Veröffentlicht am 2015-03-05 In Schönstätter

Sieger in Ketten – Erzbischof em. Zollitsch zum 100. Geburtstag von Karl Leisner

M. Fischer. „In der Osternacht 1938 schiebt Karl Leisner seinem Freund und Gruppenführer Heinrich Tenhumberg sein Tagebuch hin mit der Bitte um einen Eintrag. Ich frage mich, was ich dem damals dreiundzwanzigjährigen Priesterkandidaten angesichts seiner dynamischen Persönlichkeit und seines engagierten Einsatzes für Jesus Christus und die Jugend in sein Tagebuch geschrieben hätte. Am Ehesten ein Wort, das Ignatius von Loyola seinen Mitbrüdern, die er aussandte, zurief und das Pater Kentenich Vielen von uns beim Abschied in Milwaukee mitgab: „Ite, incendite mundum – Geht hin, entzündet die Welt!“ Heinrich Tenhumberg schrieb allerdings etwas ganz Anderes: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein, ist es aber gestorben, so bringt es viele Frucht.“ (Joh 12,24ff) Mir ist, als ob der spätere Bischof in jener Osternacht gleichsam prophetisch die letzte Herausforderung, die auf Karl Leisner zukam, geahnt hätte“, so Erzbischof em. Dr. Robert Zollitsch, Freiburg, am Abend des 4. März in der Dreifaltigkeitskirche auf Berg Schönstatt beim Gottesdienst zum 100. Geburtstag von Karl Leisner (28. 02.2015): „Denn in der Spannung zwischen dem Kämpfen für Gott und mit Gott und dem Sterben als Weizenkorn, vollzieht sich das kurze Leben des seligen Karl Leisner.“

 

Sonderbriefmarke, Denkmal, Ausstellungen, Vorträge: der  100. Geburtstag von Karl Leisner hat in Deutschland und auch in der Schönstatt-Bewegung, seiner geistigen Heimat, den Blick auf diesen jungen Menschen gelenkt, dem der spätere Bischof Heinrich Tenhumberg – Mitglied des Instituts der Schönstatt-Diözesanpriester -, jenen Satz vom Weizenkorn, das in die Erde fällt und stirbt, ins Tagebuch geschrieben hat. „Ob wir uns des Geschenkes, das Gott uns mit Karl Leisner machte, und seiner prophetischen Botschaft genügend bewusst sind?“, fragte Erzbischof Zollitsch, und erklärte: „Er ist der Erste aus unserer weltweiten Schönstattfamilie, der uns als Seliger vor Augen gestellt wurde. Papst Johannes Paul II. reiht ihn bei seinem ersten Besuch in Deutschland für die Priester und Priesterkandidaten beim Treffen in Fulda unter die priesterlichen Vorbilder ein. In Straßburg stellt er ihn 1988 als Vorbild für die europäische Jugend vor. René Lejeune widmet seine Biografie über Karl Leisner „Der Jugend Europas, allen Jugendlichen der ganzen Welt, (und) den Priestern, die aus ihrer Mitte hervorgehen.“[1] Ich bin überzeugt, im Leben und Ringen Karl Leisners, in seinem Kämpfen und seiner Hingabe als Ganzopfer ist uns ein faszinierender Seliger geschenkt, ja in seiner Person ein Schatz, den es zu heben gilt: Für die Jugend, für die Priester, für unsere weltweite Familie. Danken wir Gott für Karl Leisner, lassen wir uns von seinem Feuer entzünden!“

Die Zeit verlangt dich!

Einen aktuellen Aspekt aus dem Fächer faszinierender Züge seiner Persönlichkeit hob Erzbischof Zollitsch an diesem Abend besonders hervor: Karl Leisner ist ganz und gar zeitoffen, mittendrin in den Stimmen seiner Zeit, hellwach für sie; und er steht in dieser Zeit mit einer klaren, mutigen und konsequenten Positionierung und handelt daraus mit Mut, Konsequenz und Klarheit. Karl Leisners Zeit ist die des aufkommenden und die Macht ergreifenden Nationalsozialismus, seiner Schreckensherrschaft und seiner brutalen Verfolgung und Auslöschung von allem, was sich seinem Machtanspruch entgegenstellt. Er stellt sich entgegen und zahlt einen hohen Preis.

