Veröffentlicht am 2019-02-03 In Kentenich

Briefe an Josef Fischer – nicht nur ein Dokument der Gründungszeit

DEUTSCHLAND, Maria Fischer •

„Ich glaube, Sie sind es der Ehre unserer himmlischen Mut­ter schuldig, uns alle Ihre Erlebnisse, bei denen Maria eine Rolle spielt, mitzuteilen. Was brauchbar ist, werde ich veröf­fentlichen zur Ehre Mariens und zur Anregung für alle So­dalen. So finden Sie in der neuen ‚Fahne’’  einige Teile von Briefen, die Sie und andere Sodalen geschrieben. Also gelt?! Helfen Sie mir weiter, unsere und fremde Sodalen zu erzie­hen.“ Ein Brief von Josef Kentenich an Josef Fischer, den Präfekten der Schönstätter Studentenkongregation vom 21. März 1915, genau 100 Jahre vor dem Relaunch von schoenstatt.org in neuem Design und noch stärker geschärftem Profil als bewusst nicht offiziellem Medium, sondern freier kommunikativer Initiative im Dienst des Lebens der weltweiten Schönstattfamilie nach dem Modell jener Zeitschrift „MTA“, die kaum zwei Jahre nach der Gründung Schönstatts die Vielfalt und Verschiedenheit von Leben und Lebensströmungen feiert und fördert.

Aus diesem Brief an Josef Fischer und den darin wiedergegebenen Vorgängen geht hervor, dass Josef Kentenich sowohl die Verwendung von authentischem Briefmaterial, in dem persönliche Erfahrungen und Erlebnisse wiederge­geben werden, wie das publizistische Verbreiten von  religiösen Alltagser­fahrungen und „Schönstattideen“ bereits mindestens ein Jahr vor der Herausgabe der Zeitschrift MTA konzipiert hatte und in kleinem Rah­men praktizierte und experimentierte. Als er dann im März 1916 die Zeitschrift MTA startete, wusste er, dass er zwar etwas Neues – „Avantgarde des II. Vatikanischen Konzils“ nennt es 1997 Prof. Dr. Westerbarkey, Dekan der Fakultät für Publizistik- und Kommunikationswissenschaften der Universität Münster -, aber bereits Erprobtes auf den Markt bringt. Ein Produkt, das nicht nur von den etwa 180 Schönstättern, die es damals gab, angenommen wurde, sondern auch von der Jugend, deren Leben in den Schützengräben des Weltkrieges  vergeudet wurde und die begierig nach der in der MTA verbreiteten Hoffnung aus dem realen Leben griff.

Und Kentenich riskiert Freiheit, riskiert in der Zeitschrift MTA freie Meinungsbildung zu durchaus relevanten Themen wie etwa dem Vorschlag, das „Kapellchen“ abzureißen und durch eine würdige, große Kirche zu ersetzen. Er weiß, dass das gefährlich sein kann, dass der winzig kleine nicht hinterfragte Konsens als Grundlage freien Spiels des Lebens vielleicht bröckeln könnte. Das sagt er auch seinem Präfekten, der das eine oder andere Mal mit aller Gewalt und Liebe einen Vorschlag für alle verbindlich machen möchte. Denn es gibt eine viel größere Gefahr, die Kentenich um jeden Preis und bis zum Ende seines Leben meiden will und wird: die von „amtlichem“ Eingreifen, von Uniformierung und Gleichmacherei, von Übergriff des „Offiziellen“ auf den freien Raum, in dem Leben, Kreativität, Eigeninitiative, Entscheidungen und vor allem Hochherzigkeit gedeihen. Viel später wird er versuchen, das Zusammenspiel von offizieller und freier Gemeinschaft zu verankern, etwa im Zusammenspiel von offizieller und freier Gemeinschaft in den Bünden, wohl wissend, dass es damit nicht getan sein würde, um den für sein Schönstatt so lebenswichtigen freien Raum zu schützen und zu sichern.

