Veröffentlicht am 2015-10-02 In Urheiligtum

Maria, Frau des Aufbruchs: Erzbischof em. Zollitsch mit dem Freiburger Domchor in Schönstatt

URHEILIGTUM/DEUTSCHLAND, von Maria Fischer •

„Schönstatt /Vallendar am Rhein, das im vergangenen Jahr sein hundertjähriges Jubiläum feierte, ist Zentrum einer weltweiten geistlichen Bewegung. Mittelpunkt ist eine kleine Kapelle im Tal, in der Maria als „Dreimal wunderbare Mutter“ verehrt wird. Das Gnadenbild, das vor hundert Jahren von Freiburg nach Schönstatt kam, ist weltweit verbreitet, wie dies die Mitglieder des Domchors im vergangenen Jahr auf ihrer Reise nach Südamerika erleben durften“ – so heißt es in der Ankündigung der Pilgerreise, zu der die Freiburger Domchöre ihre Mitglieder, Freunde und Bekannten einladen. Bei der erwähnten Reise gestaltete der Domchor unter anderem die Hundertjahrfeier der Schönstatt-Bewegung von Buenos Aires im Teatro Colón, dem renommiertesten Theater der Stadt – ein Erlebnis, das bis heute bewegt und begeistert. Geistlich begleitet von Erzbischof em. Dr. Robert Zollitsch pilgerte der Freiburger Domchor nun am vergangenen Wochenende nach Schönstatt und Kevelaer.

„Gastlichkeit im Haus Marienau und Begrüßung durch Rektor Egon M. Zillekens sind ein gutes Willkommen im Schönstatt-Zentrum“, heißt es in der Presseinfo der Freiburger Dommusik – Domsingschule Freiburg vom 01.10.2015. „Der launige Hinweis: Alle wichtigen Dinge hier beginnen mit K…‘, bestimmt den weiteren Verlauf des Abends. Die Küche bietet uns ein fröhliches Abendessen, in der Kapelle nehmen wir an einer Abendandacht teil, nicht ohne kleine musikalische Beteiligung und in der Klause geht der Abend, aber nicht zu schnell… , zu Ende. Rektor Zillekens kommt später zu uns in die Klause um nach dem Rechten zu sehen und lässt sich nach einigem Zögern dann doch dazu bewegen sich zu uns zu setzen und erzählt beeindruckend lebendig aus seinem Leben als Seelsorger.“

Frau des Aufbruchs, Missionarin, aktive Frau

In der Predigt in der Pilgerkirche in Schönstatt zeigt Erzbischof em. Dr. Robert den Mitgliedern des Domchores Maria als Frau des Aufbruchs, als Frau des Herausgehens im Sinne von Evangelii Gaudium. „Als Mutter ist sie nicht die ferne Beobachterin und weltentrückte Ikone der Herrlichkeit. Als Mutter ist sie mit zärtlicher und brennender Liebe jedem ihrer Kinder zugewandt und zugetan. Wie in Kana ist sie die Freundin, so schreibt Papst Franziskus, „die stets aufmerksam ist, dass der Wein in unserem Leben nicht fehlt. Sie, deren Herz von einem Schwert durchdrungen wurde, versteht alle Nöte.“ (EG 286) Sie streckt uns ihre Hand entgegen und lädt uns ein, in ihre Hand einzuschlagen, damit wir an ihrer Hand und unter ihrem Schutz den Pilgerweg unseres Glaubens gehen und auch zu dem Ziel gelangen, das Gott uns verheißen und wo sie auf uns wartet, um uns, ihre Kinder, in ihre Arme zu schließen“. Dies, so Zollitsch, sei die Erfahrung der Pilger, die seit 100 Jahren nach Schönstatt kommen. Denn „das gehört zum besonderen des Wallfahrtsortes Schönstatt: dass Maria nicht nur als das große Vorbild und tröstende, verständnisvolle Mutter vor uns steht. Sie ist, wie Papst Franziskus nicht nachlässt, hervorzuheben: die Missionarin, die aktive Frau, die auch heute aufbricht und handelt – für die Kirche und an jedem Einzelnen.“

 

Vollständiger Text der Ansprache in der von Erzbischof Dr. Robert Zollitsch autorisierten Fassung

Maria, Frau des Aufbruchs

Das Erste, was Maria tut, nachdem sie erfahren hat, dass sie Mutter des Sohnes Gottes werden soll, ist – so hörten wir es im Evangelium -, dass sie aufbricht. Sie macht sich auf den Weg über das Gebirge zu ihrer Verwandten Elisabeth, um den Erlöser, noch bevor sie ihn geboren hat, zu den Menschen zu bringen.

