Veröffentlicht am 2013-07-24 In Franziskus - Initiativen und Gesten

Franziskus ist in Rio: Ich bringe das Wertvollste, das mir gegeben wurde: Jesus Christus!

JMJ-BRASIL, mda.

Pünktlich um 16.00 Uhr landet das Flugzeug der Alitalia auf dem Flughafen  Galeao, dieses Flugzeug mit den großen Buchstaben JM auf der Stirn, das Flugzeug, das den, der vor gut vier Monaten als Jorge Mario Bergoglio vom Flughafen Ezeiza in Buenos Aires aus aufgebrochen war zum Konklave, als Papst Franziskus zurück in sein „geliebtes Lateinamerika“, wo Tausende von Jugendlichen ihn erwarteten. Er kam als Papst Franziskus, und er kam genauso wieder, wie er gegangen war: ganz und gar er selbst, spontan, authentisch, bereit für jede Bitte und jeden Wunsch, schlicht und ohne jegliche Angst vor der unmittelbaren Berührung mit dem Volk. Nur dass man bei seinem Anblick spontan an den Ausspruch seines alten Lateinlehrers denken musste: Er sieht noch glücklicher aus als sonst. Theologisch gesprochen: Man sieht ihm den Heiligen Geist an.

So hatte es schon im Flugzeug angefangen. Statt offizieller Interviews oder förmlichem Presseprotokoll erschien er gut eine Stunde nach dem Abflug dort, wo die Journalisten waren, begrüßte einen nach dem anderen und eroberte sie alle. Eine argentinische Journalistin, die nicht unbedingt bekannt ist für ihre Begeisterung für die katholische Kirche, schreibt: „Nachdem er über seine erste internationale Reise zum Weltjugendtag in Rio gesprochen und versprochen hatte, Fragen dazu auf dem Rückflug zu beantworten, auf dem Flug nach Rom also am nächsten Sonntag, begrüßte er mit großer Herzlichkeit einen nach dem anderen der 71 Journalisten im Flugzeug. Und ganz und gar er selbst, spontan, ungekünstelt, authentisch, für jeden Wunsch bereit, bewirkte er bei mehr als einem meiner Kollegen  zitternde Knie und Tränen in den Augen …“

Auf dem Flughafen erwartete die brasilianische Präsidentin Dilma Rousanoff zusammen mit anderen Politikern seine Ankunft; ein Kinder- und Jugendchor stand bereit, ebenso sein „Gefolge“ oder besser, der enge Kreis der Personen, die ihn in dieser “Woche der Jugend“, wie er sie am Sonntag genannt hatte, begleiten soll. Für einen Moment sahen die erstaunten Augen derjenigen Schönstätter, die es nicht erfahren hatten, unter den Kardinälen und Bischöfen den Schönstattpater Alexandre Awi de Melo. Ist er es? Ja, er war es. Erzbischof Orani von Rio de Janeiro, der am 18. Juli das “Pilgerheiligtum” eingeweiht hatte, begrüßte ihn als Gastgeber. Dann ging es zu einem Auto, das Franziskus zur Kathedrale bringen sollte. Papst Franziskus hatte kurzfristig das Programm ändern lassen und darauf bestanden, vor dem offiziellen Empfang durch die Regierung im Auto durch die Straßen zu fahren, um die Menschen zu begrüßen – was bei den für die Sicherheit Verantwortlichen einen mittleren Schock auslöste. Aber er bestand darauf.

