Veröffentlicht am 2016-04-09 In Projekte, Werke der Barmherzigkeit

Man muss genau gucken, wie viele am Tisch sitzen, damit alle etwas zu essen kriegen

ARGENTINIEN, von Maria Fischer •

„Man muss genau gucken, wie viele am Tisch sitzen, damit alle etwas zu essen kriegen.“ Meine kleine Freundin sieht mich mit großen Augen und unwiderstehlichem Lächeln an, während sie die Schüssel auf den Tisch stellt, den ich mit ihr und drei anderen Kindern teile. Ich bin die Neue, der sie erklärt, was Solidarität ist. „Genug für alle“, erklärt sie strahlend. „Man muss nämlich immer an alle denken.“ Sie nimmt die Aufgabe ernst, die sie vor dem Heruntergehen in den Speisesaal übernommen hat, nämlich die „Neue“, die Frau aus Deutschland, die zusammen mit Claudia Echenique aus Buenos Aires zu Besuch in der Casa del Niño “María de Nazaret” in Villa Ballester ist, einzuführen.

Wir beten das Tischgebet, essen die Suppe – richtig lecker! – und reden darüber, was es für sie bedeutet, den Tag hier in diesem Haus zu verbringen, das so gemütlich und mit Liebe zum Detail eingerichtet ist und nicht nur die hohe Professionalität der Leiterin der Casa del Niño, Graciela Klobovs und ihres Teams spiegelt, sondern ihre ehrliche Zuneigung zu den Kindern.

Weiter geht es mit den Empanadas. Meine kleine Freundin schaut mich an. Ja, sagt sie, zähl mal, genug für alle! „Und sooo lecker!“ Das Funkeln in ihren Augen ist wie das einer Hausfrau beim Dinner für den Chef ihres Mannes, die von ihm ein „Ausgezeichnet!“ hört.

Für den ganzen Rest meines Besuches weicht meine kleine Freundin nicht von meiner Seite, erklärt mir alles, erzählt von ihrer Familie, ihren Freunden hier im Haus und davon, was sie einmal werden will.

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Wir glauben, dass jedes Kind die gleichen Möglichkeiten zur Entwicklung bekommen muss

Die „Casa del Niño“ ist eine Tagesstätte, in der Kinder zwischen zwei und 14 Jahren aus dem angrenzenden Elendsviertel 9 de Julio in Villa Ballester in der Metropolitanzone von Buenos Aires betreut werden. Hier finden sie einen Ort, ein wirkliches Zuhause, wo sie die Chance bekommen, aus Situationen von Ausgrenzung und Gewalt herauszukommen.

Das Projekt entstand im Jahr 1993, als eine Gruppe der Apostolischen Schönstatt-Bewegung sich entschloss, in dieser Gegend Sozialarbeit zu machen. Das Bistum San Martín überließ ihnen das Grundstück, auf dem das Haus errichtet wurde, in Kommodat

Die Mitarbeiter haben eine Ausbildung in Montessori-Pädagogik. Die Ehrenamtlichen, die in der Casa del Niño mitarbeiten, sind voll und ganz mit dem Projekt identifiziert und stellen ihre Fähigkeiten und Kenntnisse in den Dienst der Kinder: bei den täglichen Aktivitäten, im -, Handwerks- und Kunstworkshop. Mehrere Eltern aus dem Viertel arbeiten in der Casa mit.
„Unser Hauptziel ist, dass unsere Kinder ihre manuellen und geistigen Fähigkeiten entdecken und entwickeln. Diese Entdeckung stärkt ihr Selbstwertgefühl, weckt ihre Träume und Hoffnungen und ermutigt sie, an eine andere, bessere schulische oder berufliche Zukunft für ihr Leben zu denken“, erklärt Tita Rodriguez aus dem Schönstatt-Familienbund aus dem Vorstand der Casa del Niño.

„Es gibt viele Kinder, die keine Möglichkeit bekommen, ihr Potenzial voll zu entfalten, sei es, weil ihre Familie arm ist, weil sie in einem Elendsviertel leben, schlechte Ernährung erhalten oder einfach nur wegen ihres Aussehens. Wir glauben aber, dass jedes Kind Zugriff auf die gleichen Chancen haben sollte, sich zu entwickeln und in einem harmonischen, guten Umfeld aufzuwachsen“, erklärt Graciela Klobovs.

Derzeit sind zwei junge Männer aus München durch Vermittlung von Pater Hans-Martin Samietz, Standesleiter der SMJ Deutschlands, als Freiwillige in der Casa del Niño. Für sie wie für alle jungen Leute, die eine Zeitlang dort mitgearbeitet haben, ist es eine Erfahrung, die ihr Leben nachhaltig prägt.

Unter dem Titel: Am richtigen Ort: Junge solidarische Deutsche hat der Fernsehsender C5N ein Interview mit ihnen gemacht.

