Veröffentlicht am 2017-04-09 In Kentenich

Eine persönliche Beziehung mit dem Gründer, die zur Begegnung mit seiner Väterlichkeit und seinem Prophetentum führt

Interview mit P. Ángel Strada, bis Januar 2017 Postulator im Seligsprechungsprozess für Pater Josef Kentenich •

Es gab unmittelbare Reaktionen, die als Kommentare auf schoenstatt.org erschienen. Andere Echos haben mich persönlich erreicht. Viele brachten zum Ausdruck, dass das Aufzeigen menschlicher Züge des Vaters und Gründers ihnen geholfen habe, seine Person mehr zu schätzen. Und dass dies verhindere, aus dem Gründer einen Mythos zu machen. Dass ein einseitiges Betonen seiner heroischen Tugenden und seines untadeligen Lebens manchmal ein Hindernis sei, um sich mit ihm identifizieren zu können. Sie dankten dafür, dass ich in meiner Eigenschaft als Postulator die menschlichen Aspekte dargestellt habe. Einige andere hatten den Eindruck, dass ich diesen Aspekt überbetont habe und erklärten mir, dass sie sich ein stärkeres Herausstellen der Tugenden und Verdienste Pater Kentenichs erwartet hätten.

 

  • Pater Kentenich spricht von einem Ideal der Heiligkeit, das nicht viel zu tun hat mit einem perfekten Leben ohne Fehler und Irrtümer. Er spricht von Werktagsheiligkeit und davon, dass der heutige Mensch nichts anfangen kann mit Heiligen, die schon in den Windeln heilig waren; dass er einen Heiligen sehen will, der gekämpft hat, der Niederlagen erlitten hat wie er selbst und der in der Liebe Gottes wieder aufgestanden und vorangegangen ist. Das hat viel zu tun mit der „verunglückten Kirche“, von der Papst Franziskus immer wieder spricht. Wie entspricht Pater Kentenich diesem Ideal der Heiligkeit?

Schon im November 1912 zeigt Pater Kentenich in seinen Vorträgen an die Sodalen ein sehr realistisches Ideal der Heiligkeit. Er sagt, die Heiligen seien bekannte Persönlichkeiten der Menschheit, die die gleichen Hindernisse überwinden mussten und denen die gleichen Mittel zur Verfügung standen wie uns allen, um ein sehr hohes Ideal zu erreichen. Dass sie in ihrem Leben die Last der Sünde gespürt haben, Mängel und Fehler überwinden mussten, und mit Hilfe der Sakramente und eines intensiven Gebetslebens ihr Leben geheiligt haben. Das entspricht seiner eigenen Erfahrung. Die schweren Jahre der Kämpfe während seines Noviziates und im Priesterseminar lehrten ihn, dass die bedingungslose Nachfolge Christi immer die vertrauensvolle Annahme der persönlichen Grenzen, der Niederlagen und der Suche beinhaltet. Er wusste das auch aus dem Leben des Heiligen Paulus, des heiligen Augustinus, Franziskus, Ignatius, die zur Heiligkeit wuchsen nach dem Überwinden von „verunglückten“ Lebensphasen. Ich habe keinen Zweifel, dass Papst Franziskus nach Heiligkeit strebt und es beeindruckt mich persönlich, wie er öffentlich sich immer wieder als Sünder bekennt.

  • Wir haben mit vielen Menschen in Schönstatt und Rom 100 Jahre Liebesbündnis gefeiert. Wie sehen Sie konkret das Schönstatt des zweiten Jahrhunderts? Nehmen Sie eine Lebensströmung im Sinne der Kriterien des Gründers wahr?

