Veröffentlicht am 2017-08-12 In Franziskus - Botschaft

Eine Gegenwart, die das Herz verwandelt und uns für die Bedürfnisse und die Aufnahme der Brüder und Schwestern offen sein lässt

FRANZISKUS BEIM ANGELUS, Redaktion schoenstatt.org •

In einer Sonntagspredigt neulich sprach der Prediger (José Antonio Pagola, Spanien) über „das Risiko, sich häuslich einzurichten“. „Früher oder später laufen wir alle Gefahr, uns im Leben häuslich einzurichten, den bequemen Zufluchtsort zu suchen, wo wir ruhig leben können, ohne größere Schrecken oder übermäßige Sorgen, wobei wir jedes andere Streben aufgeben. Es ist der Moment, in dem man ein annehmliches, behagliches Klima sucht. Entspannt in einem glücklichen Ambiente leben. Unser Haus zu einem annehmlichen Zufluchtsort machen, einem Eckchen, wo man lesen und Musik hören kann. Erholsamen Urlaub genießen und annehmliche Wochenenden sichern.“ Anders gesagt, man wird alt, innerlich, lässt die Beweglichkeit der Jugend zurück und das unruhige, ständig suchende Herz.

Man kann sich auch und gefährlicher im Glauben häuslich einrichten. „Das ist die ewige Versuchung des Petrus, die immer auf die Gläubigen lauert: Hütten zu bauen auf dem Gipfel des Berges. Heißt, in der Religion ein inneres Wohlfühlen zu suchen und einen großen Bogen machen um persönliche und gemeinschaftliche Verantwortung zum Erreichen eines menschlicheren Zusammenlebens. Und dabei ist die Botschaft sonnenklar. Eine religiöse Erfahrung ist nicht wirklich christlich, wenn sie uns von den Brüdern und Schwestern abschottet, uns bequem im Leben einrichten lässt und uns vom Dienst an den Bedürftigsten entfernt“, so der Prediger.

Seine Worte erinnern mich an die vielen Begegnungen in der Diözese Nueve de Julio im April dieses Jahres, als wir über die nachösterliche Kirche im Herausgehen geredet haben und über die Gefahr, sich zufriedenzugeben mit dem, was man schon hat, schon kennt, schon tut … und der Herausforderung, herauszugehen aus den Zufluchtsorten, den Oasen, den „drei Hütten“, den Komfortzonen, um zu suchen, zu wachsen, zu erobern und schließlich alles zu lassen für jenen Schatz, der nur von jugendlichen Herzen gefunden werden kann: Jesus und seine Gegenwart, die uns bewegt und in Bewegung hält.

Wie es ein Alois Zeppenfeld sinngemäß am Ende des Ersten Weltkrieges sagte, als die Sodalen, die von Schönstatt aus in die Schützengräben gezogen waren, zurückkehrten, um wieder das zu tun, was sie vorher getan hatten (so wie die Apostel nach Ostern erstmal an den See Genezareth zurückkehrten und wieder fischen gingen): „War das alles nur für die Zeit des Krieges? Und nach dem Krieg – was?“ Dieser junge Mann und viele andere junge Leute hatten im Krieg den Schatz des zum Apostolat drängenden Liebesbündnisses gefunden und forderten die anderen heraus, sich jetzt nicht häuslich einzurichten, sondern herauszugehen… (in der Schönstattgeschichte nennen wir diesen Vorgang „Hörde“, die Gründung eines Schönstatt außerhalb von Schönstatt und nahe bei den Bedürftigen).

Es ist seit jeher das Anliegen von Papst Franziskus. Das Anliegen, das er erneut am 30. Juli beim Angelus ansprach, in seinem Aufruf, den Schatz aller Schätze zu finden und alles zu lassen für diese Präsenz Jesu, die das Herz verwandelt und uns für die Nöte der Welt und die Sorge für die Notleidenden öffnet.

