Veröffentlicht am 2019-11-17 In Kentenich

„Dann haben wir der Kirche den Weg gewiesen, wie sie in der neuen Zeit die Welt zu Christus führen kann“

DEUTSCHLAND, Maria Fischer •

„Mich beeindruckt die Weitsicht von Pater Kentenich. Da ist vieles so spannend und so aktuell“, sagt Petra Stegemann, seit der Gründung des Fördervereins Geburtshaus Pater Kentenich im Jahr 2005 dort aktiv und auch an diesem 16. November 2019 dabei, als Förderverein, Pfarrgemeinde und Schönstatt-Bewegung den Geburtstag des „größten Sohnes von Gymnich“ (Ludwig Schlömer, ebenfalls vom Förderverein) feiern.“ —

Vor dem Geburtshaus von Josef Kentenich

Es „sind mehr gekommen, als angemeldet waren“, so Pfarrer Pikos, als im Gemeindesaal von Sankt Kunibertus schnell noch ein paar Stühle und Gedecke zusätzlich herbeigezaubert werden. „Da sind heute Leute hier, die habe ich noch nie gesehen“, zeigt sich Pater Peter Nöthen erfreut. Der Schönstatt-Pater begleitet seit vielen Jahren das Leben rund um Geburtshaus und Taufkirche Pater Kentenichs und hat in Gymnich eine stille, fruchtbare Seelsorge der Bindungen entfaltet. Wenn er diese Leute nicht kennt, dann sind sie zum ersten Mal dabei, an diesem 134. Geburtstag des Gründers der weltweiten Schönstatt-Bewegung.

Kentenich berührbar

„Zahlreiche Menschen werden diesen Tag auf allen Kontinenten begehen und in Gedanken mit uns verbunden sein. Wir laden Sie ein, dieses Ereignis gemeinsam mit uns im Geburtsort Gymnich zu feiern“, hieß es in der Einladung. Die ersten Kommentare aus „allen Kontinenten“ kommen noch während der Feier über die sozialen Netzwerke, wo ein paar Fotos live gepostet wurden – aus Mexiko, Argentinien, Paraguay, Chile, Brasilien, Spanien. „Ich erkenne das ja nicht mehr wieder“, so eine Frau aus Argentinien, die vor knapp  20 Jahren mehrfach Gymnich besucht hat. Es hat sich in der Tat ungemein viel getan und verändert seitdem – der schön gestaltete Garten mit Stelen zum Leben Pater Kentenichs und einem wunderschönen Bildstock, die nachgebildete Geburtskammer an dem Ort im Haus, wo Josef Kentenich am 16. November 1885 auf die Welt kam, die Bilder der Gymnicher Künstlerin Marion Nitsche,  die Vitrine mit den Fundstücken, die der Freilegung des alten Brunnens im Hof ausgegraben wurden: Scherben von alten Tellern, Tassen, Gläsern, Flaschen, verschiedene Werkzeuge und Haushaltsgegenstände, ein Griffel…

Viele der Besucher nutzen die Zeit zum Gebet in der Geburtskammer. Original ist hier eigentlich nur der Ort, alles andere ist nachgebaut in den Zustand, wie es hier vermutlich vor 134 ausgesehen hat, ein paar Gegenstände aus dieser Zeit sind dort. Aber der Ort, der konkrete Ort, macht Kentenich berührbar, lässt diese so dramatische Geschichte der Geburt dieses wie man damals sagte unehelichen Kindes der jungen Katharina Kentenich spüren.

Nach einem Gebet am Bildstock im Garten geht es zum Pfarrheim neben der Kirche St. Kunibertus.

Nachbildung der Geburtskammer am historischen Ort auf dem Speicher

Ein Prophet mit einer Botschaft für heute

Bei Kaffee und Kuchen und lebhaften Gesprächen geht es da weiter. Pater Peter Nöthen verschenkt an alle ein Geburtstagsgeschenk, eine mit Bildern von Marion Nitsche – selbst anwesend –  und dem einzigen vorhandenen Foto von Katharina und Josef Kentenich (aus dem Jahr 1898 oder 1899) gestaltete Broschüre, die zur Begegnung mit dieser Frau einlädt.

