? Ist das Angebot schlechter geworden? Woran liegt es?

Die tatsächlich vorhandenen Ungerechtigkeiten in der Welt haben dazu geführt, dass das soziale Engagement einen hohen Aufmerksamkeitsgrad bekam. Doch Gewissenssensibilisierung auf diesem Gebiet ohne Vertiefung der Gottesbeziehung führt genau wieder in die Überforderung wie zu Beginn des Jahrhunderts, als die Verkündi­gung der frohen Botschaft vielfach zur Einschärfung von Ge- und Verboten verküm­mert war.

Zeichen neuen Lebens können wir in den Gemeinden beobachten, wo es zwischen dem Bemühen um eine vertiefte Gottesbeziehung in Liturgie und Gebet so­wie dem sozialen Engagement eine gewis­se Ausgeglichenheit gibt. Dort gibt es auch Jugendliche und Erwachsene, die dazugehören wollen und sich taufen lassen wollen.

In diesem sehr grobkörnigen Bild der geistigen Landschaft suchen wir den Bereich, in dem Schönstatt anzusiedeln ist.

Welche geistig-seelische Nahrung hat es anzubieten? Was ist die Spezialität des Chefkochs Joseph Kentenich? Da fällt zu­nächst die Reichhaltigkeit seiner Speisekar­te auf: er verstand es, seelisch Kranken ent­sprechende Diätkost zu geben; seelisch Ge­sunde und Belastbare konnte er für großar­tige Ziele begeistern, und er scheute sich auch nicht, ihnen den zur Verwirklichung notwendigen Preis aufzuzeigen. So heißt es z.B. in dem Gründungsvortrag vom 18.Oktober 1914:

Jeder von uns muss den denkbar höchsten Grad standesgemäßer Vollkommenheit und Heiligkeit erreichen. Nicht schlechthin das Große und Größere, sondern geradezu das Größte soll Gegenstand unseres gesteigerten Strebens sein. Sie werden verstehen, dass ich eine solche außergewöhnliche Forderung nur in Form eines bescheidenen Wunsches vorzutragen wage.“

Kostbares in einfache Sprache

In den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts kamen jährlich Tausende nach Schönstatt, um seine Vorträge zu hören und im seelsorglichen Einzelge­spräch einen väterlichen Erzieher zu fin­den, der genau das zu geben verstand, was man gerade brauchte. In Dachau gelang es ihm bei manchem seiner Mithäftlinge, die seelischen Widerstandskräfte gegen die persönlichkeitszersetzenden Torturen des Lageralltags zu mobilisieren. Zum Christsein gehört die Bejahung des Kreuzes. Dass die Erfüllung des unbegreiflichen Willens Gottes gerade in Dachau zur lebenserhal­tenden Speise werden konnte — Pater Kentenich lebte es vor und erschloss diese Überlebensstrategie auch anderen. So wur­de dank des Einflusses des Häftlings Kentenich der Glaube in so manchem Mithäftling nicht gebrochen, sondern tiefer. 1950/ 51 waren es wieder Scharen von religiös und pädagogisch Interessierten, die nach Schönstatt zu seinen Tagungen kamen.

Bei all seinen Vorträgen verwendete er eine einfache Sprache, sodass man kein Dok­tor der Theologie sein musste, um ihn verstehen zu kön­nen. Eher konnte es passieren, dass ein le­bensfremder Intellektueller die beobach­tende, forschende denkerische Leistung Pater Kentenichs unterschätzte, weil dieser seine Ergebnisse in solch schlichtem sprachlichem Gewand vorstellte.

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Und immer frisch zubereitet

In Einem waren sich die Zuhörer einig: Was ihnen Pater Kentenich servierte, war immer frisch zubereitet, wenn auch man­che seiner Beispiele so häufig auf den Tel­ler kamen wie in Süddeutschland die Spätzle und im Norden die Kartoffeln.

Vorträge und Predigten, die wie altbacke­ne Brötchen wirkten, mutete er keinem zu. Man hatte auch nicht den Ein­druck, hier hat einer ein bisschen Instant-Pulver aus einer Handreichung ins Wasser gegeben und einmal umgerührt.

Eine Zu­hörerin, die ihn in den 60er Jahren in Milwaukee erlebte, meinte: „Er verstand so zu predigen, als ob er gerade vom lieben Gott gekommen wäre und uns jetzt seine Erfah­rungen weitergeben wollte.“

Sein ausge­prägter Geschmack am Göttlichen und für das Göttliche führte auch dazu, dass er sich am 20. Januar 1942 entgegen allen Erwar­tungen und Bemühungen seitens der Schwestern und Patres gegen die Möglichkeit entschied, Dachau doch noch zu vermeiden.

Die gute Nase für das Wirken Got­tes ließ ihn auch im Sommer 1914 persönli­che Konsequenzen aus der Lektüre eines Zeitungsartikels ziehen, in dem über die Entstehung eines italienischen Marien-Wallfahrtsortes nur durch Gebete und Op­fer eines Rechtsanwaltes berichtet worden war. Andere konsumierten damals diesen Artikel und dachten höchstens für sich: „Was in Italien alles möglich ist?!“ Bei Pater Kentenich wurde dieser Artikel zum Impuls, zu fragen: Warum nicht auch hier?

Am 15. September 1968 starb dieser „Drei-Sterne-Koch“ für geistig-seelische Nah­rung. Sicher bereiten wir ihm die größte Freude, wenn wir es ihm nachmachen und den Menschen um uns Nahrung geben, die ihrer Seele guttut, damit sie wieder hoffen können.

Aber geben wir den Leuten keine Brühwürfel zum Kauen, sondern machen wir erst eine schöne Suppe daraus mit dem frischen Grün eigener Erfahrungen! Lassen wir alles, was wir sagen wollen, zuerst durch unser eigenes Herz gehen. Kochen wir mit Liebe. Schließlich sollen die ande­ren mit Freude das genießen können, was wir ihnen zubereitet haben. Und Appetit kommt beim Essen. Hoffnung wächst dort, wo Menschen ihren seelischen Hunger stillen können.

Gründerwort
„Worauf kommt es an?
Auf den göttlichen In­stinkt, auf den göttlichen Geschmack, auf die göttliche Ganzhingabe.
Der göttliche Instinkt legt überall die rechte Wertskala an;
der göttli­che Geschmack lässt uns überall Gott suchen und ’schmecken‘;
die göttliche Ganzhingabe lehrt uns, dass wir uns Gott so hingeben, wie er sich uns hingibt.“

 

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