Veröffentlicht am 2020-08-30 In Kentenich

In Milwaukee „nichts“ sein

Miguel Lasso de la Vega Zamora, Familienliga, Madrid, Spanien •

Ein heftiger Sturm ist in den letzten Wochen aufgezogen aufgrund der Untersuchung von Dokumenten, die bisher in den Archiven des Vatikans unter Verschluss waren und die unseren Gründer und die Umstände, die ihn ins Exil nach Milwaukee geführt haben, direkt betreffen. Und ich benutze hier das Wort Exil anstelle von Verbannung, weil die Trennung Pater Kentenichs von seinem Werk sowie sein Weggang von Schönstatt, dem Brennpunkt der Ausstrahlung, und dann von Europa als „Suspendierung“ betrachtet wurde, um die päpstliche kanonische Visitation nicht zu behindern. — 

Sie entsprang nicht einer formellen Anklage, sondern war ein Dekret des Heiligen Offiziums als „Verwaltungsmaßnahme“ angesichts der Weigerung Pater Kentenichs, ohne Grund aus der Leitung sowohl des Instituts der Marienschwestern als auch der Bewegung auszuscheiden. Aber wie P. Hernán Alessandri schreibt, gehorchte er „ohne zu zögern und ging“.

Wäre es nicht so gewesen, wenn Pater Kentenich freiwillig darauf verzichtet hätte, Familienoberhaupt zu bleiben, wie es der Visitator, Pater Sebastian Tromp SJ, gewünscht hatte, wäre es sehr gut möglich, dass er die Jahre des Exils vermieden hätte, aber sicherlich wäre Schönstatt nicht die Erneuerungsbewegung, die wir kennen und in die so viele von uns ihre Hoffnungen gesetzt haben.

Ein Schleier ist gefallen

Und jezt ist plötzlich ein Schleier gefallen, und zwar meiner Meinung nach mit einem providentiellen Sinn im Sinne Kentenichs. Rückblickend wissen wir, dass Pater Kentenich seit Dachau eine Zeit lang versucht hat, Schönstatt und seine Sendung auf die höchsten Ebenen der Kirche zu bringen, und deshalb sah er die Visitation positiv, weil sie ein Ereignis auslöste, das sonst viel langsamer verlaufen wäre. Auf diese Weise lernte die Kirche Schönstatt kennen, und so sollten wir heute mit den Augen des Vaters und Gründers in den gegenwärtigen Ereignissen die Beschleunigung einer besseren Kenntnis seines Beitrags zur Kirche und auch des Prozesses seiner Seligsprechung sehen.

Ein Schleier ist gefallen, betone ich, aber über neuen Überlegungen über die Gestalt Pater Kentenichs, die wir so nicht im Detail kannten, und die wir von diesem Moment an besser kennen und kennen werden, geht es bei all dem nicht etwa darum, die moralische Integrität Pater Kentenichs in Frage zu stellen, die meiner Meinung nach über jeden Zweifel erhaben ist, sondern darum, besser zu verstehen, was die Zeit der Trennung und des Kreuzes für ihn und auch für das Werk bedeutet hat und noch heute bedeutet.

Vierzehn lange Jahre

Von nun an wird uns eine genauere Beschreibung des Grundes für die Visitation, der inneren und äußeren Spannungen und Brüche, helfen, einen menschlicheren Vater zu verstehen, der vierzehn lange Jahre lang gezwungen war, als „kleines Nichts“ zu leben, wie die heilige Therese von Lisieux sagt, oder besser gesagt als „Kind vor Gott“.

Pater Kentenich war überzeugt, dass die Gottesmutter sich verherrlichen würde, wodurch Missverständnisse und Anschuldigungen aufgelöst würden. Deshalb schwieg er fast zehn Jahre lang, bis er begriff, dass der Herr ihn bat, Werkzeug seiner eigenen Verteidigung in einem Prozess zu sein, den er nachdrücklich forderte und der nie stattfand, weil er, wie ich schon sagte, nie formell wegen irgendetwas angeklagt worden war. Die Materialisierung findet sich in der großartigen Apologia pro vita mea, eigentlich ein Brief, der am 14. Februar 1960 an den Bischof von Trier, der Diözese, in der sich der Sitz der Bewegung befand, gerichtet wurde.