Die beiden deutschen Freiwilligen haben unter anderem ein Schreinerei-Projekt in Angriff genommen. Vor einigen Tagen haben sie die erste in der Casa del Niño angefertigte Bank präsentiert – eine Holzbank, blau angestrichen und bereit zum „solidarischen Verkauf“. Aus dem Erlös soll neues Material und Werkzeug angeschafft werden für das Schreinerei-Projekt, das den Kindern die Möglichkeit gibt, die Grundlagen eines so schönen Berufes zu erlernen.

Die Schönstatt-Jugend von Buenos Aires ist auch immer wieder mit solidarischer Arbeit in der Casa del Niño, so haben sie letztes Jahr den kompletten Innen- und Außenanstrich gemacht.

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Träume …

Vor dem Essen mit den Kindern zeigen uns Graciela Klobovs und Nazareth Rodríguez de Bella das Haus. Wir gehen in die Küche, in die Räume mit dem Material der Montessori-Pädagogik, zum Spielplatz, in den Speisesaal; dann treffen wir uns einem großen Raum mit den größeren Kindern.

Peinlich, echt peinlich wird es, als die Kinder eine junge deutsche Freiwillige und mich einladen, erstmal die deutsche Nationalhymne zu singen.  Gut, dass mir einfällt, sie zu bitten, die argentinische Nationalhymne zu singen und sie dann zum eindeutigen Sieger dieses Wettbewerbs erkläre … Sie lachen sich kaputt, singen ein weiteres Lied, und schon sind wir in einer Atmosphäre, in der sie wie von selbst anfangen zu erzählen, von ihren Träumen, ihren Erlebnissen in diesem Haus …

„Unsere Vision ist es, dass jedes Kind, jede Familie, die in unser Haus kommt, hier ein Zuhause findet und die notwendigen Werkzeuge an die Hand bekommt für ein menschenwürdiges Leben, ein gerechteres Leben, dass sie ihre eigene Originalität finden und sich wertvoll fühlen können“, sagt Graciela. Und das spürt man. Sie fühlen sich zu Hause und wertvoll. Es ist mit Händen zu greifen.

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Ein Artikel in „La Nación“

Das spürt man auch in dem Artikel in der führenden Zeitung Argentiniens, „La Nación“, der vor einigen Wochen über die Casa del Niño veröffentlicht wurde und viel dazu beigetragen hat, sichtbar zu machen, was hier für die Kinder getan wird.

„Die Bürgervereinigung Casa del Niño ist eine Tagesstätte, die etwa 90 Kinder zwischen zwei und 14 Jahren und ihre Familien aus den Elendsvierteln von San Martín betreut“, heißt es dort. Ziel ist, dass die Kinder ein echtes Zuhause finden, wo sie die notwendigen Werkzeuge für ein würdigeres Leben erwerben und sich wertvoll erleben.

Angesichts einer steigenden Nachfrage – die im Augenblick nicht beantwortet werden kann – steht die Gruppe vor der Herausforderung, Mittel aufzutreiben, um die Einrichtung erweitern und mehr Pädagogen einstellen zu können.

Zur Deckung ihrer Kosten ist die Einrichtung auf Spenden und Erlöse aus Benefizveranstaltungen angewiesen. Die Bedürfnisse sind groß und die Mittel reichen hinten und vorne nicht aus.

„Wir haben eine sehr große Nachfrage von Familien, die ihre Kinder hierher bringen möchten; doch wir können niemanden mehr aufnehmen, weil uns Personal und Platz fehlen“, so Graciela Klobovs, die Leiterin der Einrichtung. „Wir brauchen Hilfe durch Sponsoren, um Erzieher und Lehrer für die Workshops einstellen zu können, um anzubauen, mehr Räume zu haben und für notwendige Erneuerung der Böden und der sanitären Anlagen“, fügt sie an.

Vollständiger Artikel (spanisch)

 

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Dazu beitragen

„Meine Kinder haben ihre ganze Kindheit hier verbracht“, sagt eine Mutter. „Wunderbare Leute, ich habe alle so gern, die mir geholfen haben, die mich gehalten haben, ich habe keine Worte um für so viel Liebe zu danken. Einfach danke.“

Es wird Zeit, mich von meiner kleinen Freundin und ihren Kameraden zu verabschieden. Wie oft haben wir vor Jahren beim Beten des Lichter-Rosenkranzes in Deutschland um Spenden für dieses Haus gebeten, für diese Kinder; der Lichter-Rosenkranz ist ja hier in Villa Ballester entstanden. Es war damals eine Form des Dankes an den Ursprungsort dieser schönen Art des Rosenkranzgebetes.

Ich krame in meiner Hosentasche. Viel ist nicht drin, aber etwas. Ich möchte Teil dieses Projektes sein, dieses Werkes der Barmherzigkeit im Schatten des Heiligtums von Villa Ballester.

Video: Producción: Claudia Echenique, Buenos Aires.

?Wer etwas beitragen möchte zur Casa del Niño Maria de Nazaret, kann hier per Kreditkarte spenden: https://donaronline.org/casa-del-nino-maria-de-nazaret/los-chicos-de-la-casa-del-nino-maria-de-nazareth-te-necesitan

Casa del Niño Maria de Nazaret http://www.casadelninomaria.com.ar/

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Original: Spanisch. Übersetzung: Maria Fischer/schoenstatt.org

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