Veröffentlicht am 2019-11-10 In Gefängnispastoral, Haus Madre de Tuparenda, Kirche - Franziskus - Bewegungen, Werke der Barmherzigkeit

Ich war im Gefängnis und du bist zu mir gekommen… und hast mir die erste Chance meines Lebens gegeben

VATIKAN/PARAGUAY, María Fischer •

Sie haben sich bereits einmal getroffen, und auch damals hatte es etwas zu tun mit dem Dienst an jugendlichen Häftlingen. Es war im Juli 2015 auf der Uferpromenade von Asunción, als Pater Pedro zusammen mit einem jungen Gefangenen aus dem Jugendgefängnis in Itauguá bei Papst Franziskus auf dem Podium stand. Jetzt begegneten Papst Franziskus und Pater Pedro Kühlcke einander im Vatikan zum Abschluss des internationalen Kongresses „Integrale menschliche Entwicklung und Katholische Gefängnispastoral“ für regionale und nationale Leiter der Gefängnisseelsorge. “ Der Papst hat sich richtig viel Zeit genommen, um mit Pater Pedro zu sprechen“, so Pamela Fabiano, die im Namen des organisierenden Dikasteriums anwesend war. Pater Pedro, bereits aus dem Flugzeug zurück nach Paraguay: „Ich bat ihn um einen Segen für das neue Unternehmen, die eigene Bäckerei in Casa Madre de Tuparenda, und habe ihm Chipa und mein Buch „Freiheit im Gefängnis. Kentenich-Pädagogik an der Peripherie“ geschenkt.“ —

 

Pedro Kühlcke

Der Moment der Begegnung. Foto: Pamela Fabiano

Es ist bekannt, dass Papst Franziskus die Häftlinge und diejenigen, die sich für sie einsetzen,  besonders am Herzen liegen.  Auf Reisen in Italien oder ins Ausland besucht er immer wieder Haftanstalten, besonders für Jugendliche. Und gerne sagt er, der Papst, den Gefangenen bei dieser Gelegenheit, dass sie sich nicht aufgeben, dass sie den Mut nicht sinken lassen sollten. Als Kardinal von Buenos Aires besuchte er sehr oft die Gefängnisse der Stadt, wie sein Zeugnis am Ende seiner Rede vor den Teilnehmern dieses Kongresses zeigt:

„Ich möchte mit zwei Bildern schließen, zwei Bildern, die helfen können. Von einer Bereinigung der Schuld gegenüber der Gesellschaft kann man in einem Gefängnis ohne Fenster nicht sprechen. Es gibt keine humane Strafe ohne einen Horizont. Niemand kann sein Leben ändern, wenn er keinen Horizont sieht. Und so oft sind wir es gewohnt, die Perspektive unserer Häftlinge tabellarisch zu erfassen. Nehmen Sie dieses Bild der Fenster und des Horizonts und sorgen Sie dafür, dass in Ihren Ländern die Gefängnisse immer ein Fenster und einen Horizont haben, sogar bei einer lebenslänglichen Strafe, die für mich fraglich ist, aber sorgen Sie, dass selbst eine lebenslängliche Strafe einen Horizont haben muss.

Das zweite Bild ist ein Bild, das ich mehrmals gesehen habe, wenn ich in Buenos Aires mit dem Bus in eine Pfarrei in der Nähe von Villa Devoto ging und am Gefängnis von Devoto vorbeikam. Die Schlange der Leute, die zu den Gefangenen gingen, um sie zu besuchen. Vor allem das Bild der Mütter, der Mütter der Gefangenen, die von allen gesehen wurden, weil sie eine Stunde vor dem Betreten anstehen und dann Sicherheitskontrollen unterzogen wurden, die oft erniedrigend waren. Diese Frauen schämten sich nicht, von allen gesehen zu werden. Mein Sohn ist da drin, und sie haben ihr Gesicht für ihren Sohn gegeben. Möge die Kirche von diesen Frauen Mütterlichkeit lernen und die Gesten der Mütterlichkeit lernen, die wir gegenüber den inhaftierten Brüder und Schwestern zeigen müssen. Das Fenster und die in der Schlange stehende Mutter sind die beiden Bilder, die ich ihnen mit auf den Weg gebe“.

