Veröffentlicht am 2015-04-26 In Franziskus - Botschaft

Ein Bündnis zwischen Mann und Frau

von: Redaktion •

Bei den Generalaudienzen am dritten und vierten Mittwoch im April hat Papst Franziskus auf einem frühlinghaften Petersplatz vor Tausenden von Pilgern aus zahlreichen Ländern seine Katechesenreihe über die Familie fortgesetzt mit zwei Betrachtungen über die Unterschiedlichkeit von Mann und Frau und ihre gegenseitige Ergänzung, Grundlage der ehelichen und familienhaften Verbundenheit, die von der Gnade Gottes getragen wird.

 

Die Familie: Mann und Frau (1)

Liebe Brüder und Schwestern,

guten Tag!

Die heutige Katechese ist einem zentralen Aspekt des Themas »Familie« gewidmet: dem großen Geschenk, das Gott durch die Erschaffung von Mann und Frau sowie durch das Sakrament der Ehe der Menschheit gemacht hat. Diese und die nächste Katechese handeln vom Unterschied und der wechselseitigen Ergänzung von Mann und Frau, Höhepunkt der göttlichen Schöpfung; in den beiden nachfolgenden Katechesen wird es dann um weitere Themen der Ehe gehen.

Beginnen wir mit einem kurzen Kommentar zum ersten Schöpfungsbericht, im Buch Genesis. Hier lesen wir, dass Gott, nachdem er das Universum und alle Lebewesen erschaffen hatte, das Meisterwerk erschuf, also den Menschen, den er als sein Abbild machte: »Als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie«, heißt es im Buch Genesis (1,27).

Und wie wir alle wissen, gibt es den Unterschied der Geschlechter in vielen Lebensformen in der langen Reihe der Lebewesen. Aber nur im Mann und in der Frau trägt er das Abbild und die Ebenbildlichkeit Gottes in sich: Der biblische Text wiederholt es dreimal in zwei Versen (26-27): Mann und Frau sind das Abbild Gottes, ihm ähnlich. Dem entnehmen wir, dass nicht nur der Mann als Einzelner betrachtet das Abbild Gottes ist, dass nicht nur die Frau als Einzelne betrachtet das Abbild Gottes ist, sondern dass auch Mann und Frau als Paar Abbild Gottes sind. Der Unterschied zwischen Mann und Frau dient nicht dem Gegensatz oder der Unterordnung, sondern der Gemeinschaft und der Fortpflanzung, stets als Abbild Gottes, ihm ähnlich.

Die Erfahrung lehrt uns: Um einander gut kennenzulernen und harmonisch zu wachsen, braucht der Mensch die Gegenseitigkeit von Mann und Frau. Wo das nicht geschieht, sieht man die Folgen. Wir sind dazu erschaffen, einander zuzuhören und uns gegenseitig zu helfen. Wir können sagen, dass ohne die wechselseitige Bereicherung in dieser Beziehung – im Denken und im Handeln, in der Affektivität und in der Arbeit, auch im Glauben – die beiden nicht einmal bis ins Letzte verstehen können, was es bedeutet, Mann und Frau zu sein.

Die moderne, zeitgenössische Kultur hat neue Räume, neue Freiheiten und neue Tiefen eröffnet, um das Verständnis dieses Unterschieds zu bereichern. Aber sie hat auch viele Zweifel und viel Skepsis eingeführt. Ich frage mich zum Beispiel, ob die sogenannte Gender-Theorie nicht auch Ausdruck von Frustration und Resignation ist, die darauf abzielt, den Unterschied zwischen den Geschlechtern auszulöschen, weil sie sich nicht mehr damit auseinanderzusetzen versteht. Ja, wir laufen Gefahr, einen Rückschritt zu machen. Denn die Beseitigung des Unterschieds ist das Problem, nicht die Lösung. Um ihre Beziehungsprobleme zu lösen, müssen Mann und Frau vielmehr miteinander sprechen, einander besser zuhören, einander besser kennenlernen, einander mehr lieben. Sie müssen einander respektvoll behandeln und freundschaftlich zusammenarbeiten.

Auf diesen menschlichen Grundlagen ist es, gestützt von der Gnade Gottes, möglich, die eheliche und familiäre Verbindung für das ganze Leben zu planen. Der Bund der Ehe und der Familie ist etwas Ernstes, das gilt für alle, nicht nur für die Gläubigen. Ich möchte die Intellektuellen auffordern, dieses Thema nicht zu vernachlässigen, so als sei es für den Einsatz zugunsten einer freieren und gerechteren Gesellschaft nebensächlich geworden. Gott hat die Erde dem Bund von Mann und Frau anvertraut: Dessen Scheitern lässt die Welt der Liebe verarmen und verdunkelt den Himmel der Hoffnung. Die Zeichen sind bereits besorgniserregend, und wir sehen sie. Ich möchte auf zwei von vielen Punkten hinweisen, von denen ich glaube, dass sie uns mit größerer Dringlichkeit beschäftigen müssen.