Dr. Christian Maria Löhr, Generalrektor des Institutes der Schönstatt-Diözesanpriester, ist in den letzten Jahren immer wieder bei den Geburtstagsfeiern dabei gewesen; dieses Jahr hält er den Vortrag, der zu dieser Feier immer dazugehört. In einer mit zahlreichen langen, auch manchen alten Hasen aus der Schönstatt-Bewegung unbekannten Kentenich-Zitaten gestalteten Darbietung macht er deutlich, dass dieser Mann und seine fast hundert Jahre alten Aussagen auch für die Kirche heute brandaktuell ist.

Er nennt beispielhaft Kentenichs ständige Fühlung mit seinen Mitarbeitern, sein „nichts ohne sie“ bezogen auf die Schönstattfamilie, seine Absage an Einzelkämpfertum und seine unbedingte Priorität des Dienstes an der Sache. Der synodale Weg der Kirche Deutschlands (und der Welt, siehe Papst Franziskus) klingt da auf einmal gar nicht mehr so neu.

Er zeichnet Pater Kentenich als einen herzlich liebenden Menschen, der sein Herz einsetzt für diese Familie, diese kleine Kirche, die er aufbaut. Auf der Suche nach einer herzlichen Kirche, so Löhr, sei ein Blick auf Kentenich hilfreich und anregend.

Ein Gründer, ein Priester, der nicht so sehr im Selfie-Modus lebt, sondern sich zurücknimmt und das Seelenleben der Menschen als Erkenntnisquelle schätzt, der im Leben der konkreten liest und nach Jahren noch weiß, was von dem und jenem in sein eigenen Leben und in das Schönstatts hineingekommen ist. Können wir das von unserem Leben sagen?

Pater Peter Nöthen mit der neuen Broschüre

„Dann verliert die Kirche die moderne Menschheit“

Beim letzten langen Zitat aus einem Vortrag 15 Jahre nach der Gründung Schönstatt (18.10.1928) wird es dann auch dort, wo die Kugelschreiber sinken gelassen worden waren, lebendig. Dr. Löhr lässt Pater Kentenich zu Wort kommen und es klingt wie heute gesagt:

Alle religiösen Strömungen, die nicht wenigstens auch auf den  Schultern des Weltklerus ruhen, werden im Laufe der Zeit zur Unfruchtbarkeit verurteilt. Darum spielen die Weltpriester in unserer Bewegung solch große Rolle. Es kommt hinzu, dass sie heute mitten in einer heidnisch infizierten Welt leben müssen. Deshalb schweben sie ständig in Gefahr, vom heidnischen Zeitgeist angekränkelt zu werden. Darum gilt es, auch sie zu sammeln und sie hier in unserem Heiligtum unter den Einfluss der lieben Gottesmutter zu bringen. (…)

Soll von hier aus, soll von unserem Heiligtume aus das Schicksal der Kirche wirklich tiefgreifend in der heutigen Lage beeinflusst werden, dann müssen wenigstens noch zwei andere große Gnadenströme von hier aus – alles bewässernd und befruchtend – in die weiten deutschen, in die weiten europäischen Lande hinausfließen.

Ähnlich, wenn auch nicht so stark wie von den Priestern, aber doch in verhältnismäßig große Ausmaße, hängt das Wohl der Welt von der Frau ab. Und wer die heutige Zeit kennt, der weiß, wie die Frauennatur bis in  die tiefste Wurzel angekränkelt und deshalb ins Wanken geraten ist.

Wir stehen vor einer neuen Epoche in der Geschichte. Weite und weiteste katholische Kreise sehen das bereits ein. Wenn wir es als Katholiken nicht fertigbringen, den neuen Typ Mensch, den die Neuzeit seit Erfindung der Dampfmaschine hat werden lassen, in die Hand zu bekommen und ihn zu formen, dann verliert die Kirche – menschlich gesprochen – die moderne Menschheit.

