Veröffentlicht am 2016-07-02 In Miteinander für Europa

Das Lebendige und Bewegliche ist wichtiger…

MITEINANDER FÜR EUROPA – Impressionen vom 1. Juli 2016, vormittags •

„Das ist der Hammer, das ist einfach der Hammer!“, Manuela Miller hält sich nicht lange bei der Begrüßung auf. Sie und ihr Mann Peter Miller haben am ersten Tag des Kongresses „Miteinander für Europa einem der 19 Foren mitgewirkt, doch auch davon erzählen sie nichts, sondern nur von der Erfahrung der Offenheit füreinander, des Miteinander, das sie am ersten Kongresstag erlebt haben in unzähligen Begegnungen mit neuen und alten Freunden aus ihrer eigenen und aus anderen Bewegungen und von der Qualität der Gespräche, selbst wenn die vielen Sprachen manchmal eine Herausforderung sind. „Do you speak German?“, fragt gerade eine Münchnerin von Wineyard ihre Sitznachbarin, die ihr auf Deutsch antwortet: „Ja, seit meiner Geburt!“, und dann hört dieses Gespräch erst auf, als die Musik den nächsten Programmpunkt ankündigt.

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„Die Foren gestern haben mich am meisten beeindruckt“, so eine Frau aus der Fokolar-Bewegung. „Da war so viel Überzeugung drin, dass dieses Europa uns braucht, dass dieses Europa nicht geht ohne unseren Einsatz als Christen in der Wirtschaft, ohne unser Frühstück für die Armen…“ Der Geschmack des geteilten Brotes sucht seinesgleichen, zitiert Schw. Dr. Nicole Grochowina eine Anregung aus den Losungen, um die Foren vom Donnerstag zusammenzufassen. Sie formuliert in drei Impulsen: Lasst uns mit der Welt zu Tisch sitzen, mit denen, mit denen auch Jesus am Tisch saß, als Freund! Lasst uns unsere eigenen Wunden anschauen und aus der Kampfrhetorik herausgehen und stattdessen Tröstendes und Heilendes vermitteln! Und dann, begleitet von spontanem Applaus: Lasst uns Missionare der Hoffnung sein mitten in der Welt! Man spürt, das trifft den Nerv bei den weit über 1000 Teilnehmern.

Wo steht Europa im Augenblick?

Prof. Dr. Marco Impagliazzo, Präsident der Gemeinschaft Sant’Egidio erinnert an die markanten Momente der jüngeren Geschichte Europas mit seiner riesigen Unterschiedlichkeit an Religionen, Sprachen, Geschmäckern, Kulturen, und das gerade deshalb in Christus geeint ein Modell für eine globalisierte Welt sein kann. Doch das Europa der Väter – jener großen Europäer, die ein Europa in Frieden bewirken wollten – sei nicht das Europa der Kinder. Diese gelt es zu gewinnen, und: „Der christliche Glaube richtet eine kraftvolle Botschaft an Europa.“ Immer wieder ein bestätigendes Nicken in den Reihen, als Gérard Testard (Efesia, Paris) Mut macht, den Glauben in den öffentlichen Raum zu bringen und nicht in der Nische des Privaten zu lassen. „Das ist aber eine Herausforderung“, so ein gemurmelter Kommentar zur Ansage von Prof. Dr. Michael Hochschildt, der den geistlichen Bewegung zutraut und zumutet, die Antwort auf die Krise Europas zu geben, weil die tiefe Systemkrise der Moderne nicht eine weitere Anpassung, sondern die Geburt einer neuen Welt verlange und darum ein neues Denken und Handeln – und die neuen geistlichen Bewegungen lebten von einer Zukunftsvision und dem Willen, diese konkret zu gestalten. In der Unbestimmtheit und Visionsarmut der Gesellschaft stehe die Bewährungsprobe der Bewegungen an, die nicht nur geistliche, sondern eben auch soziale, gesellschaftsgestaltende Bewegungen sein müssten – und nicht Selbstzweck. Das Lebendige und das Bewegliche ist für den heutigen Menschen und die zu gestaltende Welt wichtiger als das Bürokratische und Statische, so Hochschild. Ein leiser Seufzer aus einer der hinteren Reihen: „Da müssen wir aber bei uns noch manches ändern!“, und ein geflüstertes: lebendig, beweglich, genau! Genau!

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Herbert Lauenroth

Ökumene des Zeugnisses

„Die Unterschiede in der Lehre sind nicht mehr so wichtig, wenn man miteinander konkret etwas tut, weil die Menschen, denen wir Zuflucht und etwas zu essen geben, nicht fragen, ob wir katholisch oder evangelisch sind“, erklärt voller Überzeugung ein älterer Mann beim Betreten des Circus-Krone-Baus am Morgen des 1. Juli. Man kommt fast von selbst miteinander ins Gespräch, als würde man sich schon immer kennen. Dieser Tage hatte Papst Franziskus wieder einmal darüber gesprochen, dass es die Ökumene des Blutes längst gebe; wenn Christen verfolgt und umgebracht würden, frage sie niemand vorher nach ihrer Konfession. Ökumene des Zeugnisses, des gemeinsamen Tuns: die wird hier in München greifbar. „Diesmal bin ich nicht als Mitwirkender da, sondern einfach als Teilnehmer“, sagt Erich Berger aus Wien. „Aber das darf man nicht verpassen, das Klima ist unbezahlbar!“

Mit einem starken geistlichen Appell zur Überwindung der Angst, die Europa zu einer Festung macht und der Ermutigung, wie ein Trapezkünstler zu springen und darauf zu vertrauen, dass die Arme Gottes einen auffangen, rüttelt Herbert Lauenroth aus der Fokolar-Bewegung die Teilnehmer auf und schickt sie gleichzeitig auf den Weg an die Peripherien, zu den Armen, weil diese eine Botschaft haben, die von den Rändern in die Mitte kommen muss.

Glaube, Hoffnung und Liebe: die Worte von Maria Voce, Präsidentin der Fokolar-Bewegung, Thomas Römer, CVJM München, und Steffen Kern (Evangelischer Gemeinschaftsverband, Württemberg) zeigen die Sendung von Miteinander für Europa heute. Dieses Europa, das durch eine Nacht seiner Träume und seiner Visionen zu gehen scheint (Maria Voce), ist nicht dazu verurteilt, ein „alter“, ein müder Kontinent zu sein, denn: „Wir sind hier, weil wir an etwas glauben, das nicht zusammenbricht.“ Die Apostel sind Europa mit dem Evangelium zu Hilfe gekommen (Thomas Römer), und das Evangelium hat Europa in seinen Werten geprägt. Und prägt weiter – im „Haus der Hoffnung“ im Rotlichtviertel von Stuttgart und „mitten in den Elendsvierteln Europas“. Wenn Menschen noch beim Essen weiterreden von dem, was sie in einem Vortrag gehört haben, dann hat das etwas in ihnen bewegt. An diesem Mittag reden sie darüber.

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