Veröffentlicht am 2019-02-03 In Projekte

Wahrscheinlich werden wir nächstes Jahr wieder an so einem Familienwochenende teilnehmen

DEUTSCHLAND, Stephan und Rebecca Jehle/mf •

Vor ein paar Wochen gab es im Schönstatt-Zentrum in Aulendorf ein Familienwochenende mit acht Familien, gestaltet wurde es von den Familientrainern Rebecca und Stephan Jehle (Familienfoto oben). Darüber hätten alle Arten interessanter Artikel geschrieben werden können. Und dann wurde einer auf dem Blog einer Teilnehmerin veröffentlicht.  Den bringen wir hier, mit Erlaubnis der Verfasserin. Ganz anders. Sehr anders und sehr gut.—

Hier der Bericht (und mehr) von Dagny Locher im Original:

Was für mich als Außenstehende etwas Besonderes an dieser Schönstatt-Bewegung ist, ist die Art und Weise, wie die Mitglieder ihr Leben lang begleitet werden – angepasst an die entsprechende Lebenssituation.
Mein Mann ist katholisch. Katholisch sind viele, ich weiß. Aber er meint es tatsächlich ernst damit. Als wir uns kennenlernten, hatte ich Bedenken, ob das gut gehen kann. Ich würde mich nicht unbedingt als Atheist bezeichnen. Ich habe kein Bedürfnis, die Existenz Gottes abzustreiten. Es ist mir nämlich schlichtweg egal. Das ist vielleicht eigentlich noch schlimmer. Unsere einzige Schnittmenge bei dieser Thematik: Die historische Person Jesus. Er beeindruckt mich. Wenn nur ein Bruchteil dessen stimmt, was über ihn in der Bibel steht, war er seiner Zeit meilenweit voraus. Dann war er ein Visionär und Revolutionär. Aber ob er der Sohn irgendeines überirdischen Wesens war oder auferstanden ist, spielt für mich persönlich dabei gar keine Rolle. Ich verspüre irgendwie einfach überhaupt kein Bedürfnis, mich mit Dingen zu beschäftigen, die mein rationales Denkvermögen übersteigen.

Für meinen Mann ist das aber eben schon wichtig. Mehr noch, bis unsere Kinder auf die Welt kamen, hat er sich in der Schönstatt-Bewegung engagiert. Das ist eine Vereinigung innerhalb der katholischen Kirche. Pater Kentenich gründete sie als Erneuerungsbewegung und wollte der katholischen Kirche ein neues, modernes Gesicht geben. Alle, die jetzt Juhu rufen und an die Abschaffung des Zölibats, Homo-Ehe und Frauen im Priesteramt denken, muss ich enttäuschen. Pater Kentenich entwickelte seine Schönstatt-Pädagogik etwa zwischen 1910 und 1920. Was damals neu war, erscheint uns heute nicht unbedingt neu.

Na ja, das war die Ausgangslage. Mein Mann, aus meiner Sicht streng gläubig, konservativ. Ich, dogmatisch nur dem Erklärbaren, mit dem Verstand Begreifbaren verfallen. Wir haben es trotzdem miteinander versucht. Inzwischen sind wir schon ein paar Jährchen verheiratet. Ja, sogar kirchlich verheiratet. Der Schönstatt-Pater, der uns getraut hat, hat wirklich sehr, sehr viel Rücksicht auf mich genommen. Ich musste nicht sagen: „so wahr mir Gott helfe“ usw. Das rechne ich ihm sehr hoch an.

Was für mich als Außenstehende etwas Besonderes an dieser Schönstatt-Bewegung ist, ist die Art und Weise, wie die Mitglieder ihr Leben lang begleitet werden – angepasst an die entsprechende Lebenssituation. Mein Mann hat als Jugendlicher Schönstattzeltlager und Jugendfeste besucht und organisiert, an Schönstattfußballturnieren und Kanufahrten teilgenommen. Er hat mit Schönis (so heißen sie bei mir) aus aller Welt eine Fackel von Koblenz nach Rom getragen und joggend für die Anliegen verschiedenster Menschen gebetet.

