Veröffentlicht am 2015-08-09 In Projekte

Da war doch einmal eine kleine Schule, die um jeden Schüler und um jeden Euro kämpfte …

DEUTSCHLAND, von Maria Fischer im Interview mit Renate Immler •

Wer in eine Vision investiert, teilt oft das Schicksal des Mose: nachdem er jahrzehntelang sein Volk gegen alle menschliche Vernunft quer durch die Wüste einem verheißenen Land entgegengeführt hat und die Gewinn-/Verlustrechnung eindeutig auf „Fehlinvestion“ an Zeit und Kraft und Dank ausfällt, kommt dieses Land in Sicht – nur er, Moses, der immer daran geglaubt und alles dafür gegeben hat, erlebt den Einzug in dieses Land nicht. Mehr gegeben als gesehen, erlebt und erhalten. Weizenkorn, sagt Jesus. Also irgendwo logisch und christlich, sich darauf einzustellen und dazu bereit zu sein, dass in einem fernen Irgendwann andere ernten, was man gesät hat. Eine Woche Zeit und viel Geld, die ein schon sterbenskranker Pater Esteban Uriburu investiert, damit ein Priester aus Panama die Kampagne der Pilgernden Gottesmutter vor Ort, in Argentinien, wirklich versteht. Über 15 Jahre später hält ein Schönstatt-Pater dort Exerzitien für Priester und trifft eine kleine, blühende Schönstatt-Bewegung an. Jugendliche aus Chile starten eine Schönstatt-Mission in Kuba, werden des Landes verwiesen… und gute 15 Jahre später wird dort der Schönstatt-Priesterbund gegründet und gehen 25 Bilder der Pilgernden Gottesmutter auf den Weg dorthin – als „erster Anfang“. Und manchmal geht das Saatkorn erst noch viel mehr unter und dauert es noch viel länger und weiß man vielleicht nie, ob man einfach Geld und Kraft und Lebenszeit versenkt hat oder Anfang von etwas ganz Großem geworden ist. Die wirklich kulturprägende Kraft der Benediktinerklöster entfaltete sich Hunderte von Jahren nach dem Tod Benedikts, hat dann aber einen ganzen Kontinent umgestaltet. Wer „The Mission“ gesehen oder die Ruinen der Jesuiten-Reduktionen in Südamerika besucht hat, fragt sich, wie es geschehen konnte, dass ein solches Modell inkulturierender Evangelisierung kaputt gemacht wurde, wofür all diese Opfer waren … Aber die Jesuiten dieses Kontinentes haben einen Papst Franziskus hervorgebracht.

Doch manchmal macht es diesem Gott des verrückten Lebens einiger seiner wagemutigsten Kinder Freude, die Ersten mitgehen zu lassen ins Gelobte Land – vielleicht einfach, weil er Freude hatte an ihrer wilden Entschlossenheit und leidenschaftlichen Liebe, vielleicht weil es solche Geschichten braucht, die noch lange erzählt werden können, um all denen Mut zu machen, denen sonst vielleicht auf halber Strecke die Kraft ausgehen könnte … So eine Geschichte wie die der Josef-Kentenich-Schule in Kempten.

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Das ist doch noch gar nicht so lange her …

Das ist doch noch gar nicht so lange her, dass die Suche nach einem Gebäude oder einem Grundstück für diese Schule daran scheiterte, dass keine Gemeinde sie haben wollte … Dass die Initiatoren, ein paar Ehepaare aus dem Umkreis der Akademie für Familienpädagogik Schönstatt auf`m Berg Memhölz, nervenaufreibende Hürdenläufe durch die Bürokratie bewältigen mussten, um Genehmigungen für das Konzept einer Grundschule in freier Trägerschaft zu bekommen. Dass sie um jede Spende, jedes Darlehen, jeden Euro kämpften und jeder, der sich darauf einließ, einen großen oder größeren Betrag zu investieren, die Befürchtung hatte, für komplett verrückt erklärt zu werden. Als um jede einzelne Anmeldung, um jeden einzelnen Schüler gekämpft wurde. Als Unmengen an Zeit und Kraft und Geld hineingesteckt wurden in Infoveranstaltungen, zu denen dann doch keiner kam, und Pressemeldungen, die irgendwo im medialen Nichts versanken. Als gestreut wurde, dass dies doch eigentlich eine Art Förderschule sei …

