Veröffentlicht am 2015-02-08 In Schönstätter

Segne auch, Höchster, meine Feinde

DEUTSCHLAND, mda. „Segne auch, Höchster, meine Feinde.“ Auf einmal sind die Leute am Postschalter, die vorhin noch so stumm und genervt in der Schlange gestanden haben, mittendrin in einem Gespräch über Verletzungen und Versöhnung, über Feindschaften am Arbeitsplatz und in der Familie, über die Kraft, die es kosten kann, an einen konkreten Menschen, der einem Unrecht und Schmerz zugefügt hat, auch nur zu denken, ohne ihn schlechtreden zu wollen oder Schlimmeres. „Geben Sie mir noch zehn“, sagt die junge Frau, die das Gespräch ausgelöst hat. „So eine Briefmarke hatte ich noch nie.“ Und hinter ihr meint jemand: „Ich glaub, ich leg mir eine auf den Schreibtisch.“ – „Segne auch, Höchster, meine Feinde.“ Die Sonderbriefmarke zum 100. Geburtstag des Priesters Karl Leisner, in dieser Woche herausgegeben, bewegt mit ihrer Schlichtheit und der Stärke des Zitates aus dem letzten Tagebucheintrag (25. 7. 1945, S. 37) dieses jungen Menschen vom Niederrhein, der kurz nach der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau an seiner Tuberkulose-Erkrankung verstarb: Segne auch, Höchster, meine Feinde. Am 28. Februar 2015 ist sein 100. Geburtstag.

Die Grafiker Prof. Daniela Haufe und Prof. Detlef Fiedler aus Berlin gestalteten das Sonderpostwertzeichen, das einen Wert von 62 Cent hat. Die Briefmarke ist seit dem 5. Februar 2015 in den Verkaufsstellen der Deutschen Post AG erhältlich und wird am 9. Februar um 12.00 Uhr in der Aula des Bischöflichen Priesterseminars Borromaeum (Domplatz 8, 48143 Münster) der Öffentlichkeit vorgestellt.  Ein Album mit Erstdrucken des Sonderpostwertzeichens erhalten u.a. Bischof Dr. Felix Genn, Monika Kaiser-Haas, Vizepräsidentin des Internationalen Karl-Leisner-Kreises (IKLK) e.V., sowie Pfarrer Benedikt Elshoff, Präsident des IKLK e.V., von dem die Initiative für die Sondermarke ausging.

Der 100. Geburtstag von Karl Leisner, der am 23. Juni 1996 im Berliner Olympiastadion durch Papst Johannes Paul II. seliggesprochen wurde, bewegt nicht nur die Menschen am Postschalter in Lohmar. Im Xantener Stiftsmuseum findet bis Ende Juni eine Ausstellung zum Seligen Karl Leisner statt. Eine Wanderausstellung aus ca. 13 Roll-Ups ist in verschiedenen Städten Deutschlands zu Gast.

Im Franz-Hitze-Haus in Münster findet im Frühjahr eine Tagung zu Karl Leisner statt. Diese ist vom IKLK initiiert; genauso wie Briefmarke, Ausstellung in Xanten und die Gedenkstatue in Kleve, die bereits Ende letzten Jahres zum 70. Jahrestag der Priesterweihe Karl Leisners im Konzentrationslager Dachau aufgestellt wurde.

Ein Schönstätter des zweiten Jahrhunderts…

In einer Würzburger Zeitung ist im Zusammenhang mit der Sonderbriefmarke zum 100. Geburtstag von Karl Leisner vom „Jesuiten Karl Leisner“ die Rede. Jesuit war allerdings nur sein Freund und Biograph Otto Pies SJ. Karl Leisner war Schönstätter. Durch und durch. Aber nicht exklusiv, und er war auch nicht als „Vertreter Schönstatts“ im Konzentrationslager. Das war da überhaupt keiner. Er war einfach Schönstätter: mit dem Liebesbündnis als Identität und einem vielfältigen und vielgestaltigen apostolischen Einsatz, wie und wo immer es ihm, seiner persönlichen Berufung und Begabung entsprach, wo und wie immer sich ihm Türen und Menschen öffneten, um Menschen für Gott zu gewinnen und zu begeistern. Schönstatt hat eine ganze Weile gebraucht, um seinen ersten Seligen wirklich zu entdecken, einen Märtyrer, der sich nicht in erster Linie dem Aufbau Schönstatts gewidmet hat, sondern der hinausging, vom Heiligtum aus, an die Peripherien der Gesellschaft, und der an der extremen Peripherie, im Konzentrationslager Dachau, als Sterbenskranker die Priesterweihe empfing und ein einziges Mal die heilige Messe zelebrierte.

Der theologische Ort der Bewegungen ist die Straße, sagte Kardinal Jorge Mario Bergoglio im Jahr 1999 bei einem Treffen der Bewegungen in Buenos Aires: „Wie viel Schaden richten die an, die in der Nabelschau leben und nicht hinausgehen, um missionarisch zu sein! Sie gehen nicht hinaus, um das Erbe weiterzugeben, das sie unentgeltlich empfangen haben, aus reiner Gnade Christi, aus reiner Liebe des Vaters in der Gemeinschaft des Heiligen Geistes. Vorsicht! Vorsicht mit den Eliten! Die Eliten schließen sich in einer Seifenblase ein, verlieren den missionarischen Horizont, verlieren Stoßkraft, verlieren den Mut. Die Einrichtungen und Bewegungen müssen das Erbe weitergeben. Ihr fragt mich: „Padre, wo?“ Auf der Straße, auf der Straße. Dort, wo  sich das Leben unserer Stadt entscheidet. Dort, wo die ewige Erlösung der Männer und Frauen entschieden wird. Dort, wo die Werte auf dem Spiel stehen. Dort wo viele Kinder von klein auf anfangen können, falsche Wege zu gehen, die sie für den Rest ihres Lebens unglücklich machen. Die Straße ist der theologische Ort der Bewegungen und Einrichtungen. Dort müssen sie sich opfern, das geschenkte Geschenk schenken, das Erbe weitergeben, das sie unentgeltlich erhalten haben. … Als Bischof bitte ich euch: Hütet das Erbe nicht in der Vitrine eurer Besucherausstellung. Tragt es auf die Straße, sucht missionarische Horizonte, setzt euch jeden Tag voll ein, damit dieses Erbe, das wir so unentgeltlich empfangen haben, Ferment dieser Stadt wird.“ (29.5.1999).

Eine Botschaft und Bitte, wie sie zu einem Karl Leisner passt. Mit allem damit verbundenen Risiko, das er eingegangen ist. Getragen von der missionarischen Kraft seiner Weihe an die Dreimal Wunderbare Mutter von Schönstatt, seine liebe MTA.

„Eine Kirche, die nicht hinausgeht, ist eine Kirche „der Snobs“. Eine kirchliche Bewegung, die nicht zur Mission hinausgeht, ist eine Bewegung von „Snobs“. Und noch schlimmer, statt hinauszugehen und die Schafe zu suchen, um sie herzubringen, oder zu helfen oder Zeugnis zu geben, widmen sie sich dem Grüppchen, dem Kämmen von Schafen. Stimmt das nicht? Das sind spirituelle Friseure! So etwas geht doch nicht!“, sagt Jorge Mario Bergoglio, Papst Franziskus, 15 Jahre später bei der Jubiläumsaudienz der Schönstatt-Bewegung: „Das heißt, hinausgehen, aus uns selbst hinausgehen. Eine geschlossene Kirche oder Bewegung, eine geschlossene Gemeinschaft, die wird krank! Die haben alle Krankheiten der Begriffsstutzigkeit und Halsstarrigkeit! Eine Bewegung, eine Kirche, eine Gemeinschaft, die hinausgeht, die irrt. Aber es ist doch schön, um Vergebung zu bitten, wenn man sich irrt, also habt davor doch keine Angst!“

Karl Leisner, einer dieser vielen Schönstätter im Hinausgehen, „Liebesbündnis inside“. In der Sprache des Papstes verunglückt beim Hinausgehen, bei diesem Hinausgehen, bei dem man nie zu weit gehen kann, denn da ist dieser Jesus, der bis an die äußerste Grenze hinausgegangen  und dem Karl Leisner begegnet ist. In der tiefsten Tiefe dieses Wortes. Segne auch, Höchster, meine Feinde.

Schönstatt feiert den 100. Geburtstag von Karl Leisner

In Schönstatt, so die Auskunft von Pfr. Stefan Keller aus dem Institut der Schönstatt-Diözesanpriester, finden im Umkreis des 100. Geburtstags von Karl Leisner verschiedene Veranstaltungen statt. Am Mittwoch, 5. März, findet um 19.30 Uhr in der Anbetungskirche anlässlich des 100. Geburtstages ein Festgottesdienst mit Erzbischof  em.  Robert Zollitsch statt.

Das Institut der Schönstatt-Diözesanpriester  veranstaltet vom 2.- 8. August die sogenannte Moriahwoche, in diesem Jahr zum Thema Karl Leisner; als Referenten sind Pfr. Hans-Karl Seeger (Herausgeber der Tagebücher) und P. J. Schmiedl eingeladen.

Die Anbetungstage über Fastnacht in der Marienau werden mit  Texten von Karl Leisner gestaltet; die inhaltliche Verantwortung dafür haben die em. Pfarrer Ernst Geerkens, Kleve, Custos der Karl-Leisner-Begegnungsstätte im Elternhaus von Karl Leisner an der Flandrischen Straße 11 in Kleve und Theo Hoffacker (Xanten-Marienbaum).

Ich habe lange keine Briefe mehr geschrieben

In Zeiten von Mail, Skype, Whatsapp, Twitter und Facebook ist das Briefeschreiben aus der Mode gekommen.

Zwanzig Sondermarken von Karl Leisner habe ich für das Foto gebraucht und gekauft. Und jetzt? Diese ebenso schlichte wie provozierende Sondermarke kann ich nicht gut in eine Vitrine legen. Oder meine Schreibtisch-Schublade, zur seligen Erinnerung. Nicht nach dem Wort von Jorge Mario Bergoglio. Nicht nach dem Zeugnis von Karl Leisner. Segne auch, Höchster, meine Feinde. Die muss hinausgehen. Und ich weiß auch schon ein paar…

1 Responses

  1. Sr. Ingrid-Maria sagt:

    Kempten, Postamt im großen Einkaufszentrum, 5. Februar, nachmittags 14:15 Uhr: Ich möchte 50 Karl-Leisner-Briefmarken. Die Mitarbeiterin muss alle Schalter "abräumen" dafür und stellt erstaunt fest: Das sind grad noch unsere letzten. Ein Blick auf die Marke: Der ist aber nicht alt geworden… – Mit zwei Sätzen kann ich ihr noch sagen, wer das ist, dann geht der Betrieb weiter.

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