I.

  1. Sie hat erlebt, dass Gott in ihr Leben einbricht, in ihr bürgerlich stilles Leben in Nazareth. Durch die Botschaft des Engels, durch ihren Auftrag, als Magd des Herrn in einzigartiger Weise Gott zu dienen, wird ihr Leben mit einem Schlag ganz anders. Und sie zögert nicht, gibt klar ihre Antwort: Ja, „ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast“. Gott handelt; Maria spricht ihr Ja. Sie wartet nun etwa nicht ab, was geschehen wird. Sie bleibt nicht im idyllischen Nazareth. Nein, sie ergreift die Initiative. Sie hat erfahren, dass ihre Verwandte Elisabeth noch in ihrem hohen Alter Mutter wird und schon im sechsten Monat ist. Sie macht sich auf und eilt geradezu über das Gebirge zu Elisabeth. Sie trägt Gottes großes Geheimnis in sich, eine Botschaft, die alle Menschen erreichen soll.
    Sie bringt das Neue, das Gewaltige, das in ihrem Schoß begonnen hat, zu den Menschen, die darauf warten. Und sie darf erfahren, dass Elisabeth und Johannes das Neue erkennen: Johannes hüpft vor Freude auf im Schoß seiner Mutter und Elisabeth preist Maria selig.
  1. Wenn Gott in unsere Welt, in unser Leben einbricht, dann hat dies Folgen. So hat Mariens Leben sich mit einem Schlag verändert. Sie stellt sich der neuen Situation, stellt sich ganz und gar auf das Neue ein, ohne zu wissen, was dies alles für sie und ihr Leben bedeuten wird. Nur einer und nur eines werden in Zukunft ihr Leben bestimmen: der Sohn Gottes und ihr Weg mit ihm. Er ist Ziel und Inhalt ihres Weges, er bestimmt alle Phasen und alle Schritte.
  2. Ja, Mariens Weg wird zum Weg mit ihrem Sohn und für ihn. Da ist jenes Wegstück der Hochschwangeren von Nazareth nach Bethlehem zur Eintragung in die Steuerlisten und die Geburt ihres Sohnes im ärmlichen Stall. Da ist jener lange Weg der Flucht vor Herodes nach Ägypten. Mit ihrem Sohn teilt sie Ablehnung, Flucht, Heimatlosigkeit, Fremde. Sie erlebt die Begeisterung der Menschen für ihren Sohn angesichts seines machtvollen Auftretens und seiner Machttaten. Sie erlebt aber auch seine Ablehnung und den Hass, der ihm entgegenschlägt. Sie fürchtet mit der Verwandtschaft um sein Leben und macht sich auf, um ihn heimzuholen. Sie geht mit ihrem Sohn, auch wo sie ihn nicht versteht und wo alles dunkel wird. Sie steht bei ihm unter dem Kreuz. Ihr Weg ist ein Weg mit ihrem Sohn, für ihn und für uns: Aufbruch in eine ganz neue Dimension, in die Gott führt, er allein.

II.