 

Die Apologia pro vita mea

Dieser Text, den ich dank einer notwendigerweise provisorischen Version in Spanisch lesen konnte (zur Verfügung gestellt in einem Google Drive-Repository, das von Nico Garcia aus Chile verwaltet wird. Viele Dokumente, Texte und Videos zu diesem Thema sind hier gesammelt. Wir verlinken hier auch auf die sich im Umlauf befindliche deutsche Version) war ausreichend, um zu verstehen, dass er eine Zusammenfassung, aber mit gewissen Details, der Idee Schönstatts, seiner Pädagogik, seines Beitrags zur Kirche und der Gestalt Pater Kentenichs selbst enthält.

Mit einem manchmal harten, manchmal sehr kühnen Ton begegnet Pater Kentenich mutig den moralischen und sexuellen Anschuldigungen, wie der umstrittenen „Weihe der Brust“, mit der Diskretion, die betroffene Schwester nicht zu erwähnen, oder dem Machtmißbrauch, in diesem Fall unter Berufung auf die ehemalige Generaloberin, Schwester Anna Pries, aber er weist alles zurück mit der Geschichte seines eigenen Lebens und dem Zeugnis derjenigen, die ihn kennen oder das Werk kennen. Seine Rechtfertigung, nicht ohne ihren Schmerz, weckt in uns ganz unabhänging von jeglicher Bindung an seine Person vor allem Traurigkeit angesichts der Sorge dessen, der sich gegen falsche oder aus dem Zusammenhang gerissene Anschuldigungen verteidigt.

Mit gefesselten Händen

Aber es steckt mehr in diesem Text, in diesem voluminösen Brief von komplexer Struktur, viel mehr! Da ist die Nachahmung des Guten Hirten, Jesus, auf dessen Kreuz in verschiedenen Passagen angespielt wird, das entschiedene Eingreifen Mariens, das unverzichtbare Vaterprinzip, die Idealpädagogik, die Bedeutung der Bindungen, die Konfrontation mit der Freudschen Psychoanalyse, der Weltapostolatsverband Pallottis, Teil der Geschichte Schönstatts als Familie, das Einfrieren seines Wirkens in der Kirche und die verlorene Zeit angesichts des sozialen Abdriftens und der Bedrohungen durch das Böse, sowie eine lange Reihe anderer Dinge.

Diese Apologie zu versenden bedeutete, dass Pater Kentenich von der Kurie nicht gut aufgenommen und erneut missverstanden werden würde. Pater Kentenich mag arrogant, unverschämt und unangemessen gewirkt haben, obwohl er in Wirklichkeit vom göttlichen Ursprung seiner Mission und seiner Arbeit für die Kirche am Neuen Ufer überzeugt war.

Er sah sich selbst mit gefesselten Händen, unfähig, etwas zu tun, denn das war die Prüfung, der er in dieser Zeit unterzogen wurde, in den Augen der Kirche und der Welt nichts zu sein, verlassen in Gott dem Vater.

Und er wartete

Dieses Nichtssein, dieses Niemandsein so zu leben, wie es Pater Kentenich gelebt hat, in der Tiefe zu wissen, was er dachte und fühlte, immer mit Liebe, Freude und Vertrauen, kann ein Wegweiser für alle sein, wenn die Umstände uns in ähnliche Situationen führen. Seinem Schicksal so zu begegnen, erfordert einen Todessprung, den menschlich gesehen schwierigsten eines Lebens, aber er bringt uns auf den sicheren Weg unserer Heiligung.

Pater Kentenich, davon bin ich nach dem Lesen überzeugt, wurde in Milwaukee zum Heiligen; die wichtigste Etappe seiner Entwicklung war dort. Jesus und Maria polierten in ihm die Unvollkommenheiten, die übrig geblieben waren. Er verlor nie die Gewissheit, in ihren Händen zu sein, und mit ihnen machte er diese Liebe, Freude und dieses Vertrauen transparent. Er wartete, und so wurde er fünf Jahre später mit seiner „Rehabilitation und Wiedereingliederung mit minimalem Schaden“ belohnt, wie er am Ende seiner Apologie verlangte. Es gibt kein formelles Rehabilitationsdekret, aber die Geschehnisse ab Herbst 1965 sind der Beweis, dass die Kirche zu diesem Zeitpunkt die Wiederaufnahme der Verbindung des Gründers mit seiner Gründung zugelassen hat.

 

Original: Spanisch, 27.08.2020. Übersetzung: Maria Fischer @schoenstatt.org

 

 

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