Intensive Arbeit, mehr Unterstützung und Engagement

Während der Tage des Treffens gab es ein dichtes Programm. Etwa vierzig Direktoren und Verantwortliche für die Gefängnispastoral aus 35 Ländern tauschten Erfahrungen und Anliegen aus. Das Treffen begann mit einem Gebet für Gefangene auf der ganzen Welt.

Das veranstaltende Dikasterium erkennt die große Vielfalt der Situationen und Herausforderungen an, mit denen dieser pastorale Dienst konfrontiert ist, wobei der Schwerpunkt auf der geistlichen und materiellen Betreuung der Gefangenen, ihrer Familien und derjenigen liegt, die ihre Strafe bereits vollendet haben und in die Gesellschaft zurückgekehrt sind. Es hält es jedoch für notwendig, den Gefängnisseelsorgern mehr Unterstützung und klarere Leitlinien anzubieten. Die überwiegende Mehrheit der Bischofskonferenzen hat Gefängnispastoral bereits verpflichtend aufgenommen.

In Paraguay ist das Programm zur menschlichen Entwicklung und gesellschaftlichen Eingliederung „Casa Madre de Tuparenda“ im Schatten des nationalen Schönstattheiligtums das erste und einzigedieser Art im ganzen Land.

Vor seiner Abreise aus Rom wurde Pater Pedro Kühlcke von der deutschen Redaktion von Vatican News / Radio Vatikan interviewt, um weiterzugeben, was er und sein Team tun, um die Bitte des Heiligen Vaters zu erfüllen, „die Stigmatisierung derjenigen zu überwinden, die einen Fehler gemacht haben, denn anstatt Hilfe und ausreichende Ressourcen für ein menschenwürdiges Leben anzubieten, haben wir uns daran gewöhnt, die Bemühungen, die die Person unternimmt, um der Liebe Gottes in ihrem Leben zu entsprechen, zu verwerfen und nicht zu berücksichtigen. Viele Male befindet sich der Mensch nach dem Verlassen des Gefängnisses in einer ihm fremden Welt, die ihn nicht als vertrauenswürdig erkennt und ihn sogar von der Möglichkeit ausschließt, für einen würdigen Unterhalt zu arbeiten. Indem sie verhindern, dass die Menschen die volle Ausübung ihrer Würde wiedererlangen, sind sie wieder einmal den Gefahren ausgesetzt, die mit dem Mangel an Entwicklungsmöglichkeiten inmitten von Gewalt und Unsicherheit einhergehen.“

Genau da setzt Casa Madre de Tupãrenda an.

Und dies auch dank des Gebetes, der Besuche und Spenden vieler Menschen, vor allem aus aus den Solidaritätsnetzwerken von schoenstatt.org und Betterplace. Danke. Und bitte weitermachen.

 

Interview von Vatican News (Radio Vatikan) mit Pater Pedro Kühlcke, auch zum Nachhören

Vollständiger Text der Ansprache von Papst Franziskus, 08.11.2019 (eigene Arbeitsübersetzung von schoenstatt.org)

Lieber Kardinal,
liebe Brüder und Schwestern:

Ich grüße euch alle, die ihr an dieser Begegnung über die integrale menschliche Entwicklung und die katholische Gefängnisseelsorge teilnehmt, herzlich. Als ich das Dikasterium damit betraute, um die Sorge der Kirche um Menschen in besonderen Leidenssituationen zu verdeutlichen, wollte ich, dass die Realität so vieler inhaftierter Brüder und Schwestern berücksichtigt wird. Es ist die ganze Kirche, in Treue zu der von Christus empfangenen Sendung, die berufen ist, dauerhaft die Barmherzigkeit Gottes für die Schwächsten und Verlassensten auszuüben, in denen Jesus selbst gegenwärtig ist (vgl. Mt 25,40). Daran werden wir gemessen werden.