  1. Welchen Grund, welche Absicherung hat Maria, um diesen Weg zu gehen? Nun, da sind das Wort des Engels, die Erfahrung von Weihnachten, das Leben mit ihrem Sohn – allerdings in der Bescheidenheit und Verborgenheit von Nazareth. Da sind aber auch die dunklen Fragen der Ablehnung und Flucht, das bange Suchen nach dem verlorenen Sohn, nach dem Zwölfjährigen, und seine abweisende Antwort an die Eltern. Da ist das ungeheure zermarternde Dunkel auf Golgotha. Maria wird herausgefordert in ihrem Glauben, in ihrem Glauben an Gottes Verheißung. Sie ist die Erste, die die Botschaft vom Erlöser Jesus Christus hört, die Erste, deren Glauben gefordert ist; die Erste, die sich mit ihm auf den Weg macht, die ihm nachfolgt: die erste Glaubende des Neuen Bundes, die erste Jüngerin ihres Sohnes. Pionierin des Neuen, Pionierin des „Neuen Weges“, des Weges der Erlösung, Pionierin unseres Heils, eine Frau des ständigen Aufbruchs.
  2. Dazu hat Gott diese junge Frau, die kleine Magd aus Nazareth, berufen und erwählt. Darauf hat er sie vorbereitet. Im Blick auf diese fast unbegreifliche Aufgabe hat Gott sie, so sagt es uns unser katholischer Glaube, vor jeder Sünde bewahrt und heraus gehalten aus der Sündenverflochtenheit der Menschheit. So hat er sie denn auch, sie, die Ersterlöste und erste Glaubende des Neuen Bundes, auch als Erstvollendete mit Leib und Seele in seine Herrlichkeit aufgenommen. So groß handelt Gott an der Mutter seines Sohnes. So groß denkt Gott vom Menschen.
  3. Ja, so handelt Gott an seiner kleinen Magd um seines Sohnes willen, aber auch um unseretwillen. Denn Jesus hat seine Mutter uns allen zur Mutter gegeben. „Am Kreuz“, so schreibt Papst Franziskus in seinem Apostolischen Schreiben „Die Freude des Evangeliums“, „in diesem entscheidenden Augenblick, ehe er das Werk vollbrachte, das der Vater ihm aufgetragen hatte, sagte er zu Maria: ‚Frau, siehe, dein Sohn.‘ Dann sagte er zum geliebten Freund: ‚Siehe, deine Mutter!‘(Joh 19,26.27)… Jesus hinterließ uns seine Mutter als unsere Mutter. Erst nachdem er das getan hatte, konnte Jesus spüren, dass ‚alles vollbracht war‘ (Joh 19,28). Zu Füßen des Kreuzes, in der höchsten Stunde der neuen Schöpfung, führt uns Christus zu Maria. Er führt uns zu ihr, da er nicht will, dass wir ohne eine Mutter gehen… Maria, die ihn (Jesus) in großem Glauben zur Welt brachte, begleitet auch ‚ihre übrigen Nachkommen, die den Geboten Gottes gehorchen und an dem Zeugnis für Jesus festhalten‘ (Offbg 12,17).“ (EG 287)

III.

  1. Als Mutter ist sie nicht die ferne Beobachterin und weltentrückte Ikone der Herrlichkeit. Als Mutter ist sie mit zärtlicher und brennender Liebe jedem ihrer Kinder zugewandt und zugetan. Wie in Kana ist sie die Freundin, so schreibt Papst Franziskus, „die stets aufmerksam ist, dass der Wein in unserem Leben nicht fehlt. Sie, deren Herz von einem Schwert durchdrungen wurde, versteht alle Nöte.“ (EG 286) Sie streckt uns ihre Hand entgegen und lädt uns ein, in ihre Hand einzuschlagen, damit wir an ihrer Hand und unter ihrem Schutz den Pilgerweg unseres Glaubens gehen und auch zu dem Ziel gelangen, das Gott uns verheißen und wo sie auf uns wartet, um uns, ihre Kinder, in ihre Arme zu schließen.
  2. Eine solche Mutter hat uns Gott geschenkt. Sie ist für uns da, versteht uns und ist stets bereit, uns zu helfen. Das ist zweifellos die Erfahrung der zahlreichen Pilger und Wallfahrer, die seit 100 Jahren hierher zur Gottesmutter kommen. Wie die Jünger sich nach der Himmelfahrt Jesu im Abendmahlsaal um Maria versammelten, so sind auch wir heute bei ihr und setzen unser Vertrauen auf die Gottesmutter, die Mutter der Kirche. Wir wissen uns ermutigt und getragen von den vielfältigen Erfahrungen der Pilger vor uns und wenden uns etwa mit den Anrufungen der Lauretanischen Litanei an sie, den „Trost der Betrübten“ und die „Hilfe der Christen“. Sie streckt ihre Arme nach uns aus als „Jungfrau, die mächtig ist zu helfen“, und steht vor uns als „starker Turm“, in dem wir Schutz finden; als „Pforte des Himmels“, die uns immer wieder zu Gott einlädt und zu ihm hinführt.
  3. Papst Franziskus geht in seinem grundlegenden Apostolischen Schreiben „Die Freude des Evangeliums“ einen entscheidenden Schritt weiter. Es geht ihm um eine Kirche, die nach dem Bild Mariens und unter ihrer Anleitung aufbricht. Es geht ihm um eine neue Dynamik, eine „Dynamik des Aufbruchs“ (EG 20), d.h. um eine „neue Etappe der Evangelisierung…, die von der Freude geprägt ist, und um Wege für den Lauf der Kirche in den kommenden Jahren auf(zu)zeigen.“ (EG 1) Es geht ihm um einen „neuen missionarischen Aufbruch“ (EG 20), um eine durch und durch missionarische Kirche. Und „Mutter der missionarischen Kirche“ ist, so der Papst, „Maria“, denn „ohne sie können wir den Geist der neuen Evangelisierung nie ganz verstehen“. (EG 284) „Zusammen mit dem Heiligen Geist ist mitten im Volk immer Maria. Sie versammelt die Jünger, um ihn anzurufen (Apg 1,14), und hat die missionarische Explosion zu Pfingsten möglich gemacht.“ (EG 284)Es gibt einen marianischen Stil bei der missionarischen Tätigkeit der Kirche, so Papst Franziskus. „Denn jedes Mal, wenn wir auf Maria schauen, glauben wir wieder an das Revolutionäre der Zärtlichkeit und der Liebe. An ihr sehen wir, dass die Demut und die Zärtlichkeit nicht Tugenden der Schwachen, sondern der Starken sind.“ (EG 288)

