Führung in Dachau

Veröffentlicht am 2023-03-26 In Kentenich, ZeitGeschichte

Vor achtzig Jahren in Dachau

DEUTSCHLAND, Schw. M. Elinor Grimm •

Im Gedenken an die erste heilige Messe, die Pater Kentenich seit der Einlieferung ins Konzentrationslager – über ein Jahr zuvor- am 19. März 1943, seinem Namenstag in der einfachen Lagerkapelle in Dachau feiern durfte, versammelte sich am Sonntag, 19. März 2023, eine kleine Schönstattgruppe in der KZ-Gedenkstätte. —

Ausgehend vom Sonntagsevangelium, der Heilung des Blinden, regte Pater Frank Riedel in seiner Predigt an, dass auch wir uns immer wieder fragen, ob wir offene Augen für die Not um uns herum haben oder wie die Pharisäer damals nur unsere eigenen Interessen sehen und so auf andere Weise „blind“ sind. Eine besondere Note erhielt der Gottesdienst dadurch, dass der Zelebrant zum ersten Mal in der Karmelkirche zelebrieren konnte.

Dachau, „Modell“ für alle weiteren Konzentrationslager der Dritten Reichs

Wie sehen wir diesen schrecklichen Ort, das ehemalige Konzentrationslager Dachau? Es war das erste Konzentrationslager, mit dem vor genau 90 Jahren der Terror des NS-Regimes in ganz Europa verstärkt wurde. In Dachau wurde zunächst das Modell für alle weiteren Konzentrationslager entwickelt. Auf mehreren Schautafeln wird dies in der neuen Sonderausstellung über die frühen Lager anschaulich dargestellt. Neunzig Jahre Dachau: das Thema wurde auch weit über Deutschland hinaus in den Medien aufgegriffen.

Am 22.3.2023 wurde in der Haftanstalt Landsberg mit einem ökumenischen Gottesdienst an den Beginn dieses Terrors erinnert. Die ersten politischen Häftlinge, die in das KZ Dachau eingeliefert wurden, kamen aus Landsberg.

Sonderausstellung in Dachau: Auftakt des Terrors

Sonderausstellung in Dachau: Auftakt des Terrors  | Foto: Grimm

Achtzig Jahre danach: Was machen wir mit den Ereignissen von Dachau?

Für uns als Schönstätter ist es eine besondere Herausforderung, einerseits zu wissen, zumindest zu ahnen, was für schreckliche Zustände dort herrschten, und andererseits zu fragen, was können wir daraus lernen, was will uns Gott damit sagen? Pater Frank Riedel zitierte ein Lied von Huub Osterhuis. Darin fragt er: „Werde ich dich mit neuen Augen sehen?“ Es gehe darum, Gott zu suchen. Ihn zu entdecken auch in den Umbrüchen und Verwirrungen unserer Zeit.

Solche Suchenden waren auch die beiden politischen Häftlinge, die vor 85 Jahren aus Österreich ins Konzentrationslager Dachau kamen. Dort durften sie später Pater Kentenich begegnen. Bei der Führung am Sonntag wurde an diese beiden Schönstätter, Dr. Edi Pesendorfer und Dr. Fritz Kühr erinnert. Mit ihnen hat Pater Kentenich am 16. Juli 1942 das Wagnis der Gründung von zwei Intensiv-Gemeinschaften auf den Weg gebracht: das Institut der Schönstatt-Familien und das Institut der Marienbrüder. Auch dieses Wagnis ist ein Beispiel dafür, wie der Gründer diese schreckliche Zeit nicht nur durchgestanden und ertragen hat, sondern wie er in jeder Situation nach dem Willen Gottes fragte. Wie er unter unmenschlichen Bedingungen versuchte, seine Würde und die der anderen zu wahren. Wie er immer wieder Hoffnung weckte, Freude schenkte und vor allem durch seine Worte den Glauben der Mitgefangenen stärkte. Pater Frank zeigte, wie Pater Kentenich versuchte, inmitten der Hölle des Konzentrationslagers Himmel erfahrbar zu machen. Spürbar wurde dies in kleinen Momenten des Miteinanders, z.B. im intensiven Zuhören. Davon spricht auch das Heimatlied, das vor 80 Jahren im Konzentrationslager entstanden ist. In ihm stellt Pater Kentenich seiner geistlichen Familie das Ideal menschlicher Gemeinschaft vor Augen.