Wie ich bereits in anderen Momenten erwähnt habe, ist die Situation der Gefängnisse nach wie vor ein Spiegelbild unserer gesellschaftlichen Realität und eine Folge unseres Egoismus und unserer Gleichgültigkeit, die im Behriff der „Kultur des Wegwerfens“ zusammengefasst ist (vgl. Rede beim Besuch im Zentrum für soziale Anpassung von Ciudad Juárez am 17. Februar 2016). Oftmals sucht die Gesellschaft durch legalistische und entmenschlichende Entscheidungen, die mit einer vermeintlichen Suche nach Gut und Sicherheit gerechtfertigt sind, mit der Isolation und Inhaftierung derjenigen, die gegen soziale Normen handeln, die ultimative Lösung für die Probleme des Gemeinschaftslebens. Dies rechtfertigt es, große Mengen an öffentlichen Mitteln für das Wegsperren von Straftätern bereitzustellen, anstatt wirklich die integrale Entwicklung der Menschen zu fördern, die die für illegale Handlungen günstigen Umstände reduziert.

Es ist einfacher zu unterdrücken als zu erziehen, und ich würde sagen, es ist auch bequemer. Es ist einfacher, die Ungerechtigkeit in der Gesellschaft zu leugnen und diese Räume zu schaffen, um Straftäter abzuschotten, als allen Bürgern gleiche Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten. Es ist eine Art des Verwerfens, des „gebildeten Verwerfens“ in Anführungszeichen.

Darüber hinaus fördern Haftanstalten oft nicht die Wiedereingliederungsprozesse, zweifellos weil ihnen die Mittel fehlen, um die sozialen, psychologischen und familiären Probleme der Häftlinge zu bewältigen, sowie die häufige Überbelegung von Gefängnissen, die sie zu echten Orten der Depersonalisierung macht. Auf der anderen Seite beginnt eine echte soziale Wiedereingliederung damit, dass sie Entwicklungsmöglichkeiten, Bildung, menschenwürdige Arbeitsplätze, Zugang zur Gesundheitsversorgung sowie öffentliche Räume für die Bürgerbeteiligung garantiert.

Mehr als je zuvor ist unsere Gesellschaft heute gefordert, die Stigmatisierung derjenigen zu überwinden, die einen Fehler gemacht haben, denn anstatt Hilfe und ausreichende Ressourcen für ein menschenwürdiges Leben anzubieten, haben wir uns daran gewöhnt, die Bemühungen, die die Person unternimmt, um der Liebe Gottes in ihrem Leben zu entsprechen, zu verwerfen und nicht zu berücksichtigen. Viele Male befindet sich der Mensch nach dem Verlassen des Gefängnisses  in einer ihm fremden Welt, die ihn nicht als vertrauenswürdig erkennt und ihn sogar von der Möglichkeit ausschließt, für einen würdigen Unterhalt zu arbeiten. Indem sie verhindern, dass die Menschen die volle Ausübung ihrer Würde wiedererlangen, sind sie wieder einmal den Gefahren ausgesetzt, die mit dem Mangel an Entwicklungsmöglichkeiten inmitten von Gewalt und Unsicherheit einhergehen.

Als christliche Gemeinschaften müssen wir uns eine Frage stellen. Wenn diese Brüder und Schwestern bereits die Strafe für das Übel bezahlt haben, warum wird dann mit Ablehnung und Gleichgültigkeit eine neue soziale Strafe auf ihre Schultern gelegt? Diese soziale Abneigung ist oft ein weiterer Grund, sie dem Rückfall in ihre eigenen Fehler auszusetzen.