    Marianischer Weg der Evangelisierung heißt, bei den Menschen zu sein, zu wissen, was sie bewegt. Sie in ihren Lebenssituationen und Anliegen anzunehmen und mit ihnen und in ihren Schuhen den Weg ihres Glaubens, ihres Ringens zu gehen. Marianischer Weg der Evangelisierung heißt, eine einladende Kirche zu sein. Wo Maria ist und wirkt, da entsteht Gemeinschaft, da wächst Kirche: Eine mütterliche Kirche, die birgt und Heimat gibt. Eine geschwisterliche Kirche, getragen von Liebe und Solidarität. Eine marianische Kirche richtet sich Tag für Tag nach Gott aus, um den Menschen Christus zu bringen und sie seine einladende Liebe und verzeihende Barmherzigkeit erfahren zu lassen.

    Und das gehört zum besonderen des Wallfahrtsortes Schönstatt: dass Maria nicht nur als das große Vorbild und tröstende, verständnisvolle Mutter vor uns steht. Sie ist, wie Papst Franziskus nicht nachlässt, hervorzuheben: die Missionarin, die aktive Frau, die auch heute aufbricht und handelt – für die Kirche und an jedem Einzelnen. So reicht sie uns denn die Hand, um uns zu Jüngern Christi zu formen und uns auf unserem Pilgerweg aktiv zu begleiten. Sie will uns helfen, den Bund, den Gott in der Taufe mit einer jeden und einem jeden von uns geschlossen hat, mit Leben zu erfüllen. Um uns dazu zu helfen, lädt sie uns ein, uns ihr anzuvertrauen, in ihre ausgestreckte Hand einzuschlagen und einen Bund mit ihr einzugehen, ein Liebesbündnis mit ihr zu schließen, weil sie als liebende Mutter nur eines kennt: Uns, ihre Kinder, tiefer mit Gott zu verbinden und zu ihm zu führen.

    Dabei geht es ihr nicht nur um unseren eigenen Weg zu Gott und unseren Weg mit ihm. Als die missionarische Frau leitet sie uns an, vom Evangelium Zeugnis zu geben, andere an unserem Glauben teilhaben zu lassen und so die Botschaft des Lebens weiterzugeben. Die Mitglieder und Freunde unseres Freiburger Domchors haben auf ihrer Konzertreise durch Südamerika – in Argentinien, Uruguay und Chile – etwas davon erlebt. Es ist eigenartig und macht nachdenklich, dass ein Marienbild, das ein Professor Huggle vor hundert Jahren in einem Devotionalienladen in der Herrenstraße in Freiburg für 23 Mark erwarb und hierher nach Schönstatt brachte, zum Gnadenbild wurde und heute nach Google zu den ersten sieben bekanntesten Marienbildern der Welt zählt. Und mehr noch, dass Maria sich unter diesem Bild aufmachte, um durch unsere Welt zu wandern.

    Der Diakon João Luiz Pazzobon aus Brasilien kam auf den Gedanken, Maria mit diesem Bild zu den Menschend zu tragen. Fünfunddreißig Jahre hindurch trug er es auf seiner Schulter wandernd von Ort zu Ort. Er hat damit eine unerwartete und erstaunliche Kettenreaktion ausgelöst: Heute ist Maria, als Pilgermadonna in 200 000 Pilgerbildern in nahezu hundert Ländern auf allen Kontinenten auf dem Weg zu den Menschen.

    Sie hält auch uns ihre Hand entgegen und lädt uns ein, mitzugehen. Sie macht uns Mut, wie sie aufzubrechen und unser Leben im Vertrauen auf sie an ihrer Hand zu leben – mit der Bitte von Papst Franziskus im Herzen: „Jungfrau und Mutter Maria, … gib mir den heiligen Wagemut, neue Wege zu gehen.“ (EG 288) Wir dürfen uns darauf verlassen: Sie geht uns voran. Amen.

Text der Ansprache von Erzbischof em. Dr. Robert Zollitsch als PDF

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