Begleitet beim Heiraten

Der zweite Lebensabschnitt, nämlich heiraten, Familie gründen wird ähnlich intensiv begleitet.

Vor der Hochzeit gibt’s Ehevorbereitungsseminare, danach gibt’s Eheseminare bzw. Familienwochenenden. Tatsächlich habe ich mich dazu durchgerungen, vor unserer Hochzeit vier Tage lang zusammen mit meinem Mann an einem Ehevorbereitungsseminar teilzunehmen. Mir war zwar schon bei dem Gedanken daran ziemlich mulmig zumute, aber ihm war es wichtig. Es war aber durchweg eine positive Erfahrung. Nicht nur weil ich beeindruckt war, wie offen diese ganzen gläubigen Teilnehmer, Patres und Schwestern mir gegenüber waren. Es war vor allem wirklich gut, sich über einen langen Zeitraum ausschließlich mit seinem Partner und der gemeinsamen Beziehung zu beschäftigen und dabei viele sehr tiefgehende Gespräche zu führen.

Ein „Familienwochenende“ von Schönstättern für alle anderen

Wir redeten nicht wie sonst so oft über unsere Kinder, die Termine, die in der kommenden Woche anstehen, sondern einfach über uns.
So und jetzt, nach über fünf Jahren Ehe, haben wir tatsächlich an so einem „Familienwochenende“ teilgenommen. Wie läuft so was ab?

Anreise Freitagabend – Abendessen. Mit uns sind acht Familien dabei. Die meisten in ähnlichem Alter und ähnlicher Lebenssituation.

Samstag Frühstück. Anschließend gehen die Kinder in die Kinderbetreuung, von der insbesondere unsere älteste Tochter immer noch schwärmt. Betreuungsschlüssel 2:1, Holzwerkstatt, Bastelecke, Malecke, Spielzimmer, Spielplatz… also kaum zu toppen. Die Eltern hören währenddessen einen Vortrag über die Ehe. Inhalte: Wie kann trotz Stress im Alltag, wenig Zeit für Zweisamkeit, die Liebe, die Zärtlichkeit, das positive und unterstützende Miteinander aufrechterhalten werden. Nach dem Vortrag: Zeit zu Zweit. Wir waren eine Stunde spazieren. Wir redeten nicht wie sonst so oft über unsere Kinder, die Termine, die in der kommenden Woche anstehen, sondern einfach über uns. Eine Fragestellung war zum Beispiel: In welchen Situationen fühlt sich mein Partner besonders geliebt von mir? Wie kann ich seinen „Liebestank“ auffüllen. Schaffen wir es, einen festen Termin in der Woche für „Zeit zu zweit“ zu etablieren? Anschließend tauschen sich die Paare im Plenum darüber aus, was sie aus dem Vortrag mitnehmen konnten. Wer was sagen will, sagt was und wer nicht, lässt es bleiben.

Der Vormittag bot also Zeit und Anregungen für die Partnerschaft. Den Nachmittag verbrachten wir dann mit unseren Kindern. Spielen, reden, basteln…nicht nebenher Wäsche machen, kochen und aufräumen.

Am Sonntag war vormittags noch einmal Zeit zu zweit, die ähnlich organisiert war wie am Samstag. Nach dem Mittagessen war dieses entspannte, wohltuende und inspirierende Wochenende leider schon wieder vorbei.