Der erste. Zweifellos müssen wir viel mehr für die Frau tun, wenn wir der Gegenseitigkeit von Männern und Frauen mehr Kraft verleihen wollen. Denn die Frau muss nicht nur mehr gehört werden, sondern ihre Stimme muss echtes Gewicht, anerkannte Autorität in der Gesellschaft und in der Kirche haben. Die Haltung Jesu der Frau gegenüber – in einem weniger günstigen Umfeld als dem unseren, denn in jener Zeit stand die Frau wirklich an zweiter Stelle – und der Umgang Jesu mit ihr sind ein helles Licht, das einen Weg erleuchtet, der uns weit führt und von dem wir erst ein kleines Stück gegangen sind. Wir haben noch nicht tief genug verstanden, was der weibliche Genius uns geben kann, was die Frau der Gesellschaft und auch uns geben kann: Die Frau sieht die Dinge mit anderen Augen, die das Denken der Männer ergänzen. Dieser Weg muss mit mehr Kreativität und Kühnheit beschritten werden.

Eine zweite Überlegung betrifft das Thema von Mann und Frau, erschaffen als Abbild Gottes. Ich frage mich, ob die allgemeine Krise des Gottvertrauens, die sich so schlecht auf uns auswirkt, die uns an resignierender Ungläubigkeit und Zynismus erkranken lässt, nicht auch mit der Krise des Bundes von Mann und Frau zusammenhängt. Denn der biblische Bericht mit der großen symbolischen Beschreibung des irdischen Paradieses und der Erbsünde, sagt uns, dass die Gemeinschaft mit Gott sich in der Gemeinschaft des menschlichen Paares widerspiegelt und dass der Verlust des Vertrauens in den himmlischen Vater Spaltung und Konflikt zwischen Mann und Frau schafft.

Daraus ergibt sich die große Verantwortung der Kirche, aller Gläubigen und vor allem der gläubigen Familien, die Schönheit des Schöpfungsplans, der das Abbild Gottes auch in den Bund von Mann und Frau einschreibt, wiederzuentdecken. Die Erde wird mit Harmonie und Vertrauen erfüllt, wenn der Bund von Mann und Frau im Guten gelebt wird. Und wenn Mann und Frau diesen Bund miteinander und mit Gott suchen, dann finden sie ihn zweifellos. Jesus ermutigt uns ausdrücklich zum Zeugnis dieser Schönheit, die das Abbild Gottes ist.

Übersetzung: Osservatore Romano

 

Die Familie: Mann und Frau (2)

Liebe Brüder und Schwestern,

in der vorangegangenen Katechese über die Familie verweilte ich bei der ersten Erzählung zur Schöpfung des Menschen im ersten Kapitel des Buches Genesis, wo zu lesen ist: Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie (1. Mose 1,27).

Heute möchte ich die Betrachtungen mit der zweiten Erzählung im zweiten Kapitel vervollständigen. Dort lesen wir, dass der Herr nach der Erschaffung des Himmels und der Erde den Menschen aus Erde vom Ackerboden formte und in seine Nase den Lebensatem blies, wodurch der Mensch zu einem lebendigen Wesen wurde (vgl. 2,7). Der Mensch stellt den Höhepunkt der Schöpfung dar. Allerdings fehlt dabei noch etwas: Danach nahm Gott, der Herr, also den Menschen und setzte ihn in den Garten von Eden, damit er ihn bebaue und hüte (vgl. 2,15).

Der Heilige Geist, der die gesamte Bibel inspirierte, zeigt uns einen Augenblick lang nur das Bild des Mannes, dem ohne die Frau jedoch etwas fehlt. Er empfiehlt das göttliche Denken und gleichsam die Gesinnung Gottes, die über den einsamen Adam im Garten wacht. Dieser ist frei, ein Herr… aber allein. Gott sieht, dass dies „nicht gut ist“. Es besteht gleichsam ein Mangel an Gemeinschaft, an Fülle. „Es ist nicht gut“, sagt Gott und fügt hinzu, ihm eine Hilfe machen zu wollen, die ihm entspreche (vgl. 2,18).