 Ich denke, dass die Feier des Jubiläums in vielen die Sehnsucht nach einem missionarischen Schönstatt mit lebendiger Präsenz in Kirche und Gesellschaft geweckt hat. Neue Lebensströmungen sind entstanden, andere wurden gestärkt. Ich denke an die Kampagne der Pilgernden Gottesmutter, an  Initiativen wie die Familien-Akademie, die sozialen Projekte in vielen Ländern, die Schulen, die sich an der Pädagogik Pater Kentenichs orientieren, usw. Alle sind sehr wertvolle Möglichkeiten der Konkretisierung seiner Botschaft.  Die apostolischen Projekte verhindern, dass Schönstatt sich auf eine rein spirituelle Bewegung reduziert. Und irgendwie konkretisieren sie die prophetische Vision des Gründers: „Im Schatten des Heiligtums werden sich die Geschicke der Kirche wesentlich mitentscheiden.“

  • Manchmal scheint es, dass wir Pater Kentenich auf ein paar Sätze aus dem sogenannten Vatertelefon  reduzieren oder auf den netten Mann mit dem weißen Bart, der vom Himmel herunterlächelt, oder auf das Beten um ein Wunder für seine Heiligsprechung. Wie lässt sich verhindern, dass aus Pater Kentenich einer von vielen anderen Heiligen wird?

Es ist klar, dass die Fülle des Lebens und des Charismas von Pater Kentenich sehr viele Möglichkeiten der Begegnung mit ihm bietet. Die Tausende von Zeugenaussagen von seinem Ruf der Heiligkeit reichen von einer deutschen Oma, die ihn angerufen hat, um ihre Autoschlüssel zu finden bis zu einem Mitglied der deutschen Regierung, der bei einem „zufälligen“ Besuch am Grab Pater Kentenichs den Entschluss fasste, Hilfe bei der Überwindung seiner Glaubenszweifel zu suchen und zum  praktizierenden Glauben zurückzukehren. Wichtig ist, dass jeder Schönstätter eine persönliche Beziehung mit dem Gründer pflegt, die ihn zur Begegnung mit seiner Väterlichkeit und auch mit seinem Prophetentum führt. Pater Kentenich hat nicht nur auf heroische Weise die christlichen Tugenden gelebt, sondern war auch Träger einer Botschaft der Erneuerung. Und diese Botschaft ist uns anvertraut.

Auf der Rückkehr vom Exil
  • Viele fragen nach den Schriften Pater Kentenichs, wie dem Brief vom 31. Mai, die noch nicht allen frei zur Verfügung stehen. Auf der anderen Seite fällt auf, dass das, was wir haben, beispielsweise der Kentenich-Reader, oft nicht bekannt ist oder nicht gelesen wird. Wie können wir Pater Kentenich so studieren, dass wir uns mit seinem Geist erfüllen und nicht abhängig sind von dem berühmten „Man hat uns gesagt, dass P. Kentenich gesagt hat…“?

Ich denke, wer sich das Charisma des Vaters und Gründers zu Eigen machen möchte, steht vor der Aufgabe, es zu kennen, um es leben und anderen weitergeben zu können. Mehr noch, weil der Gründer selbst immer wieder darauf hingewiesen hat, dass es sich nicht um ein „privates“ Charisma handelt, sondern um ein Erbe der gesamten Familie. Eine gute Erfahrung besteht darin, ein anregendes Thema zu wählen und in den verschiedenen Schriften das Denken Pater Kentenichs dazu zu suchen. Es wäre wünschenswert, dass sich Studienzirkel bilden, um dieses Denken zu vertiefen und es in Dialog mit anderen Autoren zu bringen. Oder etwas dazu zu  veröffentlichen. Viele von uns haben den Eindruck, dass wir neue Wege finden und neue Initiativen entwickeln müssen, um das geringe Wissen und die kaum vorhandene Präsenz von Denken und Werk Pater Kentenichs in kirchlichen Kreisen zu überwinden.

  • Wie erklären Sie sich die auffallende Ähnlichkeit zwischen dem Kirchenbild, das Papst Franziskus verkündet, und dem von Pater Kentenich? Und: Können wir noch von Pater Kentenich als Propheten und Schönstatt als Erneuerungsbewegung sprechen, wenn die Kirche in der Ära Franziskus auf das gleiche Ziel zuläuft, das Pater Kentenich gesetzt hat, aber schneller als wir Schönstätter?

