Veröffentlicht am 2017-08-28 In Haus Madre de Tuparenda, Projekte, Werke der Barmherzigkeit

Ein Jahr nach der Eröffnung von Haus Madre de Tupãrenda

PARAGUAY, Ana Maria Mendoza de Acha, Vorsitzende von Fundaprova •

Heute (22.08.) ist es ein Jahr, seit wir Haus Madre de Tupãrenda (CMT) eröffnet haben. Es war ein schöner sonniger Morgen, mit dem Segen von Bischof Claudio Giménez, der Begleitung durch den Justizminister und Hunderte von Freunden, was uns überglücklich machte.

Es ist nicht zu fassen, was in dieser kurzen Zeit passiert ist, das Haus macht viel schneller Fortschritte, als wir uns gedacht hatten. Es überrascht mich immer neu, das Haus voller Jugendlicher zu sehen und einige sogar auf der Warteliste; Zeuge zu sein von bereits fünf Absolventen, die rundherum glücklich und zufrieden sind und bereits dabei sind, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen; eine gute Ausbildung in Berufen wie Bäckerei und Gartenbau zu bieten und jetzt mit Textilindustrie anfangen zu können.

Doch das Wichtigste, das erreicht wurde, ist, dass eine erhebliche Zahl von Jugendlichen, die aus den Gefängnissen entlassen wurden, heute in diesem Haus ein Zuhause gefunden haben. Haus Madre de Tuparenda ist ein Ort, an den sie immer kommen können, auch wenn sie aus dem Programm ausgeschieden sind wegen einer Verhaltensweise, die sie nicht ablegen konnten. Sie wissen, was es bedeutet, ins „Haus der Mutter“ zu kommen, wo sie gefordert werden, wo sie aber auch eine Familie, ihre Familie finden, uns alle, die wir ihnen in die Augen schauen und sie als Menschen wahrnehmen. Wie wichtig ist das für sie, wenn eine gesamte Gesellschaft sie nicht sehen und nicht von und mit ihnen reden will, weil sie arm, dreckig und schlecht gekleidet sind und auch noch stinken.

Festigkeit und Zärtlichkeit

Durch die Leiterin, die Psychologin und die Sozialarbeiterin wird Tag um Tag das Wort des berühmten Buches von P. Antonio Cops gelebt: „Festigkeit und Zärtlichkeit, die beiden Seiten der einen Liebe“.

Keine Frage, das ist Marias Werk und wenn sie in dieses Haus gehen, dann gehen sie in ihr Haus. Sie beheimatet und erzieht sie, auch wenn diese Erziehung schmerzvoll ist. Jedes Wachstum schmerzt und ich stehe mit Hochachtung davor, wenn sie eine Änderung erreichen, denn ich weiß, dass es eine unbeschreibliche Mühe kostet, aus dem Teufelskreis von Armut, Verwahrlosung und Kriminalität auszubrechen.

Die Zeugnisse sind unglaublich. „Hier habe ich nicht bloß einen Beruf gelernt, sondern Bitte  und Danke zu sagen“, oder: „Besorg mir einen Job, Ña (Doña, Frau), ich will nie mehr stehlen.“

In unserem Programm wird als Hauptziel die Reintegration des Jugendlichen in die Gesellschaft genannt, doch ich kann Ihnen versichern, dass es sich in den allermeisten Fällen um eine Ersteingliederung handelt. Sie waren noch nie Teil der Gesellschaft oder des Systems. Viele haben nie ein liebevolles Familienleben kennengelernt, sondern Schläge mit Eisenstangen und anderen Gegenständen, die ihnen Zähne ausgeschlagen haben, wenn sie ihnen nicht den Schädel gebrochen haben, und natürlich keine Schule, keine Bücher, keine Zeitungen, die irgendetwas Positives in ihr Leben gebracht haben.

Hier kommen sie her

Und wenn ich hier geboren worden wäre?

