Veröffentlicht am 2017-07-31 In Haus Madre de Tuparenda, Werke der Barmherzigkeit

Sebas: ein lebendiges „Ja, es geht! Man kann den Teufelskreis von Armut und Kriminalität durchbrechen“

PARAGUAY, Ani Souberlich, Leiterin von Haus Madre de Tupãrenda •

Und wieder gab es ein Fest im Haus Madre de Tupãrenda, denn erneut gab es eine Entlassfeier für einen Jugendlichen, der das neunmonatige Projekt erfolgreich durchlaufen hatte. Noch ein Jugendlicher, der bewiesen hat, dass er nur eine einzige Chance brauchte, um eine neue Entscheidung für sein Leben zu treffen, dass er nur jemanden brauchte, der ihm die ersten Schritte auf einem Weg führte, um selbst gehen zu lernen und das Beste für sich und seine Familie zu wählen. Bei der Entlassfeier waren seine Angehörigen dabei, P. Pedro Kühlcke sowie Lourdes Marín in Vertretung von Fundaprova (Verein zur Förderung von Werten und Gewaltprävention, Rechtsträger von Haus Madre de Tupãrenda).

„Unter uns ist jemand, der stärker ist als das Böse.“

Das Fest begann mit einem leckeren Mittagessen in Haus Madre de Tupãrenda, danach ging es zum Heiligtum von Tupãrenda, wo P. Pedro die heilige Messe im Dank für das Geschenk eines jungen Menschen feierte, der seine Fehler anschauen, sie erkennen und um Hilfe bitten und diese annehmen und in voller Freiheit Tag um Tag seinen Wunsch nach Veränderung für ein besseres Leben für ihn und seine Familie erneuern konnte. Und wie es immer bei den Messen ist, die einmal in der Woche mit den Jugendlichen von Haus Madre de Tupãrenda gefeiert werden, wollten alle Messdiener sein, wollten sie alle weißgekleidet nahe am Altar stehen, nahe bei P.  Pedro und auch bei Jesus, der vermutlich selbst auch nichts lieber wollte als diese Nähe, ist er doch gekommen, um die Verletzten, die Ausgestoßenen, die nach Brot und Liebe und einem würdigen Leben Hungernden zu erlösen. So spüren die Jugendlichen, „mitten unter uns ist  Jemand, der stärker ist als das Böse, stärker als die kriminellen Vereinigungen, die dunklen Machenschaften, stärker als jene, die aus den Verzweifelten Profit schlagen, stärker als jene, die andere mit Arroganz unterdrücken … Jemand, der schon immer die Stimme des Blutes Abels gehört hat, das von der Erde aufschreit“, wie Papst Franziskus bei der letzten Generalaudienz vor der Sommerpause, am 28. Juni, gesagt hat.

Sebas junger Mutter kullerten die Tränen nur so über die Wangen, als sie ihren Jungen „so anders“ sah, so ordentlich in seiner Kleidung und seiner Art zu reden, und erst recht, als ihr klar wurde, dass dieser Junge nicht nur äußerlich fein angezogen, sondern innerlich verändert war, nachdem er ihr so viel Sorge und durchwachte Nächte bereitet hatte. Inzwischen konnte Sebas mit seinen noch nicht einmal ganz 17 Jahren schon sein Praktikum in der Bäckerei eines Supermarktes anfangen und so zum Unterhalt seiner Familie beitragen.

Es geht! Der Teufelskreis von Armut, Verwahrlosung und Kriminalität kann durchbrochen werden!

In diesem feierlichen Moment muss man sich einfach daran erinnern, wie er vor 9 Monaten nach Haus Madre de Tupãrenda kam, und wie er nun mit Anzug und Krawatte vor uns steht, unendlich stolz, das Ziel erreicht zu haben; es ist eine Freude für uns alle, die wir in Haus Madre de Tupãrenda arbeiten und gibt uns Kraft, weiter auf dieses Projekt zu setzen, das in den 10 Monaten seines Bestehens schon Frucht gebracht hat in vier Absolventen, die die 9 Monate des Projektes erfolgreich abgeschlossen haben; eigentlich sind es sogar fünf, denn nach vier Monaten in Haus Madre de Tupãrenda hatte Juan Ramón uns gesagt, er fühle sich jetzt schon so weit, dass er sich eine Arbeit suchen könne, was er auch machte. Er arbeitet jetzt seit einem halben Jahr im großen Garten eines Anwesens. Haus Madre de Tupãrenda hat fünf Früchte hervorgebracht, die aufrecht durchs Leben gehen, ehrliche Arbeit verrichten, um sich das tägliche Brot zu verdienen und ihre Familien zu unterstützen.

Erste Spendenaktion: ein Flohmarkt

Haus Madre de Tupãrenda ist ein Haus der Hoffnung und der Wandlungswunder, wo Maria Herrin und Gebieterin ist und wo sie unter den jungen Menschen wohnt. Auch wenn wir eine starke finanzielle Unterstützung durch das Justizministerium erhalten und Gott sei Dank einige Spenden aus der weltweiten Schönstatt-Bewegung, ist der Bedarf immer größer als das, was da ist, weil diese jungen Menschen oft weder ein Bett noch Schuhe haben und es an allen Ecken und Enden fehlt. Und so kam die Idee auf, eine Spendenaktion mit einem Flohmarkt zu machen. Dafür, dass es zum ersten Mal gemacht wurde, kann das Ergebnis sich sehen lassen. Mit den Einnahmen haben wir Verbrauchsmaterial für die Bäckerei gekauft, so kann es weitergehen mit unserer kleinen Produktion und dem Verkauf nach der Sonntagsmesse. Jetzt können wir auch Plätzchen und Alfajores herstellen, was das Angebot erweitert.

