Veröffentlicht am 2015-08-31 In Franziskus - Botschaft

Die Grenze zwischen Gut und Böse verläuft nicht außerhalb, sondern geht durch unser Inneres.

FFRANZISKUS IN ROM •

Wie einst die Pharisäer laufen auch wir Gefahr, uns für in Ordnung oder – noch schlimmer – allein aufgrund der Beachtung der Regeln, der Gepflogenheiten, den anderen überlegen zu halten, auch wenn wir unsere Nächsten nicht lieben und stattdessen hartherzig, hochmütig und stolz sind. Das wortwörtliche Beachten der Gebote ist etwas Steriles, wenn es nicht die Herzen ändert und sich nicht in konkrete Haltungen umsetzt: die Öffnung für die Begegnung mit Gott und seinem Wort, die Suche nach Gerechtigkeit und Frieden, die Hilfe für die Armen, Schwachen und Unterdrückten.

Papst Franziskus nutzte wieder einmal die Kanzel des Fensters, um die Rigoristen in der eigenen Kirche wegen ihrer Heuchelei zu geißeln, und um für die Migranten und Flüchtlinge zu bitten, die auf dem Weg nach Europa ihr Leben verlieren. Und wie schon so oft forderte er die internationale Gemeinschaft auf, einzugreifen, um den Christenverfolgungen ein Ende zu setzen und mit den Verbrechen, die die gesamte Menschheitsfamilie beleidigen.

Nach dem Angelus erinnerte Franziskus an die schrecklichen Unfälle von Flüchtlingen und Migranten in den vergangenen Tagen, sowie vor allem an den grausamen Fund der 71 toten Flüchtlinge in einem LKW in Österreich:

„Leider auch in den letzten Tagen haben zahlreiche Migranten ihr Leben verloren auf ihren schrecklichen Reisen. Für all diese Brüder und Schwestern, bete ich und lade ein für sie zu beten. Vor allem, vereine ich mich im Gebet mit Kardinal Schönborn – der heute hier präsent ist – und bete für die gesamte Kirche in Österreich für die 71 Opfer, unter welchen auch vier Kinder waren, die in einem LKW auf der Autobahn zwischen Wien und Budapest gefunden wurden. Bitten wir um Gottes Barmherzigkeit und bitten wir ihn uns zu helfen für eine effektive Zusammenarbeit gegen diese Verbrechen an der gesamten Familie der Menschheit. Beten wir für alle Flüchtlinge die leiden und für alle die ihr Leben verloren haben.“

 

Vollständiger Text der Ansprache von Papst Franziskus:

Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

Das heutige Sonntagsevangelium handelt von einem Disput zwischen Jesus und manchen Pharisäern und Schriftgelehrten, wobei die Streitfrage der Wert der „Überlieferung der Alten“ (Mk 7,3) ist. Letztere definiert Jesus unter Bezugnahme auf den Propheten Jesaja als „Satzungen von Menschen“ (V. 7), die niemals den Platz von „Gottes Gebot“ (V. 8) einnehmen dürfen. Die Satzungen der Alten umfassten nicht nur die Mose offenbarten Satzungen Gottes, sondern eine Reihe von Angaben, die die Anweisungen des mosaischen Gesetzes spezifizierten. Die Schriftgelehrten wandten diese Normen sehr gewissenhaft an und legten sie als Ausdruck authentischer Religiosität vor. Aus diesem Grund werfen sie Jesus und seinen Jüngern einen Verstoß gegen diese Vorschriften vor, insbesondere gegen jene in Zusammenhang mit der äußerlichen Reinigung des Leibes (vgl. V. 5). Die Antwort Jesu besitzt die Kraft eines prophetischen Ausspruchs: „Ihr gebt Gottes Gebot preis und haltet euch an die Überlieferung der Menschen“ (V. 8). Diese Worte erfüllen uns mit Bewunderung für unseren Meister: Wir spüren, dass in ihm die Wahrheit lebt und seine Weisheit uns von Vorurteilen befreit.

Beachtet jedoch Folgendes! Mit diesen Worten will Jesus auch uns heute davor warnen, die Auffassung zu vertreten, dass das äußerliche Beachten der Gesetze ausreichend sei, um gute Christen zu sein. Wie einst die Pharisäer laufen auch wir Gefahr, uns für in Ordnung oder – noch schlimmer – allein aufgrund der Beachtung der Regeln, der Gepflogenheiten, den anderen überlegen zu halten, auch wenn wir unsere Nächsten nicht lieben und stattdessen hartherzig, hochmütig und stolz sind. Das wortwörtliche Beachten der Gebote ist etwas Steriles, wenn es nicht die Herzen ändert und sich nicht in konkrete Haltungen umsetzt: die Öffnung für die Begegnung mit Gott und seinem Wort, die Suche nach Gerechtigkeit und Frieden, die Hilfe für die Armen, Schwachen und Unterdrückten. In unseren Gemeinden, Pfarreien und Vierteln ist uns allen bewusst, wie schlecht jene Menschen für die Kirche sind, die sich sehr katholisch geben, oft die hl. Messe besuchen, danach jedoch – in ihrem Alltag – ihre Familie vernachlässigen, schlecht über die anderen reden usw. Dieses Verhalten wird von Jesus scharf kritisiert, denn es handelt sich um ein christliches Gegen-Zeugnis.

Jesus setzt seine Ermahnung mit der Thematisierung eines auf einer tieferen Ebene angesiedelten Aspektes fort und sagt: „Nichts, was von außen in den Menschen hineinkommt, kann ihn unrein machen, sondern was aus dem Menschen herauskommt, das macht ihn unrein“ (V. 15). Damit betont er den Primat der Innerlichkeit, des „Herzens“: Nicht die äußerlichen Dinge machen uns zu Heiligen oder Nichtheiligen; vielmehr bringt das Herz unsere Absichten, Entscheidungen und den Wunsch zum Ausdruck, alles aus Liebe zu Gott zu tun. Die äußerlichen Haltungen sind die Folge dessen, was wir im Herzen entschieden haben und nicht umgekehrt: Die äußerlichen Haltungen machen uns nicht zu wahren Christen, wenn wir uns im Herzen nicht ändern. Die Grenze zwischen Gut und Böse verläuft nicht außerhalb, sondern geht durch unser Inneres. Wir können uns daher die Frage stellen: Wo ist mein Herz? Jesus äußert sich dazu mit den Worten: „Wo dein Schatz ist, ist dein Herz“. Was ist mein Schatz? Betrifft er Jesus und seine Lehre? Dann ist das Herz gut. Ist der Schatz hingegen etwas anderes? In diesem Fall bedarf das Herz der Läuterung und der Umkehr. Ohne ein geläutertes Herz ist es unmöglich, wirklich saubere Hände und aufrichtige Worte der Liebe, der Barmherzigkeit und der Vergebung sprechende Lippen zu haben, wozu nur ein aufrichtiges und geläutertes Herz fähig ist – ansonsten ist alles zweideutig, man führt gleichsam ein Doppelleben.

Bitten wir den Herrn durch die Fürsprache der Jungfrau Maria um das Geschenk eines reinen Herzens, das frei von jeder Scheinheiligkeit ist. Das entsprechende Adjektiv – „scheinheilig“ – verwendete Jesus den Pharisäern gegenüber, da ihre Worte nicht mit ihren Taten im Einklang stehen. Ein von jeglicher Scheinheiligkeit freies Herz erlaubt uns ein Leben in Übereinstimmung mit dem Geist des Gesetzes und das Erreichen des Ziels: der Liebe.

 

Übersetzung der Worte von Papst Franziskus nach Zenit.

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