„Sachlich und lebenswahr“

Auch wenn Josef Fischer mit dem einen oder anderen seiner Vorschläge im Prozess der freien Meinungs- und Willensbildung nicht erfolgreich war, er wusste wie kaum ein anderer, wie wichtig dieser war und wie sehr dieses so neue Gebilde, das damals noch gar nicht Schönstatt hieß, nicht auf Anweisung, sondern auf gegenseitige Anregung aufgebaut war. Er schreibt am 14. April 2016:

„Wie wir im Felde dies Werk der Heimat [= die Zeitschrift MTA, Anm. d.V.] fördern können? Natürlich ordentlich hin­eindenken und -leben in den Geist, der daraus uns entge­genweht, alles, was vorgeschlagen und besprochen wird, wieder durchdenken, mit unseren Erfahrungen vergleichen, die Konsequenzen ziehen und dann ein vollständig offenes Aus­sprechen der Kongregationsleitung gegenüber. Dadurch wird die Verbindung am besten möglich und sie bleibt sach­lich, lebenswahr.“ (Josef Fischer, 13.4.1916, MTA 1 (1916/ 1917), Nr. 6: 24)

Briefe an Josef Fischer jetzt für alle zugänglich

Der Geistliche Leiter des Schönstattzen­trums Marienfried Dr. Peter Wolf hat die Briefe Pater Kentenichs veröffentlicht, die dieser in der Zeit des Ersten Weltkrieges und danach an Josef Fischer geschrieben hat. Ein Schatz im Acker, der endlich ausgegraben und der gesamten Schönstattfamilie – momentan zumindest der deutschsprachigen – zur  Verfügung gestellt wird.

„Diese Briefe sind ein kostbares Zeugnis für das große Vertrauen, das Pater Ken­tenich dem damals noch jungen Josef Fischer entgegengebracht hat. Sie zeigen auf vielfältige Weise, wie Pater Kentenich geistliche Begleitung oder Seelenführung, wie man das damals nannte, verstanden und aus­geübt hat. Sie geben immer wieder Einblicke, wie Pater Kentenich Mitverantwortung wecken konnte und einen jungen Schüler und Studenten als Mitarbeiter auf Augenhöhe beteiligt und gewertet hat. Sie machen deutlich, wie feinfühlig und wertschätzend er auf seine Nöte und Fragen eingehen konnte und ihn in großer Treue über Jahre begleitet hat“, so Dr. Wolf.

Kentenich-Abende im Schönstatt-Zentrum Oberkirch

„Seit Mitte 2017 gibt es in unserem Seminar- und Bewegungshaus Marienfried Kentenich-Abende. Anlass war die Veröffentlichung der Vorträge vom Besuch Pater Kentenichs 1967 in Oberkirch. Seither treffen sich immer wieder Interessierte zur gemeinsamen Lektüre und zum Gespräch. Im Jahr 2019 werden die Kentenich-Abende sich mit Briefen des Gründers befassen, die er Josef Fischer geschrieben hat. Josef Fischer war der erste Präfekt der Marianischen Kongregation, die der Spiritual P. Kentenich mit den Jungen in Schönstatt gegründet hat. Fischer war von dem geistlichen Aufbruch um den jungen Pater Kentenich so fasziniert, dass er seinen Studienkollegen in Freiburg davon immer wieder erzählte und in der Erzdiözese Freiburg 1919 die erste Schönstattgruppe begonnen hat“, so Dr. Peter Wolf, der Geistliche Leiter des Schönstattzentrums Marienfried in Oberkirch.

Dr. Wolf beteiligt sich wie bisher gern an den Kentenich-Abenden und stellt sich den interessierten Rückfragen, die sich aus der Lektüre ergeben.

Als Redaktion von schoenstatt.org danken wir Dr. Wolf sehr herzlich für die Veröffentlichung dieser Briefe.

Dr. Peter Wolf (Hrsg.)

Mein lieber Präfekt!
Briefe an Josef Fischer aus der Gründungszeit Schönstatts
Patris Verlag
ISBN: 978-3-946982-07-4

 

 

 

 

 

 

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