Und ich denke … Wie wäre ich, wenn ich in einem dieser „Häuser“ aus Stöcken, Plastikfolien und Wellpappe auf die Welt gekommen wäre? Und ich habe keinen Zweifel, dass die Antwort lautet: genau wie jeder von ihnen. Absolut! Wenn meine Mutter die Drogendealerin des Viertels gewesen wäre, mein Vater Alkoholiker, der gestohlen hätte, was ihm in den Weg kam, wenn meine ganze Umgebung von Dreck, Gestank und Gewalt geprägt gewesen wäre, dann hätte ich nicht anders werden können.

Schon wenige Tage, nachdem sie kommen, haben sie ein anderes Gesicht. Wenn sie anfangen, Hygieneartikel zu verwenden, wenn sie psychologische und spirituelle Unterstützung erhalten, wenn die Sozialarbeiterin zu ihnen nach Hause kommt und auch anfängt, mit der Familie zu arbeiten, dann sieht man, wie sie sich ganz anders benehmen. Sie lächeln, sie fangen an, Vertrauen zu haben in die Verantwortlichen des Hauses und natürlich fühlen sie sich einfach besser! Sie frühstücken hier, sie bekommen Mittagessen und Kaffee. Sie wissen, was es bedeutet, sich an einen sauberen Tisch mit warmem Essen zu setzen, und sie lernen Höflichkeit und Tischmanieren. Das Beste ist, dass jeder von ihnen einen sogenannten monatlichen „Bonus“ bekommt, der dem Monatsgehalt eines Auszubildenden entspricht,  1.100.000 Guaraníes (165 €); um ihn am Monatsende vollständig ausgezahlt zu bekommen, müssen sie eine Reihe von Bedingungen erfüllen, deren Einhaltung dadurch attraktiv wird.

Ich habe 10 Jahre lang diese Realität bei Besuchen in den Strafanstalten der Republik Paraguay kennengelernt. Als Abgeordnete konnte ich nur helfen, indem ich ihnen zuhörte und danach bei den zuständigen Stellen darauf bestanden habe (vergeblich), entsprechende Änderungen zu veranlassen, damit die Gefängnisse nicht die Hölle sind, die sie in der Tat sind.

Heute bin ich Gott und Maria unendlich dankbar, dass sie mich als Werkzeug benutzt haben, um zusammen mit einigen anderen wunderbaren Menschen und vor allem Pater Pedro Kühlcke viel schneller als wir je gedacht haben tatsächlich etwas verändern und immer neue Ziele zum Wohl dieser jungen Menschen stecken.

Das hat auch das Justizministerium verstanden, dem wir aufrichtig danken, dass sie uns fast 90% des Budgets finanzieren, und ebenso danken wir den unglaublich hochherzigen Spendern, die uns auf vielfältige Weise unterstützen,

 

Besuch bei den Familien von Jugendlichen aus Haus Madre de Tuparenda

Die Spuren, die ich in dieser Welt hinterlasse, haben Namen und Gesichter

In Chile haben wir gelernt, dass ein resozialisierter jugendlicher Straftäter pro Tag zwei Opfer weniger auf der Straße bedeutet. als wir das unseren Jungs erzählten, sagten sie uns, sie hätten pro Tag 4 bis 5 Überfälle begangen; das heißt, es sind noch mehr Menschen, die Tag für Tag auf unseren Straßen sicher sind, weil diese Jugendlichen unterstützt werden.

Mit einigen Ausnahmen sind wir überzeugt, dass die meisten von ihnen Opfer unserer Gesellschaft sind. Aus diesem Grund ist es so klar, dass jeder von uns darüber nachdenkt, wie wichtig es ist, etwas für den Nächsten zu tun, egal wie gering es auch sein mag, um Leben zu verändern. Und Geben ist dabei viel, viel seliger als Nehmen.

Unsere wichtigste Mission nicht nur als Christen, sondern als Menschen, ist Spuren in dieser Welt zu hinterlassen.

Diese Spuren berühren mich, denn sie haben ein Gesicht, Vor- und Zunamen.

 

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Fotos: Ani Souberlich, Maria Fischer

Original: Spanisch, 23.08.2017. Übersetzung: Maria Fischer, schoenstatt.org

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