Sie brauchen ganzheitliche Begleitung

Man redet viel von den Armen in Paraguay, von den Fensterputzern an den Kreuzungen, den Drogenabhängigen, den Motorradbanden… Aber was können wir erwarten, wenn niemand sie sieht, wenn sie offiziell gar nicht existieren? Es geht nicht darum, ihnen Arbeit zu geben, ohne ihnen zuvor eine Ausbildung zu ermöglichen. Sie brauchen ganzheitliche Begleitung; erst muss der Ton ihres Lebens geformt werden, indem man ihnen hilft, das zu sehen und anzuerkennen, was sie dahin gebracht hat, wo sie sind, und das schließt ein, tiefe Wunden in ihrem Innern aufzureißen, Wunden, die sie selbst am liebsten nicht anrühren würden, weil sie dann wieder unter der Vernachlässigung durch ihre Eltern leiden, unter dem Tod vielleicht des einzigen Menschen, der sie gehalten hat, unter der Ausbeutung dem Druck, schon mit sechs, sieben Jahren Geld nach Hause bringen zu müssen, um dort nicht Tag für Tag verprügelt, eingesperrt, missbraucht zu werden. Von ganz klein an mussten sie lernen, auf der Straße zu überleben, und dort überlebt der Stärkere, herrscht das Gesetz des Dschungels.

Danach müssen sie dahin geführt werden, sich liebenswürdig zu verhalten, zu vertrauen, die grundlegendsten Normen der Höflichkeit zu lernen und dann Arbeitsfähigkeiten zu erwerben wie Pünktlichkeit, Achten von Vorgesetzten und Befolgen von Arbeitsanweisungen. Wenn sie all das nicht bekommen, bevor sie auf den Arbeitsmarkt gehen, wird keine Anstellung lange halten. Eigentlich sind sie nur durch ein Wunder am Leben, und wir, die wir an die Führung Gottes glauben, sind überzeugt, dass Haus Madre de Tupãrenda ihnen diese ganzheitliche Begleitung gibt, die sie brauchen, um gute Menschen zu sein und eine Anstellung zu halten.

Allein schaffen wir es aber nicht; Haus Madre de Tupãrenda hat Kapazität für 20 Jugendliche und im Moment haben wir 23 und dazu eine Warteliste!  Manchmal bekommen wir einen Schrecken, wenn wir merken, dass wir nicht genug Mittel haben, um alle Ausgaben zu decken, aber gleichzeitig vertrauen wir fest darauf, dass Maria, die Hausherrin, viele hochherzige Herzen berührt, die uns helfen, mehr Jugendlichen auf den Weg zu helfen, die hilflos auf der Straße leben… Danke jedem von Ihnen, der an uns glaubt und uns mit Gebet und Spenden unterstützt.

Wir sind, was wir sind wegen dem, wo wir sind

Es braucht unwahrscheinlich viel Geduld, Vertrauen und Belastbarkeit im Umgang mit den jungen Menschen im Haus Madre de Tupãrenda, doch dafür gibt es dann auch diese Augenblicke, in denen man mit aller Deutlichkeit sieht, dass Jesus dieses jungen Menschen als seine „Favoriten“ sieht, und diejenigen, die ihnen eine Hand reichen (und ein Herz und Geld und Zukunft…) auch.

Etwa wenn Ulises in seinem Facebook-Profil schreibt:

Wir sind, was wir sind wegen dem, wo wir sind – Danke, lieber Gott.

Oder wenn Sebas strahlend vor Freude nach Haus Madre de Tupãrenda zurückkommt und so auch auf jedem Foto von einem Treffen der Schönstattjugend auftauchen könnte.

Ja, ist es möglich, den Teufelskreis von Armut, Vernachlässigung und Kriminalität zu brechen. Es ist möglich, einen neuen Kreis von menschenwürdiger Arbeit, Selbstwertgefühl, Vertrauen und Liebe zu beginnen.

Es geht.

Am letzten Tag hat Sebas mich gedrückt, bis mir die Luft wegblieb, und gesagt: „Ich werde Haus Madre de Tuparenda und euch alle so vermissen. Danke,  Frau Ani, für alles, was du für mich gemacht hast.“

Bankverbindung:

Fundaprova, Konto: 102792992, Sudameris Bank SAECA, BIC/SWIFT-BSUDPYPXXXX, RUC80079669-1

Schönstatt-Patres International e. V., IBAN: DE91 4006 0265 0003 1616 26, BIC/SWIFT GENODEM1DKM, Verwendungszweck: P. Pedro Kühlcke, Casa Madre de Tupãrenda

Die ersten Absolventen von Haus „Madre de Tupãrenda“

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1 Responses

  1. Melle sagt:

    Glueckwunsch! Glueckwunsch! Glueckwunsch, Sebas! Bleib auf dem neuen Weg! Halte durch! Und wenn Du Hilfe brauchst, lauf zu Dona Ani!

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