Veröffentlicht am 2015-03-14 In Franziskus - Botschaft

Heiliges Jahr 2016 – ein Jahr der Barmherzigkeit: Herausforderung an die Bündniskultur

 VATIKAN, Schw. M. Elizabet Parodi. Ich komme gerade aus dem Petersdom. Er war voll, wie immer, wenn der Heilige Vater dort eine Liturgie feiert. Heute, am zweiten Jahrestag seines Pontifikates, stand er einem Bußgottesdienst vor. In der Predigt, in der er darüber sprach, dass Gott niemals müde wird, uns zu verzeihen, verkündete er eine Entscheidung, die er getroffen habe: Mit Worten, die aus der tiefsten Tiefe seines Herzens kamen, verkündete er ein außerordentliches Heiliges Jahr der Barmherzigkeit, das mit dem Fest der Unbefleckten Empfängnis, dem 8. Dezember 2015 – dem 50. Jahrestag des Abschlusses des II. Vatikanischen Konzils – beginnen soll. Seine Worte bewegten uns alle – der spontane Beifall, der den Petersdom erfüllte, war reales Zeichen dafür.

 

Ein Heiliges Jahr, das die Kernbotschaft seines Pontifikates trägt: die Barmherzigkeit Gottes ist Mitte seines Gottesbildes, seines Kirchenbildes und seines Bildes der Beziehungen der Menschen untereinander. Die Kirche „im Herausgehen“ ist jene, die die Liebe eines Vaters, der zu seinen Kindern kommen möchte, nicht für sich bewahren kann. Die Kultur ist der Begegnung die Konkretisierung dieser Erfahrung der Barmherzigkeit im Rahmen unserer Beziehungen.

Die Ankündigung dieses Heiligen Jahres scheint mir eine Herausforderung an uns zu sein. Der Heilige Vater öffnet uns erneut sein Vaterherz, so wie in dem Dialog mit uns im Oktober, um uns in unserer Mission herauszufordern.

Bei der Feier des Liebesbündnisses haben wir das Vatersymbol im Urheiligtum angebracht. Das war nicht ein Akt neben vielen anderen und erst recht nicht ein nettes Jubiläumsandenken. Pater Kentenich schenkte dieses Symbol als Ausdruck unserer Mission, als reife Frucht des Liebesbündnisses: der Blick des Vaters symbolisiert, dass die Unverdientheit der barmherzigen Liebe Gottes Grundlage und Mitte der Bündniskultur ist; dass diese Kultur entsteht aus einer neuen Form, ihn zu entdecken (der Gründer sprach vom neuen Vaterbild), einander zu sehen (aus der Würde, die uns dieser Blick der Barmherzigkeit gibt) und der Dringlichkeit, diesen durchscheinen zu lassen, damit andere Gott in uns begegnen.

Das Heilige Jahr der Barmherzigkeit ist eine Herausforderung, die sich verbindet mit dem Liebesbündnis, das wir beim Jubiläum erneuert und das wir in dem Symbol, das wir im Urheiligtum angebracht haben, ausgedrückt haben.

Der Heilige Vater rechnet mit uns. Wie er uns vor fünf Monaten gesagt hat, ist Bündniskultur konkrete Erfahrung der Solidarität, ist Kultur der Begegnung, die nicht wachsen kann, ohne die Unverdientheit der Barmherzigkeit Gottes uns gegenüber und unserer Barmherzigkeit gegenüber den anderen. Bündniskultur, Barmherzigkeitskultur.

 

Ansprache des Heiligen Vaters, Papst Franziskus.

Auch in diesem Jahr sind wir hier zur Vigil des vierten Fastensonntages versammelt, um eine Bußliturgie zu feiern. Wir sind vereint mit vielen Christen, die auf der gesamten Welt die Einladung angenommen haben, diesen Augenblick als ein Zeichen der Güte des Herrn zu feiern. Das Sakrament der Versöhnung erlaubt uns nämlich, uns dem Vater im Vertrauen auf die Sicherheit seiner Verzeihung zu nähern. Er ist wirklich „reich an Barmherzigkeit“ und dehnt sie im Überfluss über die aus, die mit aufrechtem Herzen zu ihm kommen.

Auch hier zu sein und die Erfahrung seiner Liebe zu machen, ist vor allem Frucht seiner Gnade. Wie uns der Apostel Paulus erinnert hat, hört Gott niemals auf, uns die Fülle seiner Barmherzigkeit durch die Jahrhunderte hindurch zu zeigen. Die Verwandlung des Herzens, die uns dazu bringt unsere Sünden zu bekennen, ist ein Geschenk Gottes und sein Tun (vgl. Eph 2:8-10). Von der Zärtlichkeit seiner Hand berührt zu sein und von seiner Gnade geformt zu sein erlaubt es uns, uns dem Priester ohne Angst mit unserer Schuld zu nähern, in der Sicherheit von ihm im Namen Gottes angenommen zu werden und in unserer Not verstanden zu werden. Aus dem Beichtstuhl heraus kommend spüren wir seine Kraft, die uns das Leben zurück gibt und die Begeisterung des Glaubens erneuert.

Das Evangelium, das wir gehört haben (Lk 7:36-50), öffnet uns einen Weg der Hoffnung und des Trostes. Es ist gut, über uns denselben barmherzigen Blick Jesu zu wissen, wie er ihn auch auf die Sünderin im Haus des Pharisäers gerichtet hat. In diesem Textstück tauchen wiederholt zwei Worte auf: Liebe und Gericht.