Im unmittelbaren Kontakt mit den Menschen – ohne Berührungsängste

Von der Abfahrt auf dem Flughafen an öffnete der Bischof von Rom das Fenster des kleinen Autos, damit die Leute ihn besser sehen und er alle segnen konnte, die ihn auf den Straßen erwarteten. Die Bilder waren genau dieselben, die wir in den letzten Monaten bei den Generalaudienzen gesehen haben; das Auto fährt langsam und hält immer wieder an, damit der Papst  die Menschen begrüßen, segnen, umarmen, küssen kann. Viele Kinder werden, wie auch auf dem Petersplatz, von den Polizisten zu ihm getragen, und der Papst segnet und herzt sie. Auch in Rio hat das Protokoll bei dieser ersten direkten und nicht geplanten Begegnung mit dem Volk keine Chance. Und es sind nicht nur Scharen von Jugendlichen, die von einer Straße zur anderen rennen, um ihn noch einmal zu sehen. Eine riesige Menschenmenge erdrückt das kleine Auto fast, das unter einer Welle von Begeisterung ins Schwanken kommt. Die Menschen wollen einfach näher kommen. Und so wird es ein fast tumultartiger und auf jeden Fall sehr langsamer Weg durch die Stadt, anstrengend für die Sicherheitskräfte, die neben dem Auto herrennen und im wahrsten Sinne des Wortes alle Hände voll zu tun haben … Und der Papst „verschlimmert“ die Situation dadurch, dass er das Fenster noch weiter herunterdreht, immer wieder grüßt und segnet und denen die Hand gibt, die bis ans Auto kommen.

“Der Papst hat darauf bestanden, mit offenem Fenster durch die Straßen zu fahren; es gab nur eine kleine Änderung der Route, um den Zusammenstoß mit einer Demonstrantengruppe zu verhindern”, so Pater Federico Lombardi, Pressesprecher des Vatikan, am Montag vor Journalisten. “Der Papst hat volles Vertrauen in die Sicherheitskräfte“, fügt er noch an. Aber über allem stand die Entscheidung von Franziskus für den unmittelbaren und spontanen Kontakt mit dem Volk.

Die Menschen jubeln, klatschen, beben vor Ergriffenheit

Bei der Ankunft an der Kathedrale steigt der Papst in das offene Papamobil um. Mit Smartphones, Kameras und Tablets in der Hand drängt die Menge in seine Nähe, will ihn begrüßen, berühren, fotografieren. Junge Voluntäre in gelben T-Shirts bilden eine Menschenkette zur Sicherheit des Papstes und haben ungehinderte Sicht auf ihn. Die Menge bebt, jubelt, applaudiert. Der Papst segnet auf dem ganzen Weg von der Kathedrale zum Stadttheater immer wieder Kinder; dann steigt er wieder in ein Auto, das ihn zum Hubschrauber bringt, mit dem er zum ersten offiziellen Treffen dieser Reise im Regierungspalais  Guanabara fliegt.

„Ich habe alles im Internet verfolgt und musste immer wieder mit den Tränen kämpfen. Als ich dann auch noch in der Menge ein Bild der Pilgernden Gottesmutter gesehen habe, das ein Jugendlicher hoch in die Höhe hob, das war der Gipfel“, so eine Mitarbeiterin von schoenstatt.org aus Argentinien. „Was für ein Geschenk ist dieser Papst! Und er fängt gerade erst an.“

Vom Auto ins Papamobil, wieder ins Auto und dann in den Hubschrauber zum ersten offiziellen Treffen in Guanabara! Mit einer guten und „verdienten“ Stunde Verspätung beginnt dort das Begrüßungszeremoniell. Die Präsidentin von Brasilien, Dilma Rousseff, begrüßt jetzt ganz offiziell den Papst, zeigt in ihrer Ansprache gemeinsame Punkte mit der Sozialpolitik des Papstes auf, des ersten lateinamerikanischen Papstes, den sie um ein Bündnis der Solidarität, ein globales Bündnis im Kampf gegen die Armut bittet.

Geht über die Grenzen des menschlich Möglichen hinaus und bringt eine Welt von Brüdern hervor.

Danach ergriff er das Wort und hielt eine kurze, prägnante Ansprache in Portugiesisch. Er begann:

In seiner gütigen Vorsehung hat Gott gewollt, dass die erste internationale Reise meines Pontifikats mir die Möglichkeit bieten sollte, in das geliebte Lateinamerika zurückzukehren, konkret nach Brasilien. Diese Nation rühmt sich seiner festen Bande mit dem Apostolischen Stuhl und seiner tiefen Gesinnung des Glaubens und der Freundschaft, die dieses Land auf einzigartige Weise mit dem Nachfolger Petri stets verbunden sein ließ. Ich danke für diese Güte Gottes.