In dem Buch „Häftling“ lesen wir (S. 195):

„Pater Kentenich selbst hat, als er nach dem Krieg auf das Heimatlied zu sprechen kam, darauf aufmerksam gemacht, ja, nicht zu übersehen, dass es im Konzentrationslager entstanden sei, auf wahrhaft dunklem Hintergrund: ‚Auf diesem dunklen Hintergrund leuchtet nun das Heimatlied, da leuchten die großen Sterne, die mir immer vor Augen standen und die ich gerne durch die Bewegung verwirklicht hätte‘.“

Führung in Dachau

Foto: Pfaffenzeller

„Schwarzpost“

Nachdem seine offiziellen Briefe nach einem halben Jahr nicht mehr in Schönstatt ankamen, hat P. Kentenich sich am Fest Maria Verkündigung 1943 entschieden, Post auf anderem Weg zu schicken: Schwarzpost.

Er wählte immer den sichersten Postweg, benutzte zur Tarnung andere Namen – für sich den des Völkerapostels Paulus – schrieb nicht selbst, sondern diktierte drei Schreibern. Die meiste Post ging über die damalige Plantage nach draußen. Dorthin war Pater Fischer am 25.3.43 versetzt worden. Über den kleinen Laden, der sich auf dem Gelände befand – das Häuschen steht noch! -, später, als dies zu gefährlich wurde, über den Nachbarort Hebertshausen. Es wurde nie etwas entdeckt.

Osterglocken vor den zerfallenden Gewächshäusern

Osterglocken vor den zerfallenden Gewächshäusern

Eine eigene Führung für einen Schönstätter aus Costa Rica

Sehr dankbar war am darauffolgenden Mittwoch, 22. März, ein Schönstätter aus Costa Rica, Familienbundkandidat, dass er kurzfristig noch eine eigene Schönstatt-Führung bekam, sogar auf Spanisch. Frau Ilse Keßler aus München hatte sich bereit erklärt. In einer Mail bedankte er sich später überschwänglich.

Namen statt Nummern

Am Abend fand in Dachau die jährliche Veranstaltung des Gedächnibuches „Namen statt Nummern“ statt. Wie vor der Corona-Pandemie war die Karmeliterkirche Schauplatz der Veranstaltung. Die neuen Seiten wurden vorgestellt und signiert. Es waren beeindruckende Biographien, für die Erwachsene und Jugendliche viel recherchiert hatten. Für das große Interesse der Realschüler an seinem Vater bedankte sich der Sohn des politischen Häftlings Karl Frey aus Abensberg ausdrücklich. Dieser war fast die gesamte Zeit der Naziherrschaft im Konzentrationslager, ein Überlebender! Der Sohn zitierte aus dem Tagebuch des polnischen Geistlichen Adam Kozslowiecki SJ („Not und Bedrängnis“, Lagertagebuch). Dieser lobte das vorbildliche Verhalten des kommunistischen Häftlings gegenüber den Geistlichen. Frey war eine Zeit lang als Funktionshäftling für die Betreuung der Geistlichen eingesetzt. Die Demokratie nicht als etwas Selbstverständliches hinzunehmen und sich für sie einzusetzen, regte sein Sohn an. (www.gedaechtnisbuch.org)

In München waren an diesem Abend christliche Gemeinschaften des Netzwerkes „Miteinander für Europa“ in der Matthäuskirche zum Gebet versammelt. Auch Schönstätter nahmen teil. Vom 22.-24.3. 2023 traf sich in München das europäische Leitungskomitee. 2001 – vor mehr als 22 Jahren – wurde in dieser Kirche das „Bündnis der gegenseitigen Liebe“ geschlossen. Es sollte nun erneuert werden. Ein starkes Zeichen in Blick auf die Geschenisse vor achtzig Jahren und die aktuellen Entwicklungen.

Ehemalige Plantage

Ganz vorne links sieht man die Verkaufsstelle, damaliger Laden im Bereich Kräutergarten – dieser Teil wird von der Stadgärtnerei Dachau genutzt, gepflegt – der restliche Teil verfällt

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