In der originellen Weise, wie wir uns erziehen, kann auch der neue Mensch, der am Horizont der Zukunft langsam sichtbar wird, innerlich erfasst und spezifisch christlich geformt werden. Ob Sie verstehen, was ich sagen will? Ich mag mich nicht zu weit vorwagen; ich will nicht alles sagen was ich sehe und denke; will aber doch sagen: Wenn wir es fertig bringen, den neuen Typ Mensch nach unserer Weise christlich zu gestalten und innerlich für Gott zu gewinnen, dann haben wir der Kirche den Weg gewiesen, wie sie in der neuen Zeit die Welt zu Christus führen kann.

Ich habe die Ahnung, als ob wir später weitergehen müssten, als ob unsere Erziehungsgrundsätze und unsere Erziehungsmethoden auch geeignet wären, den Mann der Neuzeit zu formen und der Kirche zu schenken.

Gerade das Gesetz, das wir so stark in den Vordergrund rücken: Freiheit soweit als möglich, Bindung nur soweit als nötig, dafür aber umso mehr Geistpflege ist, so wie ich es sehe, künftig wohl allein fähig, als Dreikönigsgestirn die moderne Menschheit wieder nach Bethlehem zu führen, wo es über dem Stall stehen bleibt, bis alle, die von ihm dorthin geführt werden, niederknieen und anbeten.

Ich glaube, wenn später gelehrte Fachleute einmal die Zeitgeschichte schreiben und wir dürfen darinnen lesen, was aus dem kleinen Pflänzchen geworden ist, das hier in das Erdreich gesenkt wurde, und wenn wir wahrnehmen, wieviel Wesentliches von unserem Heiligtume aus zur Rettung der Zeit beigetragen worden ist: dann wundern wir uns, dass wir einfältige und schlichte Menschenkinder die Mitträger dieser großen Erneuerungsbewegung gewesen sind, oder dass so ganz aus der Stille, aus der Einsamkeit, scheinbar fast von selber Dinge geworden und gewachsen sind, wonach die heutige Zeit sich sehnt, wie der Verdurstende nach dem erfrischenden Wasser. Sie wissen gar nicht, dass und in welchem Maße Sie selber einen ganz neuen Typ Mensch darstellen.“

18.10.1928 (Vortrag an Marienschwestern)
Gymnich 2019

Aufmerksames Zuhören

Tauferneuerung an dem Ort, an dem alles begann

Ein Höhepunkt der anschließenden heiligen Messe in der Pfarrkirche, bei der die ersten Reihen von den Kindern eingenommen werden, ist die Tauferneuerung am Taufbecken, an dem am 19. November 1885 Josef Kentenich getauft wurde. Eigentlich hat alles hier begonnen, alles. Hier ist der Ursprung des Liebesbündnis, im Taufbund Gottes mit diesem Kind, auf das so viele verächtlich herabgeschaut haben wegen seines „defectum natalis“, wie man auch in Schönstatt lange hinter vorgehaltener Hand sagte, der unehelichen Herkunft.

Mit den Kindern und Messdienern ziehen die Zelebranten zum Taufbecken, erneuern alle Anwesenden die Taufversprechen.

Auch in glaubensferner Zeit, so hatte Dr. Löhr in der Predigt gesagt, dürften wir dankbar sein und Dankbarkeit pflegen, und nicht vergessen, dass Gott auch heute die Geschicke der Welt leitet, und zwar durch uns.

Und es geht sein Vorschlag mit in den Abend und vielleicht noch weiter, die eigenen Bilder rund um das große Bild dieses Josef Kentenich zu denken, weil wie er auch wir, jeder, gerufen und befähigt ist, im Taufbund die Geschicke von Welt und Kirche wesentlich mitzuentscheiden. Wirklich.

Gymnich 2019

 

 

Fotoalbum zum Durchklicken – 16.11.2019, Gymnich

Gymnich 16.11.2019

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