So zeigt Gott dem Mann alle Tiere; jedem gibt er seinen Namen – und dies führt uns zu einem weiteren Bild der Herrschaft des Menschen über die Schöpfung – allerdings findet er in keinem Tier ein ihm ähnliches Wesen. Somit bleibt der Mann weiterhin allein. Als Gott ihm endlich die Frau vorstellt, erkennt er jubelnd, dass diese Kreatur – und nur diese – ein Teil von ihm ist: „Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch“ (2,23). Endlich hat er ein Spiegelbild vor Augen; eine Entsprechung. Wenn ein Mensch – dieses Beispiel führt zu einem guten Verständnis dieses Aspektes – einem anderen die Hand reichen will, muss sich dieser Mensch vor ihm befinden; wenn jemand die Hand ausstreckt und niemanden hat, erfährt er keine Berührung… es fehlt die Gegenseitigkeit. So verhielt es sich mit dem Mann; etwas fehlte ihm, um zu seiner Fülle zu gelangen; die Gegenseitigkeit. Die Frau ist keine „Nachahmung“ des Mannes; sie entstammt direkt der Geste Gottes, des Schöpfers. Das Bild von der „Rippe“ drückt keineswegs einen niedrigeren Stellenwert oder Unterordnung aus sondern zeigt im Gegenteil, dass Mann und Frau aus der gleichen Substanz geformt sind, sich gegenseitig ergänzen und auch diese Entsprechung besitzen. Die Tatsache, dass Gott diesem Gleichnis zufolge die Frau formte, während der Mann schlief, betont gerade, dass sie keineswegs eine Kreatur des Mannes, sondern Gottes ist. Diese Stelle zeigt ebenso, dass der Mann zuerst von der Frau träumen muss, bevor er sie und – so können wir es ausdrücken – ihre Liebe erreichen kann.

Das Vertrauen Gottes in den Mann und in die Frau, denen er die Erde anvertraut, ist gekennzeichnet von Großzügigkeit, Direktheit und Fülle. Er vertraut ihnen. Allerdings pflanzt der Widersacher in ihren Geist den Verdacht, die Ungläubigkeit, das Misstrauen ein. Letztendlich entsteht Ungehorsam gegenüber dem zu ihrem Schutz gedachten Gebot. Somit fallen Mann und Frau der Sucht nach Allmacht zum Opfer, die alles vergiftet und die Harmonie zerstört. Auch wir spüren dies sehr oft in uns, wir alle.

Die Sünde bringt Misstrauen und Spaltung zwischen Mann und Frau hervor. Ihre Beziehung wird geprägt von Tausenden von Formen des Übergriffs und der Unterwerfung, trügerischer Verführung und demütigender Machtdemonstration, die in höchst dramatische und gewaltsame Situationen münden. Die Geschichte zeigt Spuren davon. Denken wir beispielsweise an die negativen Exzesse der patriarchalischen Kulturen, an die zahlreichen Formen des Männlichkeitswahns, die eine Betrachtung der Frau als zweitrangig implizieren. Denken wir an die Instrumentalisierung und Kommerzialisierung des weiblichen Körpers in der gegenwärtigen Medienkultur. Bedenken wir jedoch auch die jüngste Epidemie des sich in unserer Kultur ausbreitenden Misstrauens, der Skepsis und sogar Feindseligkeit – insbesondere ausgehend von einem verständlichen Misstrauen der Frau – in Bezug auf ein Bündnis zwischen Mann und Frau, das zu einer Verfeinerung der Intimität der Gemeinschaft fähig ist und zugleich die Würde der Unterschiede aufrecht erhält.

Wenn unsere Sympathiewerte für dieses Bündnis nicht einen sprunghaften Anstieg erleben, das die neuen Generationen vom Misstrauen und der Gleichgültigkeit fernhalten kann, so werden wir Kinder zur Welt bringen, die ab dem Mutterleib immer mehr von diesem Bündnis entwurzelt sind. Die soziale Entwertung einer stabilen und produktiven Allianz zwischen Mann und Frau ist sicherlich ein Verlust für alle Menschen. Wir müssen der Ehe und der Familie erneut Ehre entgegenbringen! In diesem Zusammenhang ist in der Bibel der schöne Satz enthalten: Der Mann findet die Frau, sie begegnen sich und der Mann muss etwas zurücklassen, um sie voll und ganz zu finden. Daher verlässt der Mann seinen Vater und seine Mutter, um sich ihr zu nähern. Das ist schön! Es bedeutet, einen neuen Weg einzuschlagen. Der Mann ist alles für die Frau und die Frau ist alles für den Mann.

Die Wahrung dieses Bündnisses zwischen Mann und Frau trotz ihrer Sünden, ihrer Verletzungen, ihrer Verwirrung, Demütigung, ihres Misstrauens und ihrer Unsicherheit ist für uns Gläubige in unserem heutigen Dasein daher eine anspruchsvolle und spannende Berufung. Die Erzählung von der Schöpfung und der Sünde offenbart uns am Ende ein wunderbares Bild dafür: „Gott, der Herr, machte Adam und seiner Frau Röcke aus Fellen und bekleidete sie damit“ (3. Mose 3,21). Aus diesem Bild spricht eine Zärtlichkeit gegenüber diesem sündigen Paar, die uns mit Erstaunen erfüllt: die Zärtlichkeit Gottes gegenüber dem Mann und der Frau! Dieses Bild zeigt die väterliche Obhut über dieses menschliche Paar. Gott selbst sorgt sich um sein Meisterwerk und beschützt es.

Übersetzung nach Zenit

 

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