Es ist die Liebe der Sünderin, die sich vor dem Herrn erniedrigt, aber noch davor gibt es die barmherzige Liebe Jesu für sie, welche sie dazu bringt, sich ihm zu nähern. Ihre Tränen der Reue und der Freude waschen die Füße des Meisters, und ihre Haare trocknen sie in Dankbarkeit; die Küsse sind Ausdruck ihrer reinen Zuneigung; und die reichhaltig ausgegossene wohlriechende Salbe bezeugt, wie kostbar er in ihren Augen ist. Jede Geste dieser Frau spricht von Liebe und drückt ihre Sehnsucht aus, eine unerschütterliche Sicherheit in ihrem Leben zu haben: dass ihr vergeben ist. Und Jesus gibt ihr diese Sicherheit: Sie annehmend zeigt er ihr die Liebe Gottes für sie, ganz allein für sie! Die Liebe und die Vergebung sind gleichzeitig: Gott vergibt ihr viel, alles, weil „sie viel geliebt hat“; und sie verehrt Jesus, weil sie spürt, dass in ihm die Barmherzigkeit ist, nicht Verurteilung. Dank Jesus hat Gott ihre vielen Sünden auf sich genommen, sie sind vergessen. Für sie beginnt nun eine neue Zeit; sie ist in die Liebe und ein neues Leben eingetreten.

Diese Frau ist dem Herrn wirklich begegnet. In der Stille hat sie ihr Herz geöffnet; im Schmerz hat sie ihm ihre Reue für ihre Sünden gezeigt; in ihren Tränen hat sie an die göttliche Güte appelliert, um Vergebung zu erlangen. Für sie gibt es kein Gericht außer dem, das von Gott kommt, und dieses ist das Gericht der Barmherzigkeit. Die Protagonistin dieser Begegnung ist wirklich die Liebe, die über die Gerechtigkeit hinausgeht.

Dem Pharisäer Simon dagegen gelingt es nicht, auf diese Straße der Liebe zu kommen. Er verbleibt fest auf der Schwelle seiner Förmlichkeit. Er ist nicht fähig, den nächsten Schritt zu tun und zur Begegnung mit Jesus zu gelangen, der ihm die Erlösung bringt. Simon ist dazu begrenzt, Jesus zum Essen einzuladen, aber er hat ihn nicht wirklich aufgenommen. In seinen Gedanken gibt es nur Gerechtigkeit, und das Tun Jesu sieht er als Fehler. Sein Urteil über die Frau entfernt ihn von der Wahrheit und erlaubt ihm nicht, zu erkennen, wer sein Gast ist. Er bleibt an der Oberfläche und ist nicht fähig, das Herz zu sehen. Auf die Frage zum Gleichnis Jesu, welcher Diener mehr geliebt habe, antwortet der Pharisäer korrekt „Der, dem er mehr vergeben hat“. Und Jesus bestätigt ihn: „Du hast recht gesprochen“. Nur wenn sich das Urteil des Simon zur Liebe hin dreht, dann ist er im Recht.

Die Erinnerung Jesu treibt jeden von uns dazu an, niemals an der Oberfläche der Dinge stehen zu bleiben, vor allem, wenn wir jemandem gegenüber stehen. Wir sind gerufen, darüber hinaus zu schauen, auf das Herz, um zu sehen, zu wie viel Freigiebigkeit jeder fähig ist. Niemand ist von der Barmherzigkeit Gottes ausgeschlossen; alle kennen den Weg, um sie zu betreten und die Kirche ist das Haus, das alle aufnimmt und niemanden zurückweist. Ihre Tore sind weit offen, so dass alle, die von der Gnade berührt sind, die Sicherheit der Vergebung finden können. So groß die Sünden sein mögen, größer ist die Liebe der Kirche für diejenigen, die sich bekehren.

Liebe Schwestern und Brüder, ich habe darüber nachgedacht, wie die Kirche noch mehr ihren Auftrag, Zeugin der Nächstenliebe zu sein, erfüllen kann. Es ist ein Weg, der mit einer geistlichen Bekehrung beginnt. Deswegen habe ich entschieden, ein außerordentliches Jubiläumsjahr auszurufen, in dem es um die Barmherzigkeit Gottes gehen wird. Es wird ein „Heiliges Jahr der Barmherzigkeit“ sein. Wir wollen es im Licht der Worte Jesu leben: „Seid barmherzig wie der Vater“ (Lk 6:36)

Dieses Heilige Jahr beginnt am kommenden Hochfest der Unbefleckten Empfängnis Mariens [8. Dezember] und endet am 20. November 2016, dem Hochfest Christi, des Königs des Universums und lebendiges Angesicht der Barmherzigkeit des Vaters. Ich vertraue die Organisation dieses Jahres dem Päpstlichen Rat für die Förderung der Neuevangelisierung an, auf dass es ein neuer Abschnitt auf dem Weg der Kirche in ihrer Mission wird, jedem Menschen die Frohe Botschaft der Barmherzigkeit zu bringen.

Ich bin davon überzeugt, dass die ganze Kirche in diesem Jubiläumsjahr die Freude findet, die Barmherzigkeit Gottes neu zu entdecken und fruchtbar werden zu lassen; wir sind alle berufen, mit der Barmherzigkeit Trost jedem Mann und jeder Frau unserer Zeit zu spenden. Wir vertrauen es der Mutter der Barmherzigkeit an, dass sie ihren Blick auf uns richtet und unseren Weg beschützt.

(Quelle: Radio Vatikan, 13.03.2015 ord)

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