„Für einen jungen Mann, der derart für Christus brannte, bedeutete die Machtergreifung Hitlers eine gewaltige Herausforderung“, so Erzbischof Zollitsch. „Jetzt war er selbst gefordert. Der neunzehnjährige Diözesan-Jungscharführer weiß sich denn auch direkt angesprochen von Gott: „Auf, du sollst meine Jugend führen!“ (Tb 12.9.34) Er schrickt nicht zurück und antwortet: „Ich verspreche dir… feierlich: Herr, allmächtiger Gott: Dein Werkzeug zu sein;… Alle Lebenskraft gehört dir von heute ab. … Deutsches Volk soll wieder christliches, katholisches Volk werden.“ (Tb 12.9.34) Er weiß und lässt sich sagen: „Die Zeit verlangt dich!“ (Tb 17.2.39) „Es ist Gottes heiliger Wille… Drum auf, mit heiligem Mut!“ (Tb 1.5.34) Karl Leisner hat sich seine Zeit nicht ausgesucht und auch keine Zeit vergeudet mit Klagen und Jammern. Er hat sich den Herausforderungen gestellt, die auf ihn zukamen, und die Aufgaben aktiv angepackt. Er konnte kein Mitläufer der Nazis sein, sich aber auch nicht still zurückziehen. Er wusste sich gerufen zum Kämpfer für Gott und seine Sache.“

Berufung

Beeindruckend schildert Erzbischof Zollitsch anhand von Tagebuchaufzeichungen Karl Leiseners dessen leidenschaftlichen Kampf um seine Lebensberufung, das Ringen um Klarheit in der Entscheidung für Ehe oder Priestertum. „Es war ein langer Kampf Karls mit Gott, ein langes und herausforderndes Ringen um sein endgültiges Ja zu seiner Berufung zum Priester. In der Rückschau wird er sich mehr und mehr dessen bewusst, wie er von der Gottesmutter dabei geführt wurde und welche Kraftquelle das Heiligtum in Schönstatt für ihn bedeutete“, so Erzbischof Zollitsch.

„Am Tag davor hielt ich wie gewöhnlichen Vorlesungen im Priesterseminar Lantershofen (ich bin Dozentin dort in der Spirituellen Theologie). Das Thema dieses Trimester ist: Vorbilder gelebten Glaubens. Ausgerechnet in dieser Woche haben wir das Leben von Karl Leisner betrachtet“, erzählt Alicja Kostka. „In der Messe dachte ich an die Studenten, Priesteramtkandidaten, mit denen ich einen Tag davor „das Heilige“ beim Leisner  – das Heilige fürs Heute – zu entschlüsseln versuchte, wo wir der Dramatik seines verlängerten und leidvollen Weges zum Priestertum nachgegangen sind. Für die Studenten ergab sich dabei die Frage, ob es doch nicht sinnvoller wäre, Karl hätte sich für das Eheleben entschieden. Aber wer weiß – so ein der Studenten – ob ihn nicht auch da der vernichtende Arm des Nazis  erreicht hätte. Nun lebt er in vielen Priestern weltweit, sagten sie, und das erlebte ich auch gestern in der Messe. Sein Ringen um die Berufung trägt eine Botschaft für Heute: Sich ganz dem Ruf Gottes schenken – wie Erzbischof Zollitsch in der Predigt betonte – und in Jesus die eigentliche priesterliche Leidenschaft finden, die jede andere Leidenschaft übersteigt und überwinden hilft.“

Nach einem langen Weg des Wartens erreicht Karl Leisner die Erfüllung seines Traums: Er wird zum Priester geweiht. Karl Leisner erlebte das Ende der Hölle von Dachau, die Befreiung. Doch er war längst in eine weit größere Freiheit hineingewachsen, und Gott nahm sein Angebot des holocaustum – des Ganzopfers – an“, so Erzbischof Zollitsch.  „Auch in der höchsten Not und den härtesten Drangsalen hatte er nie den Blick darüber hinaus verloren: den Blick auf Ostern. Auch wenn der Alltag noch so demütigend und schmerzhaft war: die Gewissheit des letzten Sieges, des Ostersieges, trug ihn. So gestaltete ihm die Schönstatt-priestergruppe, der er in Dachau angehörte, sein Primizbild: Die mit Ketten gefesselten Hände öffnen sich nach oben zur Krone: Victor in vinculis – Sieger in Ketten[2]. Karl Leisner hat gesiegt. Das Weizenkorn, das in die Erde gefallen ist, trägt Frucht.“


[1] René Lejeune, Wie Gold im Feuer geläutert, Hauteville 1991, 258 f;; Arnaud Join-Lambert, Ganz und ungeteilt, Vallendar 2010, 174f; Hermann Gebert, Geschichte einer Berufung, Vallendar ² 2010, 148f

[2] René Lejeune, Wie Gold im Feuer geläutert, Hauteville 1991, 4

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