Eine bestechende Idee

Ich finde die Idee bestechend, sich bei der Gestaltung einer Ehe präventiv helfen zu lassen und nicht erst dann, wenn die Krise da ist. Eigentlich weiß jeder, dass so eine langjährig funktionierende Partnerschaft kein Selbstläufer ist. Trotzdem nimmt man sich selten Zeit, wirklich aktiv Energie in die Partnerschaft zu stecken. Das wird einem aber an so einem Wochenende durch die Organisation und die inhaltlichen Impulse leicht gemacht. In der Schönstatt-Bewegung werden solche Familienwochenenden regelmäßig angeboten. Wer will kann also auch mehrmals im Jahr an Veranstaltungen dieser Art teilnehmen. Eigentlich dürfen daran natürlich auch Nicht – Schönis teilnehmen. Trotzdem würde ich, wäre mein Mann nicht auch ein Schöni, vermutlich niemals auf die Idee kommen, an so einem Wochenende teilzunehmen. Erstens wüsste ich gar nicht, dass es so etwas gibt und zweitens würde ich mich wahrscheinlich nicht hintrauen. Für die ganz normale Durchschnittsfamilie gibt es solche Angebote zwar. Es ist aber absolut nicht verbreitet, daran teilzunehmen. Meist sind die Träger kirchlich, was viele abschreckt. Wenn die Angebote nicht kirchlich organisiert sind, sind sie in der Regel zu teuer. Die Kinderbetreuung, die Referenten, die Organisation an unserem Familienwochenende war praktisch umsonst. Das geht aber nur, weil Menschen aus ihrem Glauben heraus sich für das Thema Familie engagieren.

Ich finde aber, es wäre unheimlich sinnvoll, wenn solche Angebote stärker verbreitet wären. Die Scheidungsrate liegt in Deutschland bei etwa 40%. Nicht mit eingerechnet, die Paare mit Kindern, die sich irgendwann trennen, ohne verheiratet gewesen zu sein. Ich glaube, die Anzahl der Trennungen könnte gesenkt werden, wenn Paare bzw. Familien regelmäßig begleitende Kurse, Wochenenden oder ähnliches besuchen könnten. Und ich finde, der Staat sollte das bezuschussen. Dann würde nämlich die Finanzierung erleichtert.

Warum sollte er das tun? Weil er einen ökonomischen Nutzen von intakten Familien hat.

Das Risiko der Altersarmut bei alleinstehenden Frauen ist besonders groß. Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung prognostiziert, dass 2036 vermutlich fast ein Drittel aller Frauen im Alter staatliche Leistungen in Anspruch nehmen werden. Die meisten von ihnen sind alleinstehend. Weniger alleinstehende Frauen bedeutet also weniger Ausgaben für den Staat.

Werden alte Menschen zu Hause gepflegt, ist das für den Staat wesentlich billiger als die Pflege in Altersheimen oder ähnlichem. Menschen, die in einer Partnerschaft leben und/oder Kinder haben, gehen statistisch gesehen erst in höherem Alter in eine Pflegeeinrichtung. Viele auch gar nicht, weil sie von ihren Angehörigen zu Hause bis zum Tod betreut werden. Intakte Ehen und Familien entlasten also die Pflegekassen.

Amerikanische Psychologen werteten 148 Studien aus. Das Ergebnis: Einsamkeit macht krank. Ein fehlendes soziales Netzwerk habe ähnliche Auswirkungen wie 15 Zigaretten am Tag oder Alkoholismus und sei fast doppelt so schädlich wie Fettleibigkeit.1 Einsamkeit ist also etwas, was die Krankenkassen stark belastet. Was hilft aber besser gegen Einsamkeit als eine gut funktionierende Partnerschaft bzw. Familie?

Die zehn Minuten früher

An unserem Familienwochenende haben wir uns vorgenommen, morgens zehn Minuten früher aufzustehen. Da schlafen nämlich alle drei Kinder noch. Wir zünden eine Kerze an, trinken was, unterhalten uns ein bisschen und schenken uns also bewusst ein paar Minuten Zeit. Wahrscheinlich werden wir nächstes Jahr wieder an so einem Familienwochenende teilnehmen.

Nicht nur, aber auch aus finanziellen Gründen sollte der Staat ein Interesse daran haben, dass das nicht das Privileg einiger weniger Familien ist.

1 Spitzer, Manfred: Einsamkeit – die unerkannte Krankheit. 2018. Droemer Verlag

Ursprünglich veröffentlicht in: kinderkommazukunft.de/

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