Und dann dieser Satz, der um die Welt und tief ins Herz ging: Ich habe weder Gold noch Silber, aber ich bringe das Wertvollste, das mir gegeben wurde: Jesus Christus!

Und auch die folgende Aussage: Geht über die Grenzen des menschlich Möglichen hinaus und bringt eine Welt von Brüdern hervor. Aber auch die jungen Menschen setzten ihr Vertrauen auf Christus: Sie haben keine Angst, mit ihm das eine Leben zu wagen, das sie besitzen, denn sie wissen, dass sie nicht enttäuscht werden.

Zum Schluss bitte ich alle um die freundliche Aufmerksamkeit und, wenn möglich, das nötige Einfühlungsvermögen, um so einen Dialog unter Freunden aufzunehmen. In diesem Augenblick weiten sich die Arme des Papstes, um die ganze brasilianische Nation in ihrem vielschichtigen menschlichen, kulturellen und religiösen Reichtum zu umarmen. Von Amazonien bis zur Pampa, von den Trockenregionen bis zum Pantanal, von den kleinen Dörfern bis zu den Metropolen fühle sich keiner von der Zuneigung des Papstes ausgeschlossen. Ich habe die Absicht, Sie alle übermorgen, so Gott will, im Gebet vor Unsere Liebe Frau von Aparecida zu tragen und sie um ihren mütterlichen Schutz für Ihre Häuser und Familie anzurufen. Schon jetzt segne ich Sie alle. Vielen Dank für den herzlichen Empfang!

Wärme und Unkompliziertheit – und eine starke soziale Botschaft

Dann empfing er die anwesenden Vertreter der Politik, und danach mit sichtlicher Freude und Herzlichkeit die Personen, die ihn in diesen Tagen aus nächster Nähe begleiten sollen – und unter ihnen Pater Alexandre Awi de Melo – nicht nur mitbeteiligt am Abschlussdokument von Aparecida, sondern auch Mitverfasser der Botschaft 2014, der Botschaft zum Jubiläum 2014, das er erwartet als „eine gemeinsame Aussendung zur vollen Erfüllung der Sendung, für die wir entstanden sind und von deren Verwirklichung wir noch weit entfernt sind.“

Ganz im Sinne seines Stils, war die Ankunft des Papstes in Brasilien geprägt von Wärme und Unkompliziertheit, aber auch von einer starken sozialen Botschaft, so fasst der Kommentar in einer der führenden Tageszeitungen Argentiniens zusammen.

Der Kommentator der Stuttgarter Zeitung schreibt, und man spürt dabei staunende Hoffnung zwischen den Zeilen: “Die vor 45 Jahren  in Medellin  propagierte „Option für die Armen“ der lateinamerikanischen Kirche indes hat sich heute zumindest im gesamtkirchlichen Sprachgebrauch eingebürgert. Der erste lateinamerikanische Papst hat ihr in seiner Person nun auch noch Gestalt gegeben. Damit passt wieder das Bild: Die schwere Akten­tasche, die sich Franziskus für den Flug nach Rio ­gepackt hatte, die schleppte er gestern Morgen eigenhändig die Gangway hoch. Jeder andere hätte tragen lassen.“

Nach Aparecida

Am heutigen Mittwoch, 24. Juli, pilgerte Franziskus zum Heiligtum der Gottesmutter von Aparecida, der Patronin Brasiliens, dorthin, wo 2007 jene Versammlung des lateinamerikanischen Episkopates stattgefunden hatte und bei der er zu einer Schlüsselfigur wurde bei der Abfassung des Dokumentes, das die katholische Kirche zu einer kontinentalen Mission ruft. Dieses Dokument pflegt er den Staatschefs, die ihn besuchen, zu schenken …

 

Mit Material von Renate Dekker, Mechthild Jahn und mehreren Agenturen


Vollständiger Text der Ansprache (Radio Vatikan)

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