Ich denke, dass die Person und das Lehramt von Papst Franziskus eine deutliche Bestätigung des prophetischen Charismas des Vaters und Gründers sind. Es stimmt, dass er schneller auf das Ziel  hinzueilen scheint als wir. Doch er hat seinen Aufgabenbereich und wir den unseren. Beide im Dienst am Gottesvolk. Wir dürfen nicht vergessen, dass das Lehramt des Papstes  nicht alle seine Früchte bringen kann, wenn es nicht Menschen und Gemeinschaften gibt, die es im konkreten Leben der Kirche verkörpern. Der Papst selbst hat uns gebeten, dass wir nicht für uns bleiben, dass wir das, was wir zum Weitergeben empfangen haben, nicht in die Vitrine stellen. Er hat uns bei der Audienz 2014 gesagt, dass das Charisma kein Museum-Objekt ist, das wir in einen Glaskasten sperren. Schon viel früher, im Jahr 1985, hat uns Johannes Paul II. daran erinnert, dass wir gerufen sind, „an der Gnade, die euer Gründer erhalten hat, teilzuhaben und sie der ganzen Kirche anzubieten.  Denn das Charisma der Gründer erweist sich als eine geistgewirkte Erfahrung, die den eigenen Schülern überliefert wurde, damit sie danach leben, sie hüten, vertiefen und ständig weiterentwickeln, und zwar in der Gemeinschaft und zum Wohl der Kirche, die ja selbst aus der immer neuen Treue zu ihrem göttlichen Gründer lebt und wächst.“ Es darf nicht eine der vier Aufgaben fehlen, die der Heilige Vater nennt: das Charisma leben, bewahren, vertiefen und entfalten.

 

  • Was war die schwierigste Aufgabe während Ihrer Arbeit für den Seligsprechungsprozess von P. Kentenich?

Eine Aufgabe, die sehr viel Zeit und Arbeit verlangt hat, von mir und vielen anderen, die mitgearbeitet haben, war die Klassifizierung und Einteilung der riesigen Menge von Schriften des Gründers: Tausende von Briefen und Vorträgen, Exerzitien, Predigten, Studien zu verschiedenen Themen. Wozu noch die Schriften zu seiner Person und seiner Gründung kamen. Pater Kentenich hatte ein langes Leben und hatte eine ungewöhnliche Arbeitskraft. Darüber hinaus war man schon sehr früh darauf bedacht, seine Worte festzuhalten. Die Erarbeitung eines Index der über 30.000 Schriften, die sich in den verschiedenen Archiven befinden, aus denen die Historikerkommission 8.000 auswählte, die in die Dokumentation des Seligsprechungsprozesses aufgenommen werden und in der Originalsprache der Kongregation für die Selig-und Heiligsprechungen vorgelegt werden sollten.

  • Zum Schluss die typischen Journalisten-Fragen bei einem Interview mit einer „Berühmtheit“ – die glorreichen sieben Punkte, jedoch im Blick auf Ihre persönliche Beziehung zu Pater Kentenich:
  • Ein Buch: La propuesta evangelizadora de Schoenstatt (Schönstatts Evangelisierungs-Empfehlung)  von P. Hernán Alessandri)
  • Ein Satz: „Die Hand am Pulsschlag der Zeit und das Ohr am Herzen Gottes.“
  • Ein Datum: 18. Oktober 1914
  • Ein Foto: Pater Kentenich mit Papst Paul VI. am 22. Dezember 1965
  • Eine Geste: der Besuch von Pater Kentenich bei Bischof Stein nach dem Exil in Milwaukee
  • Eine Frage an ihn: Wie haben Sie es geschafft, sich innerlich mit Ihrem Vater zu versöhnen?
  • Ein Traum: Seine Heiligsprechung

 

 

Die Fragen wurden von Mitarbeitern von schoenstatt.org aus Argentinien, Spanien, USA und Deutschland zusammengestellt.

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Original: Spanisch. Übersetzung: Maria Fischer, schoenstatt.org

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Wir müssen verzichten auf ein Bild unseres Gründers, wo alles vollkommen ist

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