Veröffentlicht am 2020-06-09 In Laudato Si, Themen - Meinungen

Wir haben viel zu tun und wir müssen es gemeinsam tun…

Von Bettina Betzner, Deutschland •

Lieber Papst Franziskus, mit dir würde ich gerne ein persönliches Gespräch über Laudato si führen. Ich würde gerne deine herzliche Nähe suchen, um dir in die Augen zu schauen, von deinem warmen Blick eingefangen zu werden, von deiner spirituellen Tiefe und Authentizität ergriffen zu sein, um dein Anliegen zu meinem Anliegen zu machen… Dieses Erlebnis hatte ich, als ich den Film „Ein Mann des Wortes“ von Wim Wenders anschaute. —

Die Begegnung mit dir hat einiges in mir verändert!

Nach deiner Botschaft in dem Film wurde ich nachdenklich – sehr nachdenklich über mich, über meinen Lebensstil, über meinen Alltag, über meine Art, mit den Dingen des Lebens umzugehen. Ich ertappte mich dabei, wie ich vieles zu selbstverständlich nahm. Das saubere Wasser am Morgen, wenn ich den Wasserhahn aufdrehe und in die Dusche steige, der Lichtschalter, den ich betätige, und meine Wohnung wird strahlend hell, die Heizung, die im Winter Wärme spendet, mein Müll, den fleißige Menschen an einem festgeschriebenen Tag feinsäuberlich weg bringen, die voll-gepackten Lebensmittelgeschäfte und, und … Ja, ich nehme so vieles selbstverständlich und gleichzeitig spürte ich, ich lebe in  Distanz zu diesen alltäglichen Dingen und Handlungen, die es mir ermöglichen, dass mein Leben geordnet ist.

Dein Film mit einer für mich sehr berührenden, unbeschreiblich menschlichen Botschaft hinterließ Spuren bei mir. Ich war betroffen von den Bildern einer zerstörten Landschaft, der Schöpfung Gottes.

Wie lebe ich eigentlich?

Als ich begann, mein Handeln zu überdenken, und wie in Zukunft mein Anteil zur Bewahrung der Schöpfung aussehen könnte, stellte ich mir unterschiedliche Fragen:

Wie lebe ich eigentlich, was nutze ich und wie nutze ich die Dinge, wo kaufe ich ein und was kaufe ich ein, von was ernähre ich mich und warum ernähre ich mich so und nicht anders?

Schnell wurde mir bewusst: Ich bin ein Teil der Schöpfung – ich bin doch Schöpfung Gottes. Ich bin sogar die Krone der Schöpfung! Wie gehe ich dann mit der Schöpfung Gottes um, in Solidarität mit den Menschen und für die Zukunft des Planeten Erde? Oder benutze ich ihn nur für meine Bedürfnisse, ohne einen Bezug zu haben?

Die Bilder des Films von einem müllverseuchten Meer schockierten mich. Arme Menschen in zerlumpten Kleidern, die auf kilometerlangen Müllkippen ihr Dasein fristen, nach Essbarem oder Brauchbarem suchen und von meinem Abfall leben müssen. Ich sah die Bilder, ich sah die Menschen und mit der Zeit hörte ich das unangenehme Summen von Abertausenden von Fliegen und roch den Gestank, der in der Luft lag. Eine entwürdigende Ungerechtigkeit die zum Himmel schrie! Ich schämte mich über die Tatsache, dass Menschen von meinem Müll über-leben müssen.

Die Bewahrung der Schöpfung beginnt nicht bei „denen da oben“

Mir wurde schnell klar: die Bewahrung der Schöpfung beginnt nicht bei denen da oben oder bei irgendwelchen anderen oder „man sollte“, sondern bei mir zu Hause, in meinem ganz einfachen Alltag. So kam ich ins Nachdenken und begann in kleinen Schritten mein Leben umzukrempeln, meinen Konsum in den Fokus zunehmen. Für manche bestimmt unwesentlich, aber für mich wurde es zu einer Veränderung meiner Sichtweise, meines Blickwickels und meines Lebensstils.

Ich begann mich für Second-Hand-Mode zu interessieren. Ich ging anschließend noch bewusster mit dem Korb einkaufen, statt Plastiktüten zu nutzen.

Ab sofort kaufte ich Fairtrade–Produkte. Ich möchte in Beziehung stehen mit dem Kaffeebauer in Kolumbien oder mit dem Bauer auf den Plantagen, wo meine Bananen wachsen, denn als ein Teil dieser Schöpfung wünsche ich mir eine sozialgerechtere Entlohnung für jeden. In den Zeiten von Corona wissen wir mehr denn je, was Globalisierung heißt: Wir wachsen zusammen, auch wenn wir jetzt alle auf Distanz gehen müssen.

Ich begann meinen Fleischkonsum anzuschauen, und seit einem halben Jahr esse ich überwiegend fleischlos. Ich entdeckte das bewusste Zubereiten von Mahlzeiten und entwickelte eine neu entfachte Liebe zum Kochen und Backen. Ich setzte mich mit meinem Reinigungsmittel im Haushalt auseinander und begann Produkte auf natürlicher Basis ohne chemische Zusatzstoffe zu kaufen. In diesem „Umbauprozess“ musste auch meine alte Waschmaschine daran glauben, da sie zu viel Strom und zu viel Wasser verbrauchte.

Unglücklich bin ich noch über den vielen Plastik- und Verpackungsmüll an manchem Lebensmittel. Weitergekommen bin ich leider nicht bei der Frage meines Autos, aber ich weiß, auch seine Tage sind gezählt.

Mein Beitrag zur Ökologie heißt: Investition in eine Lebensweise zur Bewahrung der Schöpfung, in neue umweltverträglichere Produkte. Nicht verbrauchen, sondern nachhaltig gebrauchen!

 

Wir sind alle verantwortlich – alle ohne Ausnahme!

Lieber Papst Franziskus, lieber Heiligen Vater, in deinem Film kam ich in Beziehung zu deiner Sichtweise auf den Planeten Erde, auf die Schöpfung und zu mir als die Krone der Schöpfung.

Viel zu langsam begriff ich, dass nicht nur die anderen sich ändern müssen, damit die Schöpfung bewahrt wird, sondern ich muss bei mir beginnen. Mir wurden die Augen geöffnet als du sagtest: Wir sind alle verantwortlich – heute kann niemand sagen: Ich habe nichts damit zu tun – wir sind alle verantwortlich – alle ohne Ausnahme!

Ich spürte durch deine eindringlichen Worte, durch deinen Blick, der tiefer ging, dass bei allem was ich tue es um den Herzschlag einer größeren Liebe zum Schöpfer, zu den Geschöpfen und zum Planeten Erde geht.

Die Bereitschaft zur Veränderung kommt von der Herzmitte, aus der inneren Mitte in der Begegnung mit Gott in mir und im anderen. In Beziehung zu kommen mit den Dingen, Ereignissen, Situationen und Menschen, die mich umgeben und Gott darin zu suchen und zu erkennen, dass ist deine Botschaft, die zu meiner wurde.

Ja, lieber Papst Franziskus, WIR haben viel zu tun und WIR müssen es gemeinsam tun!

Gott suchen in allen Dingen, Personen und Ereignissen.
Wenn wir ihn nicht finden, dann keine Sorge haben.
Gott wird uns finden – wir müssen uns nur von ihm finden lassen! J.K.

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