Brüder: In dieser Begegnung habt ihr bereits einige der vielen Initiativen geteilt, mit denen die Ortskirchen die Gefangenen, die, die ihre Haft beenden, und die Familien vieler von ihnen pastoral begleiten. Mit der Inspiration Gottes geht jede kirchliche Gemeinschaft ihren eigenen Weg, um all diesen Brüdern und Schwestern die Barmherzigkeit des Vaters zu verdeutlichen und einen ständigen Ruf ertönen zu lassen, damit jeder Mensch und jede Gesellschaft versuchen kann, entschlossen und entschieden für Frieden und Gerechtigkeit zu wirken.

Wir sind sicher, dass die Werke, die die Göttliche Barmherzigkeit in jedem von euch und in den vielen Mitgliedern der Kirche, die sich diesem Dienst widmen, anregt, wirklich wirksam sind. Möge die Liebe Gottes, die euch unterstützt und ermutigt, im Dienst an den Schwächsten diesen Dienst der Hoffnung, den ihr jeden Tag unter den Gefangenen ausübt, stärken und verstärken. Ich bete für jeden Menschen, der aus großzügigem Schweigen diesen Brüdern dient und in ihnen den Herrn erkennt. Ich freue mich über alle Initiativen, mit denen nicht ohne Schwierigkeiten auch die Familien der Häftlinge in dieser Zeit der großen Prüfung pastoral unterstützt und begleitet werden, damit der Herr alle segnen kann.

Ich möchte mit zwei Bildern schließen, zwei Bildern, die helfen können. Von einer Bereinigung der Schuld gegenüber der Gesellschaft kann man in einem Gefängnis ohne Fenster nicht sprechen. Es gibt keine humane Strafe ohne einen Horizont. Niemand kann sein Leben ändern, wenn er keinen Horizont sieht. Und so oft sind wir es gewohnt, die Perspektive unserer Häftlinge tabellarisch zu erfassen. Nehmen Sie dieses Bild der Fenster und des Horizonts und sorgen Sie dafür, dass in Ihren Ländern die Gefängnisse immer ein Fenster und einen Horizont haben, sogar bei einer lebenslänglichen Strafe, die für mich fraglich ist, aber sorgen Sie, dass selbst eine lebenslängliche Strafe einen Horizont haben muss.

Das zweite Bild ist ein Bild, das ich mehrmals gesehen habe, wenn ich in Buenos Aires mit dem Bus in eine Pfarrei in der Nähe von Villa Devoto ging und am Gefängnis von Devoto vorbeikam. Die Schlange der Leute, die zu den Gefangenen gingen, um sie zu besuchen. Vor allem das Bild der Mütter, der Mütter der Gefangenen, die von allen gesehen wurden, weil sie eine Stunde vor dem Betreten anstehen und dann Sicherheitskontrollen unterzogen wurden, die oft erniedrigend waren. Diese Frauen schämten sich nicht, von allen gesehen zu werden. Mein Sohn ist da drin, und sie haben ihr Gesicht für ihren Sohn gegeben. Möge die Kirche von diesen Frauen Mütterlichkeit lernen und die Gesten der Mütterlichkeit lernen, die wir gegenüber den inhaftierten Brüder und Schwestern zeigen müssen. Das Fenster und die in der Schlange stehende Mutter sind die beiden Bilder, die ich ihnen mit auf den Weg gebe.

Mit dem Zeugnis und dem Dienst, den ihr verrichret, haltet ihr die Treue zu Jesus Christus lebendig. Mögen wir am Ende unseres Lebens die Stimme Christi hören, die uns ruft und sagt: „Kommt, ihr Gesegneten meines Vaters, empfangt das Erbe des Reiches, das für euch vorbereitet ist von der Erschaffung der Welt. Denn wie ihr einem der Geringsten unter diesen meinen Brüdern angetan habt, so habt ihr mir auch getan“ (Mt 25,34.40). Möge Unsere Liebe Frau der Barmherzigkeit euch, eure Familien und jeden einzelnen von denen, die den Gefangenen dienen, begleiten. Und vergesst bitte nicht, für mich zu beten. Ich danke euch.

 

Fotos: Pamela Fabiano, Vatican Media

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