Vollständiger Text der Ansprache von Papst Franziskus beim Angelus am 30. Juli 2017

Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

Die Gleichnisrede Jesu, die im dreizehnten Kapitel des Matthäusevangeliums sieben Gleichnisse zusammenstellt, findet mit den drei heutigen Bildern ihren Abschluss: mit dem Bild des verborgenen Schatzes (V. 44), der kostbaren Perle (V. 45-46) und des Fischernetzes (V. 47-48). Ich möchte mich den ersten beiden zuwenden: Sie unterstreichen den Entschluss der Protagonisten, alles zu verkaufen, um das zu erlangen, was sie entdeckt haben. Im ersten Fall handelt es sich um einen Bauern, der zufällig einen Schatz entdeckt, der im Acker vergraben ist, wo er arbeitet. Da der Acker nicht ihm gehört, muss er ihn erwerben, wenn er in den Besitz des Schatzes gelangen will: So beschließt er, sein ganzes Hab und Gut zu riskieren, um jene wirklich außerordentliche Gelegenheit nicht zu verpassen. Im zweiten Fall sehen wir einen Kaufmann, der mit kostbaren Perlen handelt. Als erfahrener Kenner findet er eine besonders wertvolle Perle. Auch er beschließt, alles auf jene Perle zu setzen und dafür alle anderen zu verkaufen.

Diese Gleichnisse heben zwei Merkmale hervor, die den Besitz des Reiches Gottes betreffen: die Suche und das Opfer. Es ist wahr, dass das Reich Gottes allen angeboten wird – es ist eine Gabe, es ist ein Geschenk, es ist eine Gnade –, doch es wird nicht auf einem Silbertablett serviert, es erfordert eine Dynamik: es geht darum, zu suchen, zu gehen, sich einzusetzen. Die Haltung jener Suche ist die wesentliche Bedingung für das Finden. Es ist notwendig, dass das Herz brennt vor Verlangen, das kostbare Gut zu erreichen, das heißt das Reich Gottes, das in der Person Jesu gegenwärtig wird. Er ist der verborgene Schatz, er ist die wertvolle Perle. Er ist die grundlegende Entdeckung, die unserem Leben eine entscheidende Wende geben kann, indem sie es mit Sinn erfüllt.

Angesichts der unerwarteten Entdeckung werden sich sowohl der Bauer als auch der Kaufmann bewusst, dass sie vor einer einzigartigen Gelegenheit stehen, die sie sich nicht entgehen lassen dürfen. Daher verkaufen sie alles, was sie besitzen. Die Erkenntnis des unermesslichen Wertes dieses Schatzes führt zu einer Entscheidung, die auch Opfer, Trennungen und Verzichte einschließt. Wenn man den Schatz und die Perle entdeckt hat – das heißt wenn wir den Herrn gefunden haben –, darf man diese Entdeckung nicht unfruchtbar lassen, sondern muss alles andere opfern. Es geht nicht darum, alles Übrige zu verachten, sondern es Jesus unterzuordnen und ihn an die erste Stelle zu setzen. Die Gnade an die erste Stelle. Der Jünger Christi ist nicht einer, der auf etwas Wesentliches verzichtet hat. Er ist jemand, der sehr viel mehr gefunden hat: Er hat die Freude in Fülle gefunden, die allein der Herr schenken kann. Das ist die dem Evangelium entsprechende Freude der geheilten Kranken, es ist die Freude der Sünder, denen vergeben worden ist, und es ist die Freude des Schächers, für den sich die Pforte des Paradieses öffnet.

Die Freude des Evangeliums erfüllt das Herz und das gesamte Leben derer, die Jesus begegnen. Diejenigen, die sich von ihm retten lassen, sind befreit von der Sünde, von der Traurigkeit, von der inneren Leere und von der Vereinsamung. Mit Jesus Christus kommt immer – und immer wieder – die Freude (vgl. Evangelii gaudium, 1). Heute werden wir aufgefordert, in den Gleichnissen die Freude des Bauers und des Kaufmanns zu betrachten. Es ist die Freude eines jeden von uns, wenn wir die Nähe und tröstende Gegenwart Jesu in unserem Leben entdecken: eine Gegenwart, die das Herz verwandelt und uns für die Bedürfnisse und die Aufnahme der Brüder und Schwestern offen sein lässt, besonders der schwächsten unter ihnen.

Mit der Fürsprache der Jungfrau Maria wollen wir beten, dass es ein jeder von uns verstehe, mit den Worten und den alltäglichen Gesten die Freude zu bezeugen, den Schatz des Reiches Gottes gefunden zu haben, das heißt die Liebe, die der Vater uns durch Jesus geschenkt hat.

Übersetzung: Osservatore Romano, deutsche Ausgabe, 10. 08. 2017

 

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