Eine Schule, die fördert. Hochbegabte Kinder ebenso wie ganz sensible Kinder, langsame Kinder ebenso wie schnelle, durch Sehschwäche beeinträchtigte Kinder ebenso wie Energiebündel, besondere Kinder ebenso wie besondere Kinder. Weil jedes Kind einmalig und ganz besonders ist und eine einmalige und ganz besondere Förderung verdient. Und weil Josef Kentenich von diesem Konzept des einmaligen, besonderen Menschen und seiner einmaligen, besonderen Begabung und Berufung ausgeht, sollten Kinder hier einmalig und besonders leben und lernen dürfen.

Und das alles ist wirklich noch nicht lange her …

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Und heute: Wartelisten, gute Presse und auch finanziell Land in Sicht

Die Josef-Kentenich-Schule besteht nun seit drei Jahren und wird ab September von 62 Schülern besucht. Mit den Quereinsteigern, die die bestehenden Klassen bereichern und einer fast voll besetzten neuen ersten Klasse überschreitet die Schule die ersehnte 60-Schüler-Marke. Am meisten freut das den Kassier, denn das bedeutet, dass die Schule ab August 2016 schwarze Zahlen schreibt! Die Berechnung der staatlichen Kostenerstattung erfolgt auf Grundlage der Vorjahreszahlen – und mit über 60 Schülern sind damit dann die Kosten gedeckt!

„In den ersten beiden Jahren haben wir fast für jeden Schüler eine eigene Infoveranstaltung durchgeführt. Es war sehr, sehr mühsam, unsere Schule bekannt zu machen, uns gegen üble Gerüchte zu behaupten und die potentiellen Eltern vom Konzept unserer Schule zu überzeugen“, erzählt Renate Immler. „Doch diese Herausforderungen gehören nun der Vergangenheit an! Inzwischen hat die Josef-Kentenich-Schule einen sehr guten Ruf, der sich immer mehr herumspricht. Ganze Gruppen von Eltern wenden sich an uns und bitten um einen Termin für eine Schulbesichtigung oder einen Infoabend – unter ihnen auch Lehrer und Erzieher, die das Schulkonzept als sehr stimmig und gut durchdacht loben. Für September 2015 haben wir bereits 19 und für 2016 bereits 15 Anmeldungen zur Einschulung. Da wir nur maximal 20 Schüler in eine Klasse aufnehmen, wird es wohl demnächst Wartelisten geben!“ Wer hätte das gedacht!

„Wir“, so die überzeugte Antwort.

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Unterschiedliche Talente fördern, Eigeninitiative stärken

Was macht denn die Josef-Kentenich-Schule so beliebt und so attraktiv? Etwa: das Eingehen auf die ganz spezielle Eigenart jedes Kindes.

Im neuesten Infobrief heißt es: „Die unterschiedlichen Talente der Schüler fördern wir darüber hinaus durch Zusatzangebote wie Schach-AG für Anfänger und Fortgeschrittene, Theater-AG, Musikalischer Grundkurs, Schulchor, kreatives Gestalten usw.). Die wortgewandten Schüler dürfen, wenn die Gelegenheit sich bietet, öffentliche Reden halten, worüber sich auch die Zuhörer sehr freuen. Als z.B. der Oberbürgermeister von Kempten zu Besuch war und einen Baum pflanzte, gab der Schulleiter seine Rede an drei Kinder ab, welche die 200 Besucher informierten und unterhielten. Selten hörten Jung und Alt so gut einer Rede zu wie bei der Rede dieser drei Viertklässler.“ Ein Ehepaar bietet ehrenamtlich einmal in der Woche Förderung für mathematisch höher- und hochbegabte Schüler (er) und (sie) Unterstützung schwächerer Zweitklässler beim Lernen an.

Und was noch? Engagement wird großgeschrieben, aber nur freiwillig!

„Das gemeinsame freie Engagement von Schülern, Eltern, Lehrern und sonstigen Idealisten für unsere Schule, der wertschätzende Umgang miteinander, die Atmosphäre des Schulhauses und die Ausstattung der Schule bewirken, dass sich unsere Schüler sehr wohl in der Josef-Kentenich-Schule fühlen. Eine Mutter von einer Schülerin, die kürzlich zu uns kam, beschreibt ihre Erfahrung folgendermaßen: ‚Ich kann das in wenigen Worten auf den Punkt bringen. Meine Tochter ist jetzt am richtigen Platz!‘ Die Mitarbeit der Eltern Mithilfe – in anderen Privatschulen Pflicht – ist an der Josef-Kentenich-Schule freiwillig. Wir setzen auf Freiheit und Hochherzigkeit und die Motivation der Eltern. Diese entsteht, weil es ihren Kindern an der Schule gut geht und wir haben diese Entscheidung bisher noch nicht bereut.“

Und ein Drittes: Wenn Kinder verrückte Ideen haben und unbedingt etwas anderes machen wollen als das, was im Lehrplan steht – können sie das tun! Denn Eigeninitiative tut gut (und fehlt so vielen Menschen heute, vielleicht weil sie ihnen erfolgreich madig gemacht wurde…)

„Ein Mädchen am Anfang der ersten Klasse hat ihre Antolin-Zugangsdaten eingefordert, um zu real gelesenen Büchern im Internet Quizfragen beantworten und Punkte sammeln zu können. Sie kannte das von ihren älteren Geschwistern und konnte schon lesen. Nach mehrmaligen Drängen der Schülerin ist der Schulleiter, Herr Knes, darauf eingegangen und hat ihr die Zugangsdaten eingerichtet, was sich wie ein Lauffeuer in der Klasse verbreitet hat. „Die Anna (Name geändert) liest Bücher und sammelt Punkte im Internet, das will ich auch.“ So haben sich die Schüler gegenseitig angesteckt und eine enorme Begeisterung für das Lesen entwickelt. In zwei Jahren hat diese Klasse zusammen 1400 Bücher gelesen und ca. 30.000 Punkte gesammelt.

Unsere erste Klasse im Schuljahr 2012/13 hat auf Wunsch der Schüler Referate über ihre Haustiere gehalten. Wenn solche Initiativen vom Lehrer angestoßen würden, dann wären sie wohl auf viel Unverständnis der Eltern gestoßen, denn warum sollten Erstklässler nach wenigen Wochen Bücher lesen und im Internet dazu Fragen beantworten oder so schnell Referate halten. Als Bewegung von „Herz zu Herz“ der Kinder lösen sie dagegen eine Begeisterung aus, mit welcher der übliche Unterrichtserfolg weit übertroffen wird.“

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Stelle frei

Wachsende Schülerzahlen bedeuten auch: mehr Bedarf an Lehrkräften. Wer also jetzt beim Lesen gedacht hat: Da würde ich gerne mal unterrichten, und außerdem schnell entschlossen und flexibel ist, hat jetzt eine Chance: Zu Beginn des nächsten Schuljahres – also Mitte September 2015 – ist eine Stelle frei geworden für eine Grundschullehrerin oder einen Grundschullehrer, befristet für ein Jahr.

Informationen oder gleich Bewerbung an Herrn Knes: schulleitung@kentenich-schule.de .

Der schönste Blick ins Allgäu

Vor einigen Wochen veranstaltete TV Allgäu einen Fotowettbewerb unter dem Titel: „Der schönste Blick ins Allgäu.“ Die Josef-Kentenich-Schule machte mit, aber nicht mit einem Landschaftsfoto, sondern einem Foto von fröhlichen Kindern, die um die Wette in die Kamera strahlen.

Und haben gewonnen.

TV-Allgäu lieferte vor Beginn der Sommerferien die gewonnene Holzbank und machte Filmaufnahmen im Pausenhof. Das Filmteam ist sich einig, ein Blick in die strahlenden Kinderaugen ist der „schönste Blick ins Allgäu“!

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Internetseite der Josef-Kentenich-Schule: www.kentenich-schule.de

27. Infobrief der Josef-Kentenich-Schule

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1 Responses

  1. Elmar Busse sagt:

    LIebe Frau Fischer
    Dieser Artikel hat mich sehr bewegt. Konnte ich doch aus der Nähe die Entstehungsgeschichte mit erleben, mitzittern, mithoffen, mitfeiern! Ich wünschte, wir hätten in der deutschen Schönstatt-Landschaft noch mehr solcher Teams mit Visionen und der gestalterischen Energie.
    Im LB verbunden
    Ihr Pater Elmar Busse (von der Intensivwoche mit